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Anträge nicht erfolgreich: Keine Steuererhöhungen in Wiehl

lw; 24.02.2021, 14:38 Uhr
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Anträge nicht erfolgreich: Keine Steuererhöhungen in Wiehl

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lw; 24.02.2021, 14:38 Uhr
Wiehl – Grüne und SPD hatten aufgrund der Haushaltslage versucht, entgegen des Plans der Verwaltung die Abgaben zu erhöhen – Kämmerer vorübergehend Vertreter von Bürgermeister Ulrich Stücker.

Von Lars Weber

 

Ein Genehmigungshaushalt mit mehr als vier Millionen Euro Defizit und Rücklagen, die fast aufgebraucht sind: Der Wiehler Haushalt für das laufende Jahr bot reichlich Stoff für Diskussionen bei den sieben Ratsfraktionen. Dies ist bei den Haushaltsreden im Verlauf der gestrigen Ratssitzung in der Wiehltalhalle deutlich geworden. Letztlich wurde das Zahlenwerk verabschiedet, ebenso wie der Stellenplan und den Wirtschaftsplänen des Abwasserwerks und der Freizeit- und Sportstätten Wiehl.  Für den Haushaltsplan stimmten im voll besetzten Rat 25 Stadtverordnete (CDU, UWG, SPD, FDP, AfD), 14 waren dagegen (Linke, SPD, Grüne) und es gab drei Enthaltungen (SPD, Grüne).

 

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Der Abstimmung vorausgegangen war die Entscheidung über zwei Anträge, beide mit dem Ziel, doch noch Steuererhöhungen in die Satzung mit aufzunehmen. Diese waren im ursprünglichen Haushaltsentwurf vorgesehen, und zwar sollten die Grundsteuer B auf 495 v.H. und die Gewerbesteuer auf 450v.H. angehoben werden. Aufgrund der Belastungen für Betriebe und Familien durch die Pandemie kassierte die Verwaltung die Steuererhebung aber, obwohl Wiehl dadurch nur einen Genehmigungshaushalt auf die Beine stellt.

 

Der Haushalt in Zahlen (in Euro)

 

Erträge: 61,1 Millionen

Aufwendungen: 65,5 Millionen

Steuern: Grundsteuer A: 260 v.H., Grundsteuer B: 443 v.H., Gewerbesteuer: 430 v.H.

 

Gewerbesteuereinnahmen: 15,9 Millionen

Einkommenssteueranteil: 13,35 Millionen

 

Ausgaben Personal: 13,96 Millionen

Investitionen 15,3 Millionen

Kreditaufnahme: 15,2 Millionen

 

Dieser Entwicklung wollten Grüne und SPD entgegenwirken. „Wir sollten lieber jetzt den Genehmigungshaushalt vermeiden“, so Grünen-Fraktionschef Jürgen Körber in seiner Haushaltsrede, der ansonsten bald die „Zwangsjacke“ fürchtet. Deshalb forderten die Grünen in ihrem Antrag zum ursprünglichen Haushaltsentwurf mit Steuererhöhungen zurückzukehren. Der Antrag scheiterte, nur die acht Grünen stimmten dafür. Und auch der Vorstoß der SPD, zumindest die Gewerbesteuer um 20 Prozentpunkte anzuheben, um für etwas Ausgleich zu sorgen, fand keine notwendige Mehrheit. 21 stimmten dafür, 21 dagegen.

 

Die CDU verwies bei der Haushaltsrede auf die Coronabedingten Mehraufwendungen und Mindererträge, die den Haushalt dank Isolationsgesetz erst ab 2025 belasten. „Trotzdem: Wir müssen den finanziellen Spielraum der kommenden Generationen erhalten“, sagte Fraktionsvorsitzende Larissa Gebser. „Wir brauchen höhere Einnahmen, oder geringere Ausgaben,“, sagte sie mit Blick auf das Defizit einerseits und die hohe Kreisumlage (14,3 Millionen Euro) andererseits. Sinnvolle Investitionen in zukunftsfähige Projekte bei einer möglichst geringen Abgabenbelastung seien der richtige Weg. Um mehr Einnahmen zu generieren, benötige es darum mehr Einwohner und neue Gewerbegebiete. „Dabei bleiben wir.“ Bezogen auf die Zukunft der Wiehler Schulen sagte Gebser: „Lasst uns endlich eine Entscheidung fällen!“

 

Angesichts des strukturellen Defizits forderte SPD-Fraktionschef Carlo Riegert, auch die Kostenseite genau in den Blick zu nehmen. Besonders die immer weiter in die Höhe steigenden Personalkosten sieht die SPD problematisch. Sie erwarten ein Konzept der Verwaltung, wie man die Zuwachsrate von 25 Prozent in den vergangenen Jahren mindestens abflachen könne. Auf der Einnahmenseite setzt die SPD auf die Optimierung der Gewerbeflächen, Steuererhöhungen und die Aktivierung von Wohnflächen in der Stadt und auf den Dörfern. Bei der Frage nach der Zukunft des Gymnasiums sieht Riegert die Verwaltung am Zug, um eine Finanzierungsgrundlage aufzuzeigen.

 

Intrigen, Aggression, Arroganz

 

Nach der überraschenden Abwahl des Zweiten Beigeordneten Maik Adomeit Anfang des Monats war das Diskussionsklima bei der ersten Ratssitzung „danach“ weitestgehend produktiv geprägt. Vor allem CDU-Fraktionschefin Larissa Gebser nutzte aber ihre Haushaltsrede, um das erschütterte Vertrauen zwischen den Fraktionen aufzugreifen. „Wir haben Respektlosigkeit, unterschwellige Aggression und Intrigen erlebt“, sagte sie. Die Verwaltung sei destabilisiert worden, Zeit mit Kämpfen „Klein gegen Groß“ vergeudet worden. Sie sprach direkt die Grünen-Fraktion an. „Ihr seid nicht mehr die sogenannten Kleinen.“ Sie sollten „endlich“ Verantwortung übernehmen.

 

Die Antwort von Jürgen Körber folgte auf dem Fuße. In seinen 13 Jahren in dem Gremium habe er viele „wohlgesetzte Worte“ der CDU gehört. „Warum wurden sie nicht in die Tat umgesetzt?“ FDP-Fraktionschef Dominik Seitz sagte, dass „für Arroganz und persönliche Feindschaften“ kein Platz mehr da sein darf.

 

Die Grünen prangerten vergangene politische Entscheidungen an, allen voran das Votum für ein defizitäres Hallenbad und versäumte Steuererhöhungen. Hätte es diese Entscheidungen nicht gegeben, hätte die Stadt Millionen sparen beziehungsweise einnehmen können. „Und gäbe es nur halb so viele ISEK-Maßnahmen, hätten wir weitere fünf Millionen Euro auf der hohen Kante“, so Körber weiter. „Ohne Einschränkungen im Angebotsbereich werden wir bald eingeschränkt.“

 

UWG-Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Stinner bezeichnete die Zukunft der Wiehler Schulen, die Digitalisierung sowie Wohnungsbau- und Gewerbeflächen als Themen der Zukunft. Wie die SPD kritisierte auch die UWG die hohen Personalkosten. Das Defizit bei den FSW hält die Fraktion für das größte Problem der Stadt. Das griff auch FDP-Fraktionsvorsitzender Dominik Seitz auf, der forderte, die Ausgabenseite des Haushalts zu bereinigen. Mit Blick auf die WiehlerWasserWelt sagte er: „Die Wiehler gehen schwimmen und die Stadt geht baden“.

 

Die AfD bezeichnete einen möglichen Neubau des Gymnasiums für 60 Millionen Euro, von denen nur acht Millionen förderfähig seien, als „großen rosa Elefanten im Raum“. „Wenn wir weiter über unseren Verhältnissen leben, werden wir uns schneller in einem Haushaltssicherungskonzept wiederfinden, als es uns lieb ist“, so Daniel Schwach. Die Linke um Fraktionschef Matthias Lammerich warb für eine Überarbeitung der Steuergesetze, es benötige ein anderes, interkommunales Konstrukt der Gemeindefinanzierung.

 

 

Aus dem Rat:

 

Nach der Abwahl des Zweiten Beigeordneten Maik Adomeit hat der Rat den Stadtkämmerer Axel Brauer auf Vorschlag der Verwaltung vorübergehend als allgemeinen Stellvertreter von Bürgermeister Ulrich Stücker bestellt. Die Entscheidung fiel einstimmig. Das Baudezernat von Adomeit wird Stücker zunächst einmal übernehmen. Da bekanntlich auch die Stelle des Ersten Beigeordneten vakant ist, möchte die Verwaltung den Besetzungsprozess schnell vorantreiben. Hierzu holte sie sich gestern vom Rat die Erlaubnis ein, schon ein Stellenanforderungsprofil für den Zweiten Beigeordneten zu erstellen. Die Entscheidung fiel mit 34 Ja-Stimmen, vier Nein-Stimmen (von Grünen und UWG) und bei drei Enthaltungen aus der Fraktion der Grünen.

 

Mit stolzen sieben Anfragen dominierte die AfD-Fraktion diesen Teil der Sitzung. Die anderen Fraktionen hatten in diesem Fall pandemiebedingt keine einzige Anfrage gestellt. Auf die jeweiligen Inhalte und Antworten wurde allerdings kaum eingegangen. Moritz Müller (CDU) stellte stattdessen die Notwendigkeit einiger Anfragen infrage, zum Beispiel über „Schmierereien und Graffiti“ oder „Waschbären in Wiehl“. „Ich vermisse teils einen klaren Wiehler Bezug oder einen eindeutigen Anlass.“ Die Verwaltung benötige die Ressourcen in der jetzigen Situation für andere Dinge. AfD-Fraktionschef Daniel Schwach sagte, dass manche Fragen gestellt werden müssten, um sie öffentlich zu machen. Zudem habe jede Anfrage einen Sinn und sei auch nicht – wie von Müller vorgeworfen – aus einer überregionalen Parteivorlage kopiert.

 

Viel Lob aus den Fraktionen bekam die CDU für ihren Antrag zu prüfen, ob für Wiehl eine Car&RideSharing Bürgergenossenschaft nach dem Modell von Overath zu realisieren sei. CDU-Stadtverordneter Sören Teichmann erklärte, dass dabei nicht das Auto einfach am Zielort stehengelassen werde, wie das bei manchen Projekten gerade in Großstädten der Fall sei. Stattdessen teilten sich aus einem Ort eine größere Anzahl von Menschen ein Auto, nachdem vorher die Benutzungsmöglichkeiten genau untereinander abgesteckt worden seien. Das Auto werde von der Genossenschaft angeschafft. „Das Beispiel Overath zeigt: Das Modell funktioniert.“ Der Antrag wurde in den Fachausschuss verwiesen, um sich dort eingehend damit zu beschäftigen.

KOMMENTARE

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Großes Lob an die Redaktion! Der Bericht gibt einen vollumfänglichen Überblick über das Geschehen. Und wird m.E. dazu beitragen, dass eine gut informierte Bürgerschaft sich weiter - oder wünschenswerterweise gar in höherem Maße - für die Zukunft ihrer Kommune und die damit verbundenen Entscheidungsprozesse interessiert. Sehr gerne weiter so!

Dietmar Rademske, 25.02.2021, 11:36 Uhr
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