POLITIK
Aus der Werkstatt geradewegs in den Bundestag
Nümbrecht – Jan Köstering kommt über die Landesliste von die Linke nach Berlin – „Leben wird umgekrempelt“.
Von Lars Weber
Es war ein langer Wahlabend und eine sehr kurze Nacht für Jan Köstering. Doch irgendwann – es war schon weit nach Mitternacht – da stand das Ergebnis fest, dass Oberberg nicht nur von einem CDU-Direktkandidaten, sondern auch von einem Vertreter von Die Linke in Berlin vertreten wird. An Platz zwölf der Landesliste NRW stand der Chef von Die Linke Oberberg, der auch im Nümbrechter Gemeinderat und im Kreistag sitzt – das genügte. Zu einen, weil auch ausgerechnet das BSW es nicht in den Bundestag schaffte, zum anderen aufgrund des „hervorragenden“ Landesergebnisses von Die Linke über 8,3 Prozent. OA sprach am Morgen mit einem glücklichen Köstering, der gerade die Koffer für seine Zugreise nach Berlin packte.
Zur Erinnerung: Die Linke war eigentlich schon weg vom Fenster, und zwar mehrmals. Spätestens, als sich Sahra Wagenknecht verabschiedete, um das BSW zu gründen, diverse Mitglieder der Linken mit sich nahm und erste Erfolge einfuhr, bereiteten einige politische und mediale Vertreter schon die Trauerrede für die Linke vor. Auch die Umfragen für die Bundestagswahl sahen zunächst gar nicht so rosig aus. Die Haltung von den Linken in der Migrationsdebatte rund um die Abstimmungsfarce um CDU und AfD halfen der Partei ebenso wie ihr neuer Star, die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek, die bei TikTok vor allem die jungen Menschen ansprach.
Wenn man Jan Köstering nach dem Weg zum Erfolg fragt – im Bund gab es 8,8 Prozent, er selbst erreichte als Direktkandidat immerhin 5,98 Prozent -, setzt der 27-jährige Nümbrechter früher an. „Das hat schon vor einem Jahr angefangen, als wir von Haus zu Haus gingen und die Menschen gefragt haben, was sie bewegt“, so Köstering, der auch Mitglied im NRW-Landesvorstand von Die Linke ist. So wurden die hohen Mieten und die hohen Lebenshaltungskosten zu Kernthemen beziehungsweise als Kernthemen bestätigt. „Hier haben wir unsere Ansprache gesetzt und waren authentisch dabei. Wir sind ja schon seit Jahren eine Mieten-Partei.“ Auch die Haltung in der Migrationsdebatte habe geholfen. „Wir sind nicht bereit, auf Kosten von Menschen Politik zu machen.“
Der Abgang von Sahra Wagenknecht habe der Partei aus seiner Sicht gutgetan. Weg von der Fokussierung auf eine Persönlichkeit, hin zu Inhalten, meint er. Der Aufschwung habe bereits zu einer Verdoppelung der Mitgliederzahlen im Kreisverband auf rund 150 geführt, besonders junge Menschen würden angezogen. „Sie sind sehr aktiv und haben gleich die Ärmel hochgekrempelt im Wahlkampf.“ So sei die Wahlparty im Gummersbacher Linken-Büro dann auch sehr ausgelassen gewesen.
In seinem Leben werden nun einige Sachen umgekrempelt. „Meine Frau und ich haben ein Haus in Nümbrecht gekauft, eigentlich sollte morgen die Schlüsselübergabe stattfinden, das musste ich verschieben.“ Und auch zu seinem Arbeitgeber musste er noch. Der Kfz-Mechatroniker tauscht nun seinen Platz in einer freien Werkstatt in Nümbrecht ein mit einem Büro in Berlin. Seine Heimat bleibt er treu. Nach Möglichkeit möchte er seine Aufgaben im Nümbrechter Gemeinderat weiter wahrnehmen. Ob das auch für seinen Platz im Kreistag gilt, habe er noch nicht entschieden.
In Berlin erwarten ihn morgen mehrere Sitzungen, Mittwoch geht es dann erstmal wieder zurück. Auch mit Sabine Grützmacher von den Grünen möchte er sich bald auf einen Kaffee treffen. Die Noch-Bundestagsabgeordnete weiß, wie überwältigend die erste Zeit in der Hauptstadt sein kann. „Das ist eine große Verantwortung“, sagt Köstering. Er freue sich auf die Arbeit in der Opposition und ist gespannt, welche Themen er beackern darf. Im Rahmen seiner Arbeit im Landesvorstand beschäftige er sich viel mit Innenpolitik und Sportpolitik – dies könne er sich auch in Berlin vorstellen.
