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Bürgerentscheid inklusive: Nümbrecht möchte in die Windkraft einsteigen

lw; 14.09.2022, 13:04 Uhr
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Symbolfoto: Steve auf Pixabay
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Bürgerentscheid inklusive: Nümbrecht möchte in die Windkraft einsteigen

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lw; 14.09.2022, 13:04 Uhr
Nümbrecht – GWN könnte Anlagen errichten und betreiben – Nümbrechter sollen von bezahlbaren Strompreisen profitieren – Einwohner sollen über Projektidee entscheiden.

Von Lars Weber

 

Die Gemeinde Nümbrecht steht kurz davor, ihren ersten Ratsbürgerentscheid durchzuführen. Und das Thema hat es in sich: Die Verwaltung hat vorgeschlagen, dass die Gemeindewerke Nümbrecht (GWN) Windkraftanlagen selbst errichten und betreiben soll. Mit diesem Schritt sollen zum einen die Klimaschutzziele der Gemeinde verfolgt werden. Zum anderen soll der selbst eingespeiste Strom direkt den Nümbrechter Bürgern zugutekommen, die von stabilen Strompreisen profitieren könnten, so die Vision von Bürgermeister Hilko Redenius. „Die GWN hat mit dem Breitbandausbau bewiesen, dass sie große Projekte können.“ Doch bevor irgendwelche Planungen vorangetrieben werden, möchte die Verwaltung sich grünes Licht holen – und zwar direkt bei den Bürgern.

 

Redenius ging bei der Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Klimaausschusses zunächst auf die Vorgeschichte ein. 2012 hatte es eine positive Grundsatzentscheidung zum Bau und zur Nutzung von Windenergieanlagen in der Gemeinde gegeben. Bei der aufwendigen Suche nach geeigneten Flächen blieben zwei Flächen in Oberstaffelbach und Wirtenbach/Breite Wiese übrig. Die ersten Untersuchungen in Bezug auf den Artenschutz ergaben aber, dass die Errichtung und der Betrieb der Anlagen mit Belangen des Artenschutzes kollidieren würde. Weitere kostspielige Gutachten wären nötig gewesen, während sich zugleich ein Bürgerprotest formierte. 2016 wurde entschieden, das Verfahren nicht weiterzuführen. Hätte allerdings ein Unternehmen Interesse angemeldet, wäre eine Entwicklung geprüft worden.

 

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Doch dazu kam es nie. Nun wolle die Gemeinde selbst tätig werden, um die 2013 gefassten Ziele im gemeindeeigenen Klimaschutzkonzept erreichen zu können. Bisherige Maßnahmen, zum Beispiel im Bereich von Photovoltaik oder einige Modellprojekte der GWN im Bereich Wärme seien zwar erfolgreich umgesetzt worden. „Das reicht aber nicht aus“, so Redenius. Schon damals sei die Windkraft als „unerlässlich“ dargestellt worden. Nun soll die GWN wie schon beim Breitband übernehmen und dort, wo es wirtschaftlich möglich ist, Windkraftanlagen errichten. Als Selbsteinspeiser wolle man dann die Vorteile direkt an die Bürger weitergeben.

 

Mit einem Engagement der GWN sei ein Hauptkritikpunkt aus der Diskussion vor einigen Jahren entkräftet, so der Bürgermeister weiter: Dass fremde Firmen außerhalb der Gemeinde von den Anlagen profitieren. Nicht nur sollten die Nümbrechter stabile Energiepreise haben, die Errichtung könnte auch mit einem Bürgerbeteiligungsmodell erfolgen – zum Beispiel in Form einer Energiegenossenschaft, einer Bürger-GmbH oder ähnlichen Konstrukten -, sodass sich die Nümbrechter und die heimische Wirtschaft direkt einbringen und unmittelbar profitieren können, so Redenius.

 

Das Gemeindeoberhaupt wisse natürlich, dass für das Unterfangen Eingriffe in die Natur notwendig sein werden. Unglücksfälle, bei denen Tiere durch die Windkraftanlagen verenden, seien nicht von der Hand zu weisen. „Hier gilt es abzuwägen.“ Und diese erste Abwägung dürfen die Bürger selbst übernehmen in einer „basisdemokratischen Entscheidung“. Erst wenn eine Mehrheit der Nümbrechter dem Vorhaben zustimmten, würde Standorte, die Wirtschaftlichkeit oder der Artenschutz geprüft werden. Die Beschlussvorlage wird gerade in den Nümbrechter Ausschüssen beraten. Bei der Sitzung des Rats am Donnerstag, 22. September, soll final darüber angestimmt werden, ob der Ratsbürgerentscheid kommt. Von den Mitgliedern des Planungsausschusses gab es lediglich eine Gegenstimme.

 

Und diese kam von Rainer Galunder (WGHL). Galunder ist erklärter Gegner von Windkraft und auch Unterstützer der Bürgerinitiative Gegenwind (BIG) Homburger Ländchen, die sich schon vor fast zehn Jahren gegen die Pläne zur Errichtung von Anlagen in Oberstaffelbach eingesetzt hatte. Die Flächen in Nümbrecht seien artenschutzrechtlich nicht geeignet für die Windkraft, so Galunder. Außerdem zeige die Auslastung des Windrads in Elsenroth, dass Nümbrecht eine "Schwachwindregion" sei. Die GWN solle doch eher Anteile an Windkraftparks erstehen, wo es sich lohnen würde.

 

Die restlichen Ausschussmitglieder fanden positive Worte zum Vorstoß der Verwaltung. Mit Bezug auf die „Schwachwindregion“ sagte Andrea Saynisch (Grüne), dass sich bei der Technik seit Errichtung der Anlage in Elsenroth viel getan habe. Henrik Köstering (Grüne) ergänzte, dass eine aktuelle Studie des Landes NRW auf dem Gebiet der Gemeinde 124 Hektar Potenzialflächen mit einer installierbaren Leistung über 51 Megawatt sehe. Manfred Henry Daub (CDU) lobte den „Mut der Verwaltung“. Er machte zwar deutlich, „diese Dinger“ Nümbrecht am liebsten ersparen zu wollen. „Aber die Zeiten haben sich geändert. Der Bürgerentscheid ist der richtige Schritt.“ Auch Wilhelm Weber (GUD) stimmte zu. „Es ist eine Chance, dass wir uns bei der Energieversorgung ein zweites Standbein schaffen.“

 

Aus dem Ausschuss
 

Fachbereichsleiter Manfred Schneider stellte die Änderungen am Bebauungsplan Bierenbachtal/Auf der Acht vor, die sich nach der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung ergeben haben. So soll nun die Ortsdurchfahrt verlegt werden. Straßen-NRW habe dafür grünes Licht signalisiert, wenn die drei neuen Grundstücke an der Landstraße auch von dieser erschlossen werden. Durch die Verlegung benötige man die ursprünglich geplante Linksabbiegerspur mehr. Weiterer Vorteil: Das  Gebiet und die Einmündung von der Wiehler Straße in das Plangebiet befänden sich künftig innerorts. Der Gehweg an der Wiehler Straße werde dementsprechend verlängert.

 

Weiter berichtete Schneider, dass das Neubaugebiet einen eigenen großen Regenwasserkanal bekommen solle, um für die Wassermengen bei Starkregenereignissen gewappnet zu sein. Da bei der frühzeitigen Beteiligung auch Hinweise auf mögliche Bergbau-Reste eingegangen waren, werde der gesamte weitere Prozess und die Erschließung von einem Fachgutachter begleitet. Um den Bauherren mehr Möglichkeiten zu geben, seien die Grundstücksgrößen noch etwas angepasst worden. So verringerte sich die Anzahl an Grundstücken von rund 47 auf 40, die meisten haben eine Größe zwischen 600 bis 700 Quadratmetern. Der Ausschuss stimmte bei zwei Enthaltungen der Grünen dem Vorentwurf und der Offenlage des B-Plans zu.

KOMMENTARE

1

Total gute Sache ... gut das Nümbrech so etwas focussiert und voran treibt!
Die Gemeinde Nümbrecht war schon beim Breitbandausbau mit der "Luzie" frühzeitig, sehr fortschrittlich und vorbildlich unterwegs und es wäre nun zu wünschen das auch hier mit einem positiven Bürgerentscheid die Weichen in die richtige Richtung gestellt werden, um dem aktuellen Strompreiswahnsinn möglichst schnell ein wenig autark entgegenwirken zu können.

Dennis Schmitz, 14.09.2022, 19:54 Uhr
2

Nümbrecht kann ja gerne Windräder aufstellen , aber diese müssen nicht
auf Wiehler Gebiet stören ! (wenn der Standort z.B. in Oberstaffelbach sein sollte )
Ich persönlich fände es viel sinnvoller , z.B. auf den Schulen , GWN-Arena , Rathaus und vielen Gewerbeobjekten der Gemeinde Nümbrecht, Photovoltaikanlagen zu errichten ! Dort sind doch auch bereits Stromleitungen vorhanden - die bei neu zu errichtenden Windrädern
erst noch verlegt werden müssten !?

Auch die bedrohten "Flieger" wie Milan, Fledermaus und Schwarzstorch
usw. würden davon provitieren !

Neue Energie JA - Windrad - NEIN


ich, 14.09.2022, 22:58 Uhr
3

Nümbrecht/ Windräder: ja, ok.
Aber warum an die Kreisgrenze?
Mittendrin ist doch auch Platz genug!
Aber da stört es viele! Oder?

OJ, 15.09.2022, 09:13 Uhr
4

Wer jetzt noch nicht verstanden hat, dass wir massiv in erneuerbare Energien investieren müssen, dem ist nicht mehr zu helfen. Und ja, das muss auch mal vor der eigenen Haustür sein.

TG, 15.09.2022, 11:54 Uhr
5

Es geht ja auch um Energiesparen. Warum ist eigentlich die Straßenbeleuchtung in den Außenorten bis 23:30 in Betrieb und morgens ab 05:00. 22:30 und 05:30 würden vollkommen ausreichen.
Diesen Vorschlag habe ich schon vor 20 Jahren gemacht.
Wurde abgelehnt, weil es angeblich nicht möglich ist.
Man sei mit anderen Kommunen im Verbund.
Dann sollen die halt auch mitmachen!

Achim Schmidt, 15.09.2022, 12:11 Uhr
6

Windräder, die sich zwangsläufig nur bei Wind drehen, verschandeln die schöne Landschaft - NEIN DANKE !! Das für ein Fundament da auch mal 120 LKW Ladungen Beton gebraucht werden - geschenkt. Wer jetzt noch nicht verstanden hat, dass sowohl die modernen Kohlekraftwerke als auch die sicheren deutschen Atomkraftwerke weiterlaufen müssen, dem ist nicht zu helfen. Gleichzeitig runter mit den überproportional hohen, doppelt und dreifachen Steuern auf Energien. Das verbunden mit der Ankündigung, dass Deutschland umgehend die Förderung eigenen Öl- und Gasfelder in Angriff nimmt hätte mit Sicherheit Auswirkungen auf die viel zu hohen Preise. Diese ideologische, wirtschaftsfeindliche, weltfremde und unbezahlbare Politik ist unerträglich. Der Fachkräftemangel beginnt schon in der Regierung.

Alter Oberberger , 15.09.2022, 16:30 Uhr
7

Wenn Sie die Kompetenz der Bundesregierung bezweifeln, wie steht es dann mit der Kompetenz der Bürger, z.B. Ihrer in Klimafragen? Was Sie zur Lösung der Energiekrise vorschlagen, führt uns geradewegs in die von allen Wissenschaftlern beschriebene "Heißzeit". Bei einer Steigerung der globalen Duchschnittstemperatur von mehr als 3° C müssen sich Ihre Kinder und Enkel keinerlei Sorgen mehr um hohe Energiepreise machen, dann geht es um's nackte Überleben. Unsere Zivilisation würde unter dem Druck von Naturkatastrophen, Kriegen um Wasser und Ressourcen und extremen sozialen Auseinandersetzungen zusammenbrechen. Und Sie sind weiter gegen Windenergie?

Seb Schäfer, 16.09.2022, 05:12 Uhr
8

Als junger Familienvater finde ich den Weg der Gemeinde sehr gut! Es wird eine nachhaltige Möglichkeit gesucht die Strompreise für seine Bürger zu reduzieren und dabei nicht abhängig zu sein von irgendwelchen Firmen. Mit dem Bürgerentscheid hätte jeder die Möglichkeit seine Meinung zu äußern. Ich finde die Folgen des Klimawandels (Braune Wiesen, Waldbrände, Überschwemmungen) wesentlich schlimmer als ein Windrad in mindestens 1km Entfernung zur eigenen Haustür.
@ich dann sollten wir auch alle Glasscheiben entfernen, denn jährlich sterben 180x soviele Vögel an Glasscheiben, wie an Windkraftanlagen.
Die Gemeinde kann große Projekte umsetzen und ist auf einem sehr guten Weg in die Zukunft. Photovoltaik sollte man auch prüfen, aber auch auf mehrere Standbeine setzen.

junger Familienvater aus Nümbrecht, 16.09.2022, 10:49 Uhr
9

Die Gemeinde setzt mit dem Bürgerentscheid einen ersten Akzent. Dieser entscheidet ob die Mehrheit das Vorhaben unterstützt und wie es weiter geht. Vor 10 Jahren wurde per Gutachten herausgefunden, das sich nur Oberstaffelbach oder Wirtenbach (Breite Wiese) für Windkraftanlagen eignen sollen… die Photovoltaikanlagen sind ebenfalls schon sehr ausgeschöpft. Es kommt z.B. auch auf die Bedingungen der Dächer an… 650.000€ Fördergelder wurden schon für private Photovoltaikanlagen ausgeschöpft. Das ist gut! Windkraftanlagen können es gut ergänzen und sind zukunftsweisend. Autarke Energieversorgung: Ja! Aber das gemeinsam mit den Bürgern und guter Planung!

M., 16.09.2022, 17:02 Uhr
10

Wie ignorant und menschenverachtend muss man sein, um Windräder mit an den Haaren herangezogenen "Argumenten" abzulehnen? Die Klimaerhitzung fordert bereits jetzt weltweit Tote. Es ist auffällig, dass der Artenschutz immer dann ins Gespräch gebracht wird, wenn es um Windkraft geht; wie viel Flugtiere durch Häuser sterben, wird ausgeblendet. Und wie viele Tiere sterben auf den Straßen? Weltfremd und ideologisch ist, die größte Menschheitsbedrohung zu leugnen bzw. sich dieser nicht stellen zu wollen und stattdessen von wirtschaftsfeindlich und unbezahlbar im Hinblick auf nachhaltige Energien zu sprechen. Unbezahlbar und menschenfeindlich ist die in manchen Kreisen immer noch präferierte Atomkraft.

Cornelia Lang, 17.09.2022, 13:03 Uhr
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