POLITIK
Neustart mit Elan, einem schwierigen Haushalt und viel Anspannung
Waldbröl – Der neue Stadtrat hat seine Arbeit aufgenommen – AfD gleich zweitstärkste Kraft – Bürgermeisterin Larissa Weber bringt den Haushalt ein.
Von Lars Weber
Eine angespannte Stimmung hat am Mittwochabend bei der konstituierenden Sitzung des Waldbröler Stadtrats geherrscht, bei der auch der Haushalt für das kommende Jahr eingebracht wurde. Die Kommunalwahl hat das Gremium stark verändert. Vorher nicht im Stadtrat vertreten, kam die AfD mit bisher in der lokalen Politik nicht in Erscheinung getretenen Kandidatinnen und Kandidaten auf Anhieb auf neun Sitze. Damit ist sie zweitstärkste Kraft hinter der CDU mit elf Vertretern. Die neue AfD-Fraktion sitzt nun ganz rechts im Rund. Dass es eine besondere Sitzung war, zeigte auch der voll besetzte Bürgersaal, wo sich zum einen die Familie von der wiedergewählten Bürgermeisterin Larissa Weber über deren Vereidigung freute und weniger Meter weiter Gerhard Jenders, Vorsitzender von „Oberberg ist bunt nicht braun“, die Neulinge im Rat kritisch beäugte. Der Verein hatte online dazu aufgerufen, die Ratssitzungen zu besuchen, um „denen den Rücken zu stärken, die eine klare Kante gegen Rechtsaußen zeigen“.
Wie die Arbeit in den neu gebildeten Ausschüssen und im Rat mit den angestammten Fraktionen der CDU, SPD, Grünen, UWG und FDP laufen wird, dazu gab es an diesem Abend höchstens Anhaltspunkte. Seitens der etablierten Parteien betonte Claudia Hein (Grüne), die als Altersvorsitzende die Sitzung eröffnen durfte, in ihrer kurzen Rede: „Ich hoffe weiter auf konstruktive Arbeit mit den Fraktionen von CDU, SPD, UWG und der FDP. Wir haben bewiesen, dass wir zum Wohle der Stadt Kompromisse eingehen können“. Die neuen Kollegen ließ sie unerwähnt. Am auffälligsten seitens der AfD war der Blumenstrauß des Vorsitzenden Vitali Gert an Bürgermeisterin Larissa Weber. Sie versuchte, in ihrer Antrittsrede und bei der Haushaltseinbringung konstruktiv die Richtung der kommenden fünf Jahre vorzugeben.
Weber dankte nach einem Wählerzuspruch von fast 90 Prozent den Bürgerinnen und Bürgern für das Vertrauen. Sie wolle mit dem Rat und ihrer Verwaltung weiterhin für die Menschen viel bewegen, die sich für die Stadt einsetzen und Waldbröl weiterentwickeln. Ein „starkes Miteinander“ sei der größte Schatz, gerade in unsicheren Zeiten. „Wir wollen gestalten, was wir hier in der Hand halten und dafür sorgen, dass die Gesellschaft nicht auseinanderdriftet.“
Ihre Haushaltseinbringung hatte Weber mit „Weichenstellung für Waldbröls Zukunft“ übertitelt. Das Zahlenwerk wage den Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Zeiten, die geprägt seien von wirtschaftlicher Unsicherheit, steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen. „Jeder ausgegebene Euro will wohlüberlegt sein.“ Investieren wolle die Marktstadt daher in den kommenden drei Jahren „in das, was wirklich zählt“.
Im Bereich der Bildung der Kinder und Jugendlichen sollen 9,1 Millionen Euro in die Hand genommen werden. Damit werden Anbauten an alle drei Grundschulen realisiert. 4,7 Millionen Euro allein werden für den Ganztagsausbau ausgegeben.
Auf den Bereich der Sicherheit entfallen 13,5 Millionen Euro, die sich zu den nötigen Millionenausgaben der vergangenen Jahre (zehn neue Fahrzeuge oder auch das Gerätehaus Thierseifen) gesellen. In den kommenden drei Jahren kommen vier weitere Einsatzfahrzeuge für die Feuerwehr dazu, neu gebaut werden jetzt die Wachen Heide und Geilenkausen. Hinzu kommen Investitionen in die Löschwasserversorgung in den Orten Rossenbach und Bröl (1,1 Millionen Euro) sowie für die Ausstattung der Feuerwehr (1,2 Millionen Euro).
Im Bereich Infrastruktur (insgesamt 20,5 Millionen Euro) geht es bis 2029 um den Umbau des Busbahnhofs, die Errichtung von Mobilstationen und auch den Ausbau von Straßen, zum Beispiel der Industriestraße oder dem Wiedenhof. Auch bei den Projekten Markthalle und Marktplatz sowie Merkurareal soll es weitergehen. 2,9 Millionen Euro sind auch für den Bauhof reserviert.
Das Investitionsvolumen insgesamt beträgt in den kommenden drei Jahren insgesamt 59,8 Millionen Euro, von denen 26,2 Millionen Euro nicht durch Zuweisungen oder Pauschalen gegenfinanziert seien. Enttäuscht zeigte sich Weber von der Zuweisung an die Marktstadt aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen des Bunds. Gerade einmal 9,7 Millionen fließen davon nach Waldbröl und müssen auch noch auf die Jahre bis 2036 verteilt werden. Zunächst sollen das Gründach für das Schulzentrum (300.000 Euro) und das Feuerwehrgerätehaus Heide (100.000 Euro) damit bezuschusst werden.
Der Haushaltsentwurf in Zahlen (in Euro, in Klammern Zahlen aus 2025)
Erträge gesamt: 58,3 Millionen (54,8)
Gewerbesteuer: 12,5 Millionen (12,1)
Einkommenssteueranteil: 9,4 Millionen (9,1)
Schlüsselzuweisungen: 15,65 Millionen (15,5)
Grundsteuer B: Wohngrundstücke: 3,6 Millionen; Nichtwohngrundstücke: 1,38 Millionen
Aufwendungen gesamt: 62,3 Millionen (58,2)
Kreisumlage: 28,76 Millionen (27,3)
Personal/Versorgung: 9,9 Millionen (10,1)
Investitionen: 21,76 Millionen (11,3)
Steuern: Grundsteuer A: 345 v.H. (252), Grundsteuer B; Wohngrundstücke: 815 v.H., Nichtwohngrundstücke: 1.309 v-H.; Gewerbesteuer: 565 v.H. (-)
Kreditaufnahmen: 13,2 Millionen (11,3)
Schulden pro Einwohner: 3.441 (3.185)
Kämmerin Anja Brauer skizzierte im Anschluss, wie das alles bezahlt wird. Angesichts der steigenden Ausgaben – von höheren Preisen über tarifliche Steigerungen bei den Personalausgaben bis zur Kreisumlage – kein leichtes Unterfangen. Allerdings: Mit diesen schwierigen Bedingungen hat die Kämmerin und ihr Team ja bereits Erfahrung. So muss sich Waldbröl zwar weiter strecken, um zur schwarzen Null zu kommen, es soll aber gelingen.
Rund 58,3 Millionen Euro an Erträgen stehen im Haushaltsplan für kommendes Jahr rund 62,3 Millionen Euro an Aufwendungen gegenüber, ein Minus von rund vier Millionen Euro. Um die Haushalte bis 2029 jedes Jahr ausgeglichen zu gestalten, greift die Marktstadt in die Ausgleichsrücklage, die weiter aufgezehrt wird. Weiter nutzt die Verwaltung das Instrument des globalen Minderaufwands sowie den Bilanzkniff des „Schütt-aus-hol-zurück“-Verfahrens, um das Minus zu vermeiden.
Bei letzterem wird die „stille Reserve“ in der Bilanz des Abwasserwerks –immerhin 5 Millionen Euro –an die Stadt abgeführt und in der Ergebnisrechnung als ausgeschütteter Gewinn verbucht. Wirklich Geld fließt aber nicht. Der Wert wird sogleich wieder beim Abwasserwerk im Rahmen einer Kapitalerhöhung eingelegt. Wirtschaftsprüfer hätten keine Bedenken bei dem Verfahren. Angewendet wurde es zum Beispiel in Bergisch Gladbach. Geschehen soll dies 2029, wenn die Ausgleichsrücklage über 13,8 Millionen Euro futsch ist.
Bei allen schwierigen Rahmenbedingungen: Eine Anpassung bei den Hebesätzen sei lediglich bei der Grundsteuer A vorgesehen, wo sich die Marktstadt an den fiktiven Hebesatz anpassen müsse.
Damit legt Brauer wieder einen Anzeigehaushalt vor, der den Ausgleich zumindest auf dem Papier schafft. „Wir sind damit handlungsfähig.“ Weitere Ausgaben sollten aber vermieden beziehungsweise nur realisiert werden, wenn auf der anderen Seite Einsparungen generiert werden. In den kommenden Wochen wird über den Entwurf in den Gremien diskutiert werden. Verabschiedet werden soll das Zahlenwerk am 10. Dezember vom Stadtrat.
Sitzverteilung im Rat:
CDU: 11, AfD: 9, SPD: 7, UWG: 5, Grüne: 3, FDP: 3
[Foto: Lars Weber --- Bürgermeisterin Larissa Weber (v.li.) mit ihren neuen Stellvertretern Horst Steffens, Ulla Reinsch und Ingo Solbach.]
Nachdem die stellvertretenden Bürgermeister der vergangenen Wahlperiode, Monika Bourtscheidt (SPD) und Helmut Rafalski (CDU), nicht mehr zur Wahl angetreten waren, war klar, dass es Stellvertreter geben wird. Der Rat entschied zuvor, die Zahl auf drei zu erhöhen und änderte entsprechend die Hauptsatzung. In anonymer Wahl bekam der gemeinsame Vorschlag der CDU, SPD, Grüne, UWG und FDP eine deutliche Mehrheit mit 37 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme. Demnach ist Ingo Solbach (CDU) erster Stellvertreter, es folgen Ulla Reinsch und Horst Steffens (UWG).
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