Wipperfürth - Im Rat wurde gestern der Haushalt eingebracht - Ratsmitglieder und Bürgermeister vereidigt.
Von Leif Schmittgen
Es sind düstere finanzielle Zeiten, die Wipperfürths Kämmerer Jens Groll bei der gestrigen Sitzung des Stadtrates für die kommenden Jahre prognostizierte. Die Vorgespräche und -planungen hätten viele Arbeitsstunden für die Verwaltung bedurft. „Das war eine schwere Geburt mit vielen Diskussionen“, so die Zusammenfassung von Bürgermeisterin Anne Loth vor der Einbringung des Zahlenwerks. „Wir werden darüber sprechen müssen, was wir uns noch leisten können“, so Loths Prognose, ehe sie das Wort an Groll übergab.
Ausgaben
Investitionen zur Stärkung des Schulstandorts und der Infrastruktur wie Straßen und Brücken in Höhe von insgesamt 44 Millionen Euro sind für 2026 vorgesehen. Groll sprach von einer kritischen Ist-Situation und harten Fakten, denen man sich nun stellen müsse. In den nächsten 15 Jahren seien Investitionen von über 200 Millionen Euro unumgänglich. „Das ist gewaltig“, so Groll. „Mit Sicherheit aber gut angelegtes Geld für unseren Lebens- und Wirtschaftsstandort, aber es wird die Schulden enorm erhöhen“, so Groll.
Kreditbedarfe gebe es auch außerhalb der Investitionen, alleine zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit. Über 50 Millionen Euro laufender Dispositionskredite seien kein theoretisches Schreckensszenario, sondern Realität. Viele Darlehen laufen aktuell aus, man sei von einer Entspannung bei den Liquiditätskrediten bis 2029 weit entfernt. Deswegen geht der Kämmerer von enorm steigenden Zinsbelastungen in der nahen Zukunft aus.
Groll stellte die rhetorische Frage, warum man nichts im Portemonnaie habe: „Wir bekommen zu wenig aus dem kommunalen Finanzausgleich“, ein Schiefstand, der seit einigen Jahren bestehe. „Wir müssen mehr vom Kuchen erhalten, so wie es früher einmal war“, mahnte er. Deswegen haben sich Liquiditätslücken angehäuft. Aufgaben, die vom Land an die Kommunen übertragen wurden, seien nicht auskömmlich refinanziert worden und buchhalterische Tricks hätten zudem die desolaten Haushaltslagen der Kommunen kaschiert.
„Davon habe auch ich ordentlich Gebrauch gemacht“, meinte der Kämmerer. Er nannte als Beispiel die bis 2023 bestehenden Isolierungsmöglichkeiten der Coronapandemie und des Ukrainekriegs, die Einführung von globalen Minderaufwendungen und die Bildung von Verlustvorträgen. „Diese Möglichkeiten haben das Bild geschönt, aber sie haben kein Geld in die Kasse gespült.“ Hinzu kommen die globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten, die das zu erwartende Gewerbesteueraufkommen einbrechen lassen: „Hinzu kommt ein epochaler Anstieg der Personalkosten.“
Eckdaten des Haushalts
Erträge (in Klammern: Vergleich zum Vorjahr)
Insgesamt: 81.405.821 Euro (80.914.210 Euro)
Darin unter anderem enthalten:
Gewerbesteuer: 17.500.000 Euro (22.000.000 Euro)
Einkommensteuer: 14.620.000 Euro (14.480.000 Euro)
Grundsteuern: 6.860.000 Euro (6.705.000 Euro)
Zuweisungen des Landes: 15.082.730 davon Schlüsselzuweisungen 3.900.000 (9.921.276 Euro), Umsatzsteuer: 3.120.000 Euro (2.570.000 Euro)
Aufwendungen
Insgesamt: 93.598.071 Euro abzgl. globaler Minderaufwand 1.810.000 Euro = 91.788.071 Euro (86.273.542 Euro)
Darin unter anderem enthalten:
Kreisumlage: 16.210.000 Euro (13.000.000 Euro), Hinweis: Aufgrund von bilanziellen Rückstellungen entsprechen die vorgenannten Werte nicht dem Zahlbetrag der Kreisumlage, 2025 ist tatsächlich eine Zahlung von 20.150.000 Euro zu erbringen. 2026 entspricht Zahlbetrag
Personal- und Versorgung: 20.247.400 Euro (21.767.617 Euro)
Gewerbesteuerumlage: 1.300.000 Euro (1.638.300 Euro)
Fehlbetrag: 10.382.250 (wird mit 101.192 Euro aus der Ausgleichsrücklage ausgeglichen , der restliche Fehlbedarf von 9.418.058 Euro soll gegen die allgemeine Rücklage verrechnet werden, inkl. einer Zuführung zur allg. Rücklage von 863.000 Euro ( nicht ergebniswirksam))
Den kompletten Haushaltsplanentwurf gibt es hier.
Einnahmen
Jens Groll freut sich auf eine Gegenfinanzierung durch die Altschuldenübernahme des Bundes und des Landes. Er rechnet mit einer Absenkung der Zinsen für Liquiditätskredite um 500.000 Euro, allerdings erst ab 2027. Zur Planung in das aktuelle Zahlenwerk müsse zwingend ein noch fehlender Bescheid eines Wirtschaftsprüfers vorliegen, weshalb der Betrag nicht in die aktuelle Kalkulation einfließen könne. Förderprogramme von Bund und Land über insgesamt rund 21 Milliarden blieben für Wipperfürth in den nächsten zwölf Jahren bei 10,5 Millionen Euro. 875.000 Euro bleiben somit pro Jahr an Einnahmen. "Das sind fünf Prozent Beteiligung an den Investitionen“, so Groll. Er begrüße zwar die Partizipation des Landes, sprach aber trotzdem von einem „großen Ungleichgewicht“.
Alle Faktoren führen dazu, dass die Stadt wegen der dauerhaften Unterfinanzierung nun ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen müsse, das einer Genehmigung durch die Kommunalaufsicht bedürfe. Die durch das Konzept vorgeschriebene Senkung der Aufwendungen müsse zum Großteil durch Einsparung von Personalkosten erfolgen, die Steigerung von Erträgen müsse durch höhere Steuereinnahmen realisiert werden. Trotzdem empfahl der Kämmerer, die Hebesätze bis einschließlich 2030 nicht zu erhöhen, den bestehenden wirtschaftlichen Unsicherheiten geschuldet.
Ab 2031 ist die Stadt durch negatives Eigenkapital überschuldet, nach dem Konzept sollen 2034 wieder positive Ergebnisse ausgewiesen werden, um 2036 wieder schuldenfrei zu sein. Das sei nur durch die dann unumgängliche Anhebung der Hebesätze 2031 möglich. Deshalb empfahl er den längstmöglichen Anwendungszeitraum für das Haushaltssicherungskonzept. Nun folgen die Haushaltsberatungen, ehe das Zahlenwerk zum Ende des Jahres verabschiedet werden soll.
Vereidigung und Konstitution
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[Regina Billstein (v. li.), Anne Loth, Andrea Münnekehoff und Lothar Palubitzki.]
Anne Loth startete gestern offiziell in ihre zweite Amtszeit als Bürgermeisterin von Wipperfürth. Sie wurde aus diesem Grund vom dienstältesten Ratsmitglied, Frank Mederlet (SPD), feierlich vereidigt. Er ist seit 42 Jahren im Stadtparlament. In ihrer Ansprache plädierte Loth für politische Einigkeit im Sinne der Stadt über alle Parteigrenzen hinweg: „Haltung zeigen, aber sachbezogen agieren“, so Loths Mahnung, auch mit Blick auf die neuen Vertreter von AfD und BSW.
Zu ihren Stellvertretern wurden gestern in geheimer Wahl Lothar Palubitzki (CDU/folgt auf den aus dem Rat ausgeschiedenen Heribert Berster), Regina Billstein (SPD/wie bisher) und Andrea Münnekehoff (Bündnis 90/Die Grünen/wie bisher) gewählt. Sie wurden ebenso wie die Ratsmitglieder, darunter 15 Neue, im Amt vereidigt. Außerdem wurden die Ausschüsse konstituiert, die in ihrer bisherigen Funktion erhalten bleiben. Über die genaue Besetzung wird noch entschieden.
