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OVAG-Chefin: „Das System gerät ins Wanken“

lw; 07.03.2024, 13:01 Uhr
Foto: Lars Weber.
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OVAG-Chefin: „Das System gerät ins Wanken“

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lw; 07.03.2024, 13:01 Uhr
Oberberg - Corinna Güllner schlägt bei der künftigen Finanzierung des ÖPNV Alarm – Notfahrplan habe mit Verzögerung Wirkung gezeigt.

Von Lars Weber

 

Hohe Krankenstände, ein durchschlagender Fahrermangel, Busausfälle en masse, ein Notfallfahrplan, Angebotserweiterungen im Wartestand: Es gibt leichtere Jobs als jenen von Corinna Güllner. Sie ist Geschäftsführerin der OVAG und seit Monaten im Krisenmodus. Bei der gestrigen Sitzung des Kreisentwicklungsausschusses hat Güllner einen Zwischenstand über die Entwicklungen seit Herbst vergangenen Jahres gegeben. Tatsächlich ist sie zuversichtlich, bald schrittweise zum normalen Fahrplan zurückkehren zu können. Mehr Sorgen bereitet ihr inzwischen die künftige Finanzierung des ÖPNV-Angebots.

 

Im November hatte die Abwärtsspirale ihren Höhepunkt erreicht, beschrieb Güllner. Die Situation bei den Fahrern – die wenigen, die da sind, waren zu stark belastet und fielen irgendwann selbst aus – hatte zu diesem Zeitpunkt längst dazu geführt, dass selbst der Schülerverkehr arge Risse bekommen hatte. Die Beschwerden häuften sich immer mehr, Eltern konnten aber nur vertröstet werden. Zu diesem Zeitpunkt wurde längst am Notfahrplan gewerkelt. Dazu sei es nötig gewesen, „alles auf den Kopf zu stellen“. Weniger Verbindungen, längere Taktungen, teils sogar der Einsatz von Linientaxis bei nicht schulrelevanten Touren. Das Ziel: Vor allem der Schülerverkehr soll funktionieren.

 

Der Sonderfahrplan trat am 10. Dezember in Kraft – und schien zunächst wirkungslos zu verpuffen. Ursache dafür sei vor allem der weiterhin hohe Krankenstand gewesen, der weiter zu vielen Ausfällen auch im Schülerverkehr führte. Es habe aber auch vereinzelt planerische Fehler gegeben, bedingt durch den kurzen Vorlauf und den Umfang der Eingriffe, räumte Güllner ein. So hätten manche Anschlussverbindungen nach der Umstellung nicht mehr funktioniert. Es sei aber nachgebessert worden, zugleich habe sich die Fahrersituation verbessert. Zum einen normalisierte sich die Krankenquote, zum anderen sei es auch in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur gelungen, sechs neue Fahrer anzustellen. Auch der erste Quereinsteigerkurs der OVAG sei inzwischen gestartet.

 

„Der Teufelskreis wurde durchbrochen“, so Güllner. Seit Januar entfalte der Sonderfahrplan seine volle Wirkung. Da viele Verbindungen gestrichen wurden oder da nicht auf jeder Strecke ein Linienbus, sondern manchmal nur ein Kleinbus unterwegs ist, spürten die Fahrgäste die Änderungen natürlich noch immer. Doch die Ausfallquote sei inzwischen gering und betreffe vor allem Touren, die wenig genutzt würden. Im vergangenen Jahr füllten die ausgefallen Verbindungen noch mehrere DinA4-Seiten.

 

Güllner nutzte die Gelegenheit und warb um Verständnis für die hochkomplexe Aufgabe des Schülerverkehrs und versuchte, die Kritik am (Sonder-)Fahrplan in Relation zu setzen zur Menge der beförderten Fahrgäste – insbesondere zur kritischen Zeit vor Schulbeginn. So müssten allein 13.500 Schüler in diesen Zeiten transportiert werden. Dabei müssten 900 Haltestellen im Kreisgebiet zu 40 weiterführenden und berufsbildenden Schulen zuzüglich zahlreicher Grundschulen berücksichtigt werden. „Ein Viertel der täglichen Nachfrage konzentriert sich auf die Stunde vor Schulbeginn, das bindet viele Ressourcen, nicht nur beim Personal, sondern auch bei Fahrzeugen.“ An einem Schultag sei die Verkehrsleistung um 30 Prozent höher als an einem Ferientag.

 

Nun, wo etwas Entspannung eingetreten sei, gelte es letzte Engpässe im Schülerverkehr zu beheben, das Personal müsse aber auch Überstunden und Urlaubsstau abbauen. Weitere Fahrer sollen eingestellt werden, um dann schrittweise zum Regelfahrplan zurückzukehren. Bei der Stadtbuslinie 361 in Gummersbach oder auch dem Schnellbus zwischen Wiehl und Gummersbach (302) soll dies schnellstmöglich geschehen. Anvisiert ist zudem im Rahmen des Programms OFT! weiter die Überarbeitung des Liniennetzes Nord, vor allem der Linie 336 von Gummersbach nach Remscheid-Lennep (OA berichtete). Als Zwischenschritt zur bereits beschlossenen Variante soll es aufgrund der aktuell schwierigen Situation ab August zunächst zu Anpassungen der Fahrzeiten kommen, um die Verbindungen schon früher zu stärken und zu verbessern. „Personell wird es ein Kampf bleiben“, sagte Güllner, aber der eingeschlagene Weg aktuell sei ein guter.

 

„Größere Sorgen mache ich mir um die Finanzierung des Angebots.“ Die Politik werde sich irgendwann entscheiden müssen, wie viel Geld sie wirklich für den ÖPNV ausgeben möchte. Das Problem seien Förderprogramme, aus denen sich der Bund trotz steigender Vorgaben an die Betriebe zurückziehen, zum Beispiel bei der E-Bus-Förderung, der Wasserstoffförderung oder der Unterstützung für Modellprojekte.

 

Ein Beispiel sei auch die Finanzierung des Deutschlandtickets.  Die Verkehrsministerkonferenz hatte im Januar die Preisstabilität des Deutschlandtickets für 2024 beschlossen, da Ausgleichsmittel gesichert seien. Aktuell behalte jedes Unternehmen die eigenen Verkäufe, die Lücke der fehlenden Einnahmen werde über Ausgleichsmittel durch Bund und Land gefüllt. Die Summe der Fahrgelderlöse und Ausgleichsleistungen ist bei der Fortschreibung aber gedeckelt worden. Die OVAG wird nun nicht genügend Ausgleichsmittel erhalten, was zu einer Lücke über voraussichtlich 1,3 Millionen Euro in diesem Jahr führen wird.

 

„Das kann nicht alles auf Länder und Kommunen lasten. Das System gerät ins Wanken“, warnte Güllner. Auf die Unterstützung vom Bund zählt sie aber gerade nicht mehr.

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KOMMENTARE

1

Hallo. Ich wohne in Morsbach-Rhein und sehe täglich wie ein großer Omnibus im Stundentakt, in den meisten Fällen leer, in beide Richtungen bei uns vorbei fährt. Selten sind zwei oder drei Leute im Bus. Warum prüft niemand die Notwendigkeit, ob, zum einen ein solch großer Bus für diese Strecke notwendig ist , bzw. zum anderen der Stundentakt erforderlich ist.

PB, 07.03.2024, 12:59 Uhr
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Zunächst einmal: Als ausschließlich den ÖPNV Benutzende bin ich "mittendrin" - mit unterschiedlichen Linien, zu unterschiedlichen Zeiten sowie an unterschiedlichen Tagen - und zwar regelmäßig. Was Frau Güllner beschreibt, habe ich erlebt und denke, sie und ihre Mitarbeitenden haben gut agiert, besonders die FahrerInnen, die sicher (zu) oft einem ungesunden Stress ausgesetzt sind und trotzdem ganz überwiegend kompetent und freundlich sind. Der Ausspruch der OVAG-Chefin: "Das System gerät ins Wanken" halte ich allerdings für "daneben". Es scheint "in" zu sein, solches zu verbreiten; der "Bund" ist halt schuld! Wer brachte eigentl was wann ins Wanken? Seit zwei Jahren wird aktiv daran gearbeitet, die jahrzehntelangen Versäumnisse der Vergangenheit zu beseitigen! Das sollte man realisieren!

Cornelia Lang, 07.03.2024, 14:41 Uhr
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