POLITIK

Hoffnung, Enttäuschung, Irrungen und Wirrungen

lw; 17.11.2023, 16:01 Uhr
Archivfoto: Lars Weber --- Beim Ministerbesuch im März hielt tatsächlich ein Regionalzug am Wiehler Bahnhof - es könnte die große Ausnahme gewesen sein.
POLITIK

Hoffnung, Enttäuschung, Irrungen und Wirrungen

lw; 17.11.2023, 16:01 Uhr
Oberberg – Zwischenergebnis der Machbarkeitsstudie für die Reaktivierung der Wiehltalbahn im Kreisentwicklungsausschuss vorgestellt – Unklarheiten zum Verfahrensablauf beseitigt.

Von Lars Weber

 

Der Hoffnung folgte Enttäuschung, dieser folgten einige „Irrungen und Wirrungen“, wie Kreisplanungsdezernent Frank Herhaus bei der Sitzung des Entwicklungsausschusses am Donnerstag sagte - nun sind zunächst einmal wieder alle Beteiligten an der Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Wiehltalbahn auf einer Seite. Das erklärte gemeinsame Ziel: Das Verfahren mit einem bestmöglichen Ergebnis abzuschließen. Was der Einzelne darunter versteht, das sei einmal dahingestellt. Das weitere Vorgehen hat der Ausschuss bei seiner Sitzung gestern aber einstimmig festgezurrt.

 

Die ganze Vorgeschichte zur möglichen Reaktivierung der Wiehltalbahn füllt inzwischen mehrere Aktenordner. Daher an dieser Stelle nur die jüngste Geschichte. Nachdem das Projekt eigentlich schon einmal gestorben war, brachten die Beteiligten – die angrenzenden Kommunen, der Aufgabenträger Go.Rheinland und der Oberbergische Kreis unter Mitwirkung des Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn – dieses Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie auf den Weg. Befeuert wurde die Hoffnung der Befürworter auf eine Reaktivierung dabei von einer bundesweiten Studie vom Verband deutscher Verkehrsunternehmen, der unter mehr als 250 Strecken hinsichtlich des Reaktivierungspotenzials nach Bevölkerungszahl die Wiehltalbahn auf dem dritten Platz sah. Auch der Ministerbesuch im März mit der Fahrt eines Regionalzugs von Dieringhausen bis Wiehl gab dem Projekt Rückenwind (OA berichtete)

 

WERBUNG

Dann die Enttäuschung: Im September bringen die Aufraggeber der Machbarkeitsstudie eine Pressemitteilung heraus mit dem ersten Zwischenergebnis (OA berichtete). Demnach sei der Wert bei Nutzen-Kosten-Untersuchung viel zu gering. Für eine Förderung müsse der Nutzen-Kosten-Indikator größer als eins sein. Die Gutachter kamen allerdings nur auf einen Indikator von 0,071. Die Kosten einer Reaktivierung wären immens, sie werden grob auf 70 Millionen Euro geschätzt. Ohne Förderung geht nichts.

 

Vor allem die oberbergischen Grünen, aber auch die drei Landtagsabgeordneten Bodo Löttgen (CDU), Marc Zimmermann (Grüne) und Gordan Dudas (SPD) zogen anschließend die verkürzte Verfahrensweise der Machbarkeitsstudie in Zweifel. Es wurde eine Studie im Regelverfahren gefordert, von der sich die Befürworter bessere Ergebnisse versprechen. Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer von Go.Rheinland, widersprach zu Beginn der Ausschusssitzung gestern deutlich der Darstellung, dass der Aufgabenträger das Projekt „kaputtrechnen“ wolle. „Das liegt uns fern!“

 

Spätestens bei einer Sitzung Anfang der Woche, an der die Beteiligten und auch die Politik teilnahmen, sind diese Verfahrensfragen ausdiskutiert worden, wie Planungsdezernent Herhaus und Dr. Reinkober zu Beginn der Vorstellung der Zwischenergebnisse im Ausschuss sagten. Zusammengefasst: Mit dem vereinfachten Verfahren zu starten sei von Beginn an so abgestimmt gewesen, um zu ersten Ergebnissen zu kommen. Diese sollen als Grundlage für das folgende Regelverfahren dienen. Für dieses benötige man aber das Landesverkehrsmodell, das nach langer Wartezeit nun im ersten Quartal des neuen Jahres vom Verkehrsministerium vorgelegt werden soll. Bis dahin wolle Go.Rheinland nun Vorschläge zur Optimierung entgegennehmen, diese mit den Gutachterbüros ZIV aus Darmstadt und SMA und Partner aus Zürich prüfen, um sich dann gemeinschaftlich mit allen Beteiligten auf eine Variante für die Wiehltalbahn zu einigen, die im Regelverfahren vertieft geprüft werde.

 

Und die Vorstellung der Zwischenergebnisse durch Dr. Reinkober und den Gutachtern zeigte nochmal sehr deutlich, dass der Optimierungsbedarf groß ist, um die Hoffnung auf eine Reaktivierung realistisch am Leben zu halten. Denn die nackten Zahlen – allen voran die Kosten und der geringe Nutzen-Kosten-Faktor - hatten sich seit der Pressemitteilung im September nicht verändert. Knackpunkte dabei: Obwohl ein Kreuzungsbahnhof in Bielstein aus betrieblicher Sicht besser wäre und die Umstiege auf die Oberbergische Bahn (auch hier laufen die Planungen für die Elektrifizierung, die nicht von einer möglichen Reaktivierung der Wiehltalbahn behindert werden dürfen) erleichtern würden, müsse aus Sicht der Gutachter der Kreuzungsbahnhof in Wiehl eingerichtet werden. In Bielstein lasse die bauliche Lage mit einem Supermarkt an der Nordseite und dem Straßenraum im Süden dies nicht zu.

 

Weitere Kostenfaktoren seien die Sanierung der Bahnanlagen. Im Rahmen der Maßnahmen müssten vor allem der Oberbau, die Bahnübergänge, die Leit- und Sicherungstechnik und einige Brückenbauwerke ertüchtigt werden.

 

Überprüft wurde in dem vereinfachten Verfahren eine Strecke über knapp 35 Kilometer zwischen Waldbröl und Gummersbach mit insgesamt neun Haltestellen. Die Fahrzeit wurde bei einer Höchstgeschwindigkeit von 65 Kilometern pro Stunde auf 45 Minuten angesetzt. Risiken, die innerhalb des Verfahrens noch nicht bewertet wurden, seien unter anderem Denkmalschutzfragen sowie der Lärmschutz und die Natureingriffe.

 

Vor allem Dr. Ralph Krolewski und Sebastian Schäfer von den Grünen stellten in der nachfolgenden Diskussion diverse Fragen zu der Arbeitsweise der Gutachter und wie einige Zahlen zustande gekommen sind. Sie machten ihre Überzeugung deutlich, dass mit einigen Kniffen (zum Beispiel einer höheren Geschwindigkeit) und anderen Faktoren-Gewichtungen im Regelverfahren durchaus noch ein guter Nutzen-Kosten-Faktor zu erreichen sei. „Wenn wir es schaffen, dass 250 Pendler pro Tag auf die Bahn umsteigen, kann der Indexwert über drei liegen.“ Für einen schnellen Umstieg Richtung Köln müsse auch der Halt Osberghausen stärker in den Fokus rücken.

 

„Irritiert“ von den Beiträgen der Grünen zeigte sich Prof. Dr. Friedrich Wilke (FDP/FWO/DU). Er habe den Eindruck, dass seine Ausschusskollegen glaubten, dass der Nutzen einer Reaktivierung absichtlich von den Gutachtern heruntergerechnet worden sei. Die Grünen würden versuchen, sich etwas „schönzureden“. Dr. Krolewski wies die Vorwürfe zurück, dass ihre Vorschläge tendenziös seien. „Wir nehmen gegenüber den Gutachtern keine Vorwurfshaltung ein.“

 

Das Zwischenergebnis bezeichnete Prof. Dr. Wilke weiter als desaströs. Trotzdem sei es richtig und vernünftig, nun das Verfahren fortzuführen und ein gutes Konzept zu erreichen. Genau dies beschlossen die Ausschussmitglieder einstimmig. Bis Mitte Januar sollen nun Vorschläge zur Optimierung gesammelt werden. Nach deren Prüfung kommt der Arbeitskreis im März wieder zusammen, um sich auf eine Variante festzulegen. Sobald das Landesverkehrsmodell dann vorliegt, soll die vollständige Untersuchung im Regelverfahren starten – deren Ergebnisse dann Gewissheit geben sollen, wie es mit der Wiehltalbahn weitergeht.

WERBUNG