POLITIK

"Der Kreis nimmt die Bürger nicht mit"

bv; 05.12.2020, 12:00 Uhr
POLITIK

"Der Kreis nimmt die Bürger nicht mit"

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bv; 05.12.2020, 12:00 Uhr
Oberberg - Interview mit den beiden grünen Kreistagsmitgliedern Sabine Grützmacher und Dr. Ralph Krolewski zur Pandemie-Bekämpfung und grünen Zielen.

Von Bernd Vorländer

 

OA: Das Gesundheitsamt des Kreises ist aufgrund der Corona-Pandemie stark beansprucht. Machen die Mitarbeiter einen guten Job?

Krolewski: Sicherlich, aber wie in anderen Regionen auch, lassen sich Kontakte aufgrund der hohen Inzidenzzahlen gar nicht mehr nachverfolgen. Was wir beobachten können: Das Gesundheitsamt ist für Bürgeranliegen nicht mehr erreichbar. Im Bereich der Schulen und Quarantänebestimmungen gibt es ein Riesenchaos. Viele Mitarbeiter aus den übrigen Ämtern sind aktuell ins Gesundheitsamt abgeordnet und fehlen dann natürlich anderenorts.

 

OA: Man erfährt derzeit nicht viel aus dem Kreishaus?

Krolewski: Alles, was mit dem Thema Gesundheitsschutz zu tun hat, wird derzeit im abgeschotteten Krisenstab unter Vorsitz des Landrats besprochen. Und neben den offiziellen Statements kommt da gar nichts, woraus man sich ein Bild machen kann. Selbst wir als Kreistagsmitglieder wissen nicht mehr, als in der Presse steht. Das geht gar nicht. Die Lagebeurteilungen des Kreises sind unscharf. Dass etwa 20 Prozent der niedergelassenen Praxen derzeit in Quarantäne sind, wird etwa gar nicht erwähnt. Das ist aber sehr wichtig, denn ohne die Abstriche der Hausarztpraxen, deren Zahl drei bis viermal höher ist als die des Gesundheitsamtes, wäre gar keine epidemiologische Beurteilung des Kreises möglich.

 

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OA: Wie sieht es denn bei der Kommunikation des Kreises mit den Bürgern aus, die ja viele Fragen haben?

Grützmacher: Man erfährt nur statistische Werte, aber der Kreis nimmt die Bürger nicht mit. Viele Fragen, die ja oft gleich lauten, werden vom Kreis nicht aufgenommen und beispielsweise auf der Internet-Präsenz des Kreises oder in den sozialen Netzwerken beantwortet. Wir müssen es aber gemeinsam schaffen, auf die Sorgen und Nöte der Menschen Antworten zu finden.

 

OA: Diese Pandemie hat gezeigt, dass Deutschland in Teilen ein digitales Entwicklungsland ist. Müsste nicht auch im Oberbergischen ein digitaler Schub erfolgen?

Krolewski: Bei vielen Dingen, so auch bei der Digitalisierung - etwa in Schulen - hat man nach dem ersten Lockdown die trügerische Hoffnung gehegt, man habe das Gröbste hinter sich. Das war ein Trugschluss und notwendige Schritte, die im Sommer in unseren Schulen hätten erfolgen müssen, sind unterblieben. Wir als Grüne fordern etwa auch digitale Ausschusssitzungen im Kreis - aber da gibt es bislang nur ausweichende Antworten.

Grützmacher: Der Kreis muss sich den digitalen Erfordernissen des Jahres 2020 öffnen und sich diesen Dingen nicht weiter verschließen. Digitalisierung in den Schulen ist sinnvoll, aber kein Allheilmittel. Schüler müssen lernen dürfen, aber eben nicht ausschließlich über eine Lern-Konditionierung mit bestimmten Programme. Die wichtige Gruppenarbeit funktioniert zudem nur leidlich über ein Tablet.

 

OA: Welche politischen Schwerpunkte wird ihre Fraktion im Kreistag besetzen?

Krolewski: Wir müssen die Klimawende in den kommenden Jahren schaffen, sollen nicht Dinge unumkehrbar werden. Da gibt es in Oberberg sehr viel zu tun. Es geht etwa darum, 68.000 Bestandsgebäude in Oberberg energetisch zu sanieren. Das ist eine Mammut-Aufgabe in den kommenden zehn Jahren und wird viele Arbeitsplätze in der Region schaffen. Andere Regionen sind da schon viel weiter als Oberberg.

 

OA: Werden die Bündnisgrünen nach erheblichen Stimmengewinnen bei der vergangenen Kommunalwahl anders wahrgenommen und können auch eigene Akzente im Kreistag setzen?

Grützmacher: Wir sind jetzt im Kreistag breit aufgestellt und können natürlich bei den Themen, die uns wichtig sind, ganz anderen Druck machen. Ich bin optimistisch, dass wir dabei auch andere Fraktionen mit unseren Argumenten überzeugen können.

Krolewski: Wir brauchen bei den wichtigen, existenziellen Themen parteiübergreifende Lösungen. Deshalb werden wir auch als Opposition den kurzen Draht zu allen anderen Fraktionen mit Ausnahme des AfD pflegen. Uns geht es nicht um Parteitaktik, sondern um Lösungen für Themen, die alle Bürger angehen.

 

KOMMENTARE

1

Ich bin ja kein Fan der Grünen, aber was das Thema : Mitnehmen der Bürger. betrifft, haben sie schon recht. Der OBK geht in der Region, was die Zahlen betrifft, vorne weg und von den „Offiziellen“ hört man quasi nichts!

Heinz , 05.12.2020, 16:01 Uhr
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Es ist wirklich kaum noch zu ertragen, dass Herr Krolewski zu allem seinen Senf dazu geben muss. Angeblich haben die Hausärzte doch so viel zu tun. Dann sollte er sich besser mal um seine Patienten kümmern, als ständig Hetze gegen den Kreis zu betreiben. Ich finde es Wahnsinn, was das Gesundheitsamt und der gesamte Kreis derzeit leistet. Dafür Hut ab.
Herbert Hoffmann

Herbert Hoffmann, 05.12.2020, 19:28 Uhr
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Ich habe das Gefühl die Grünen werden wieder Bürgernäher. Der Kreis, die Regionalregierung scheint, meiner Meinung nach, in einem Elfenbeinturm gefangen. Eventuell wird die nächste Wahl die eingeschlafenen aufwecken.

Nadja von Auen, 06.12.2020, 07:10 Uhr
4

Würde gerne wissen,wie das ganze abläuft. Mein mann ist schwer Lungenkrank,Müssen wir uns bei unsrem Arzt melden ,oder kommt man auf uns zu.Woher wissen die Impfcentren wer dringend geimpft werden muss.

jule, 06.12.2020, 07:40 Uhr
5

Hinweis beim täglichen Corona-Ticker von OA: "Nach Angaben der Kreisverwaltung wird bis auf Weiteres keine Auflistung der laborbestätigten Fälle nach Kommunen veröffentlicht. Als Grund werden technische Probleme genannt. Diese hätten dazu geführt, dass die Zahl der Personen, die keiner Stadt oder Gemeinde zugeordnet werden konnten, in den vergangenen Tagen gestiegen sei. Die vorliegenden Zahlen für jede Kommune seien daher nicht mehr aussagekräftig." Dies bekräftigt die Aussagen von Herrn Dr. Krolewski zur Handlungsfähigkeit des OBK. Wenn Infektionsfälle noch nicht einmal der Kommune zugeordnet werden können, wie steht es da um zielgerichtete Maßnahmen. Außerdem: Für die Bürger ist Transparenz beim Infektionsgeschehen in der eigenen Kommune zur individuellen Lagebeurteilung wichtig.

Michael K., 06.12.2020, 08:16 Uhr
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Als Vorsitzender des Hausärzteverbandes Oberberg und Kreistagsmitglied sollte Herr Dr. Krolewski sehr wohl berechtigt sein "seinen Senf dazu zu geben" .... das ist gelebte Meinungsfreiheit in einer Demokratie. Im Übrigen ist Herr Dr. Krolewski ein ausgezeichneter Arzt, der seinen Beruf tatsächlich noch als "Berufung" versteht.

Michael K., 06.12.2020, 15:18 Uhr
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