POLITIK

„Nicht alle Vorarbeit in die Tonne werfen“

lw; 11.11.2022, 14:40 Uhr
Foto: Lars Weber.
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„Nicht alle Vorarbeit in die Tonne werfen“

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lw; 11.11.2022, 14:40 Uhr
Gummersbach – Die Mehrheit des Kreistags folgte bei der Abstimmung über den Kreishausanbau den Argumenten der Verwaltung – SPD, Grüne und Die Linke verurteilten „Gigantismus“.

Von Lars Weber

 

Spätestens, als Jürgen Poschner ans Rednerpult getreten war und die ersten Worte gesprochen hatte, war die Spannung bei der Sondersitzung des Kreistags zum Thema Kreishausneubau endgültig raus. Der UWG-Fraktionschef hatte vor drei Wochen die Vergabe von Planungsleistungen für das Projekt mit einem Antrag gestoppt – wegen Beratungsbedarf. „Und wir wurden vom Kreis gut beraten“, sagte Poschner. Die Verwaltung hatte in der Tat den Fraktionen nach der vergangenen Sitzung sehr viele Informationen mitgegeben. Dabei war auch viel Wiederholung für jene Kreistagsmitglieder, die erst seit zwei Jahren dabei sind. Die UWG kündigte dementsprechend an, gegen den Antrag von SPD, Grüne und Die Linke stimmen zu wollen, die das Großprojekt verschlanken wollten. Die Mehrheitsverhältnisse waren damit eindeutig. Der Antrag wurde erst öffentlich abgelehnt, die Planungsleistungen dann nichtöffentlich vergeben, jeweils im Verhältnis 25:36 (OA berichtete).

 

Die Präsentation des Kreises zu dem Thema, nachdem die Vergabe bei der Oktober-Sitzung noch gestoppt wurde, blieb von der SPD nicht unkommentiert. „Als es eng wurde, hatte die Verwaltung plötzlich ein Mitteilungs- und Informationsbedürfnis“, sagte Fraktionschef Sven Lichtmann. Die Präsentation umfasste die gesamte Historie zu dem Thema, zumindest seitdem die Gemeindeprüfungsanstalt NRW im Jahr 2010 zu dem Schluss kam, dass die Kreisverwaltung einen unverhältnismäßig hohen Flächenverbrauch habe. Ein Drittel über dem Durchschnitt anderer vergleichbarer Verwaltungen. Der Kreis fasste weitere Gutachten und Analysen zusammen, auch zur Prüfung unterschiedlichster Varianten für einen Neubau oder auch einer Sanierung. Dem stellte sie die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen, der Home-Office-Nutzung und auch die Energieverbrauche gegenüber.

 

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Das Fazit: Das Festhalten an der jetzigen Planung ist die beste Option. Allein bei der Energie würden mehr als 600 Euro gespart werden im Vergleich von Altbauten zu Neubau – pro Arbeitsplatz Davon waren im Raumprogramm 426 vorgesehen, der Bedarf hat sich seitdem aber unter anderem bei Jugendamt, Gesundheitsamt und Rettung vergrößert und kann auch nicht durch Tele-Arbeitsplätze kompensiert werden. Sprich: Schon mit den geplanten 9.200 Quadratmetern werden die weiteren Planungen spannend. Im Moment geht die Verwaltung von 80 Millionen Euro Kosten inklusive Risikozuschlag aus. Der Einfluss der Investition auf die Kreisumlage – für die Kritik der Bürgermeister in die Kommunen ausschlaggebend – betrage anfangs 0,594 Prozentpunkte beim Hebesatz und würde sich 25 Jahre lang bemerkbar machen. Im Hinterkopf sollte man dabei natürlich behalten: Wird an der aktuellen Situation nichts verändert, würden andere Kosten die Umlage belasten.

 

„Es geht darum, Alternativen für längst vorhandene Arbeitsplätze zu schaffen“, sagte Landrat Jochen Hagt. Darum, die unverhältnismäßig hohen Kosten und den Ressourcenverbrauch in den Griff zu bekommen, den gerade auch die Arbeitsplätze in den alten Wohnhäusern verursachen. Mit Blick auf den langen Prozess der Planungen übte er auch Selbstkritik: „Vielleicht habe ich versäumt, all diejenigen Kreistagsmitglieder mitzunehmen, die in dieser Wahlperiode neu hinzugekommen sind.“ Die Flächenverbrauche, die Energie-, Leitungs- und Mietkosten, das Einsparpotenzial für CO2 und die Aussicht auf moderne Arbeitsplätze für Mitarbeiter, die für die Bürger arbeiten: Der Weg, der eingeschlagen wurde, sei „ein Gebot der Vernunft“ und zu diesem Zeitpunkt der Planungen könnte der Antrag um eine Reduzierung des Raumprogramms um ein Drittel auch rechtliche Folgen haben, „sofern wir nicht alle Vorarbeit in die Tonne werfen wollen“.

 

Besonders hervor hob Hagt die Absicht, die Katastrophenschutzinfrastruktur mit angeschlossener Leitstelle in die Moltkestraße zu holen. Krisenmanagement sei Teamarbeit, bei der die ganze Mannschaft auf dem Platz stehen müsse. Übersetzt: Wenn alle wichtigen Ämter an einem Ort sind, funktioniert die Hilfe für die Bevölkerung schneller und effektiver.

 

[Visualisierung: Architekturbüro Hascher Jehle Design --- So sah der Entwurf aus, der beim Architektenwettbewerb Anfang 2020 gewann.]

 

Die Opposition blieb dabei und bezeichnete die Pläne als „prestigeträchtigen Gigantismus“. Lichtmann blieb auch dabei, dass die von den Bürgermeistern genannte Zahl von 100 Millionen Euro für die Umsetzung der Pläne alles andere als unrealistisch sei und dass die Architektenpläne des Gewinnerentwurfs durchaus anzupassen seien auf ihren Vorschlag. Die zentrale Forderung des Antrags, die Leitstelle in Kotthausen zu erweitern und damit 2.500 Quadratmeter an der Moltkestraße einzusparen, erklärte er mit den Vorteilen der dezentralen Struktur. Zumal in der Moltkestraße durch die Schulen in direkter Nähe häufig viel Verkehr herrscht.

 

Die Kosten für den Kreishausanbau müsse am Ende die Gesellschaft zahlen. Das Festhalten an der Planung zeige: „Der Kreistag und die Verwaltung nimmt die Sorgen der Bürger und Kommunen nicht ernst“. Grünen-Sprecher Henrik Köstering schob hinterher, dass die Planungen alles andere als maßvoll seien und die ökologische Komponente vernachlässigt werde.

 

CDU- Fraktionschef Michael Stefer hielt dagegen, dass die Zahlen des Antrags (6.000 Quadratmeter für die Mitarbeiter) „aus der Luft gegriffen“ seien.  „Das passt einfach nicht.“ Auch sollte nicht der Eindruck vermittelt werden, dass Arbeitsplätze in der Verwaltung nicht vorgehalten werden müssten, selbst wenn die Homeoffice-Quote noch gesteigert würde (liegt gerade bei etwa 15 Prozent). Er verteidigte den Plan, ein Lagezentrum und die Leitstelle am Standort Moltkestraße zu bauen. „Ein Lagezentrum muss bei den Entscheidungsträgern verortet sein!“ Wenn die Planungen weitergehen, werde ersichtlich werden, dass es sich nicht um „Gigantismus“ handelt. Er warf Lichtmann und der SPD vor, die Arbeitsplätze einfach nicht modernisieren zu wollen, wogegen dieser sich aber verwehrte. Einen „Zweckbau“ nannte Reinhold Müller, Fraktionsvorsitzender FDP/FWO/DU, den geplanten Kreishausanbau. „Die Auswirkungen auf die Kreisumlage sind beherrschbar.“

 

Der AfD wiederum fehlten bei dem Antrag zu viele Zahlen. Chef Bernd Rummler zeigte sich aber angesichts der derzeitigen Probleme der Bürger auch von der existierenden Planung nicht begeistert. „Vielleicht sollten wir alles neu denken.“

 

Dieser Gedanke ist aber mit der Vergabe der Planungsleistungen gestern endgültig vom Tisch. Die Verwaltung hofft, dass die Entwurfsplanung im kommenden Jahr fertig wird und der Baubeschluss Ende 2023 erfolgen kann. Die Vergabe an einen Generalunternehmer könne gegebenenfalls bis Ende 2024 entschieden werden, sodass ein Baubeginn Ende 2025 angestrebt wird.

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