POLITIK

Mehrheit will Idee für Gymnasium zu Ende denken

lw; 25.05.2022, 14:52 Uhr
Grafiken: pvma.
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Mehrheit will Idee für Gymnasium zu Ende denken

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lw; 25.05.2022, 14:52 Uhr
Wiehl – Rat verfolgt optimierte Wettbewerbsvariante weiter – CDU sprach sich für reine Sanierung aus – Im Herbst könnte Entscheidung fallen.

Von Lars Weber

 

Wie viel prägende Architektur möchte sich Wiehl beim Gymnasium leisten? Wie sind moderne pädagogische Konzepte darin umsetzbar? Wie viel Nachhaltigkeit ist möglich? Und die ultimative Frage: Wie viel Geld möchte und kann die Stadt für das Gymnasium ausgeben? Weder Rat noch Verwaltung haben bei der Sondersitzung am Dienstagabend in der Wiehltalhalle diese Fragen bereits beantworten können. Dafür war es noch zu früh. Deutlich wurde: Die schwierige Markt- und Finanzsituation (Baukostensteigerungen, Lieferengpässe, Zinsentwicklung) wird großen Einfluss auf einen finalen Beschluss haben, der trotzdem möglichst schnell gefällt werden soll. Gestern entschied das Gremium zunächst, nur noch eine Variante zu prüfen. Im Herbst könnte das lange Ringen um die Zukunft des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums dann endlich ein Ende haben.

 

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Bevor es in die Diskussion ging, breiteten Rainer Kalscheuer (DSK Stadtentwicklung), Fachbereichsleiterin Alexandra Noss und Beigeordneter Peter Madel noch einmal die Entwicklungen, Gedankengänge, Ideen und finanziellen Unabwägbarkeiten vor den Stadtverordneten aus. Das Für und Wider für die einzelnen Varianten, die Kosten und Möglichkeiten bei den nicht zu vermeidenden Interimslösungen für die Schüler sowie die Auswirkungen von Bau- und Investitionsvolumen auf die Abschreibungen. Ein Kostenbeispiel: Bei Baukosten von 70 Millionen Euro bliebe abzüglich bereits zurückgelegter und künftiger Investitionspauschalen ein Nettovolumen von rund 50 Millionen Euro übrig. Die Abschreibungen würden bei diesem Beispiel jährlich über 65 Jahre bei rund 765.000 Euro liegen. Zusätzlich würde der Haushalt durch die Zinsen belastet. Bei einem aktuellen Zinssatz über 2,2 Prozent seien dies 1,54 Millionen Euro im ersten Jahr.

 

Das Fazit: Die Varianten Zug-um-Zug und die Verlegung der Hauptstraße fallen weg (OA berichtete). Stattdessen soll die optimierte Wettbewerbslösung des Büros pvma weiterverfolgt und noch weiter auf Einsparpotenziale durchleuchtet werden. Um die notwendigen Interimskosten (bis zu 16,6 Millionen Euro bei Komplettauslagerung) zu drücken, soll die Idee von pvma weiter geprüft werden, ob die Basis eines Interimsgebäudes in Holzbauweise als Neubauteil für das Gymnasium genutzt werden kann, sobald es den Zweck als Übergangslösung erfüllt hat (Grafik). Zugleich soll bei der Wettbewerbsvariante geprüft werden, ob noch mehr als 50 Prozent saniert werden können. Die Verwaltung schlug darüber hinaus vor, parallel ein Sanierungskonzept zu prüfen, falls die verbliebende Variante vor allem finanziell nicht darstellbar sein sollte. Noch liegen die geschätzten Baukosten dafür bei allein 66,5 Millionen Euro. Bürgermeister Ulrich Stücker wies zugleich darauf hin, dass alle bisher genannten Zahlen angesichts der dynamischen Entwicklungen an den Märkten eigentlich „nur falsch sein können“.

 

Bei der Diskussion zeigten sich zwei Lager. Die CDU-Fraktion hätte sich einen modernen, schnell realisierbaren Gymnasium-Neubau gewünscht, der jedoch keine Mehrheit gefunden habe, sagte die Vorsitzende Larissa Gebser mit Bezug auf die Idee, im Stadion neu zu bauen. In diesen „Krisenzeiten“ habe die Fraktion alles nochmal überdacht: „Wir sind so zu dem Schluss gekommen, heute Stopp zu sagen“. Diese hohe Summe, sie gehe eher von bis zu 90 Millionen als 70 Millionen Euro aus, für rund 1.000 Schüler an nur einer Schule zu investieren, stehe in keiner Relation. „Das wäre Haushaltsgift.“

 

Deshalb sprach sich die CDU nun für eine Sanierung aus: „Energetisch, technisch, digital, optisch“. Kosten könnten gedeckelt werden, man sei flexibler. „Keinesfalls wollen wir noch mehr Zeit verlieren durch weitere Machbarkeitsprüfungen, die nicht realistisch sind und nur Geld kosten.“ Thomas Michael Seimen (CDU) ergänzte mit Blick auf den Sanierungsbedarf in anderen Schulen Wiehls, dass mit 65 Millionen Euro rund 2.200 Klassenräume saniert werden könnten. „Auch andere Einrichtungen haben ein Anrecht auf moderne Räume.“ Gute Schulen gebe es auch ohne spezielle pädagogische Konzepte wie hier eine Clusterschule, sagte Moritz Müller.

 

Gegenwind bekam die CDU von den anderen Fraktionen, die der Kehrtwende wenig Verständnis entgegenbrachten. SPD, die Grünen, FDP, Die Linke und die Bürger für ganz Wiehl (BfgW) brachten stattdessen einen eigenen Beschlussvorschlag ein. Dort steht einzig die Verfolgung der Variante „optimierte Wettbewerbslösung“ im Fokus. Damit wolle man vor allem eine klare Priorität ausdrücken, ohne die Möglichkeit einer Sanierung auszuschließen.

 

Stichwort Clusterschule

 

Beim Cluster-Prinzip werden einzelne Einheiten zu einem größeren Bereich zusammengefasst. So sollen Lern- und Unterrichtsräume zusammen mit zugehörigen Aufenthalts- und Erholungsbereichen eine Einheit bilden. Beim ursprünglichen Gewinnerentwurf von pvma hieß es beispielsweise dazu, dass Unterrichtsräumlichkeiten für die Sekundarstufe I als Cluster geplant seien, welche sich um ein gemeinsames Clusterforum mit angeschlossener Lehrer-Teamstation anordnen sollen. Die Räumlichkeiten für die Sek II sollen offener gestaltet werden, dort sollen neben Kursräumen auch freiere Lernlandschaften zur Verfügung stehen.

 

Schon bis zur nächsten Sitzung solle die Verwaltung klären, bis zu welchem Umfang die finanziellen Auswirkungen der Investition vom Haushalt getragen werden können. Bis Herbst solle wiederum geprüft werden, ob die Idee der Nutzung des Interimsbaukörpers machbar ist und ob im Entwurf weitere Flächenreduzierungen möglich sind. „Das pädagogische Konzept einer modernen Clusterschule“, so Bernd Teuber (SPD), „muss weiterhin eine tragende Säule der Gesamtkonzeption bleiben“. Auch an dem von Schule und Eltern erarbeiteten pädagogischen Konzept „Phase 0“ solle festgehalten werden.

 

 

Die Stadt dürfe nicht länger bei Kindern und Jugendlichen sparen, ergänzte Iris Chromow (SPD). Wenn plötzlich alle Konzepte über den Haufen geworfen werden sollten, fühlten sich die Eltern veräppelt, sagte Hans-Peter Stinner (UWG). Dr. Erwin Kampf (FDP) warb dafür, „auch mal eine Idee zu Ende zu denken, und nicht direkt wieder den Schwanz einzuziehen“. Jürgen Körber, Fraktionschef der Grünen, war das Diskutieren leid. „Wir drehen uns im Mikrokosmos der vergangenen zehn Jahre.“ Der im Arbeitskreis besprochene Vorschlag sei gut und nachhaltig. Daniel Schwach (AfD) sprach von einem Drama in unzähligen Akten. Matthias Lammerich sieht die hohen Baukosten als Investition in die nächste Generation. „Da wird kein Geld versenkt.“

 

Bei deutlicher Mehrheit der beteiligten Stadtratsfraktionen wurde der alternative Beschlussvorschlag verabschiedet. Es gab zwei Enthaltungen und neun Gegenstimmen (CDU). Eine reine Sanierung ist damit aber nicht vom Tisch. Stücker kündigte gleich nach der Abstimmung an, dass eine Prüfung dieser Option im Bereich seiner Möglichkeiten als Bürgermeister liege. Er wolle auf alles vorbereitet sein, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.

KOMMENTARE

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Wiehler Schulpolitik, was für ein Trauerspiel! Seit 10 Jahren und noch länger wird hin- und wegdiskutiert und geplant, ohne dass irgendetwas Greifbares passiert ist. Da sind andere Kommunen im Kreis deutlich schneller und effektiver. Was wurde währenddessen in Wiehl alles geträumt?! Mir tun die Schüler und Lehrer leid, die Opfer dieser Unentschlossenheit und Schwerfälligkeit waren.

, 25.05.2022, 15:22 Uhr
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Die Wiehler Kommunalpolitik steckt seit Jahrzehnten in einer Sackgasse. Die Schüler und die Bürger zahlen die Zeche für die Selbstgefälligkeit der Ortspolitiker. Etwas mehr Bescheidenheit täte den Damen und Herren ganz gut. Es scheint, als drehe man sich im Rat ausschließlich um sich selbst. Das kann dauerhaft nicht gut sein.

Wiehler , 03.06.2022, 06:29 Uhr
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