POLITIK

Über 13 Jahre für Lindlar: Zeit für einen Wechsel

ks; 16.08.2025, 06:00 Uhr
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Foto: Katharina Schmitz --- Bürgermeister Dr. Georg Ludwig in seinem Büro am Schreibtisch.
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Über 13 Jahre für Lindlar: Zeit für einen Wechsel

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ks; 16.08.2025, 06:00 Uhr
Lindlar – 2012 wurde Dr. Georg Ludwig zum Bürgermeister gewählt – Ende Oktober wird er sein Amt niederlegen und das Rathaus verlassen – Mit OA hat er einen Blick zurückgeworfen, über Gelungenes und nicht Zufriedenstellendes gesprochen und trotz einiger besorgniserregender Entwicklungen auch Mut für die Zukunft gemacht.

Wie schnell die Zeit manchmal vergeht, wird in diesen Tagen auch Dr. Georg Ludwig bewusst. Seit dem 1. Juni 2012 ist er Bürgermeister der Gemeinde Lindlar. Mehr als 13 Jahre liegt seine Amtseinführung zurück. 13 Jahre, die vollgepackt waren mit unzähligen Terminen, Aktivitäten und Ereignissen. Zeit, die aber auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen ist. „Man merkt schon, dass 13 Jahre vergangen sind – nicht nur beim Blick in den Spiegel, sondern auch bei ‚Lindlar läuft‘“, witzelte Ludwig in dieser Woche im Gespräch mit OA, braucht er für die zehn Kilometer lange Strecke heute doch ein paar Minuten mehr als noch vor einigen Jahren. Nun blickt Ludwig auf seine letzten Wochen im Amt – und zusammen mit OA auf seine Amtszeit, Gelungenes und nicht Zufriedenstellendes und nach vorn.

 

Seit 2012 habe sein Leben ganz im Zeichen des Bürgermeisteramtes gestanden – und damit auch weite Teile des Privatlebens. „Das ist im Grunde eine 24/7-Aufgabe, ohne Feierabend um 17 Uhr“, sagte Ludwig. Die Schlagzahl sei enorm hoch – und habe in den vergangenen Jahren ebenso wie die Herausforderungen im Amt sogar zugenommen. Ob die Inflation, Tarifsteigerungen, der Ukraine-Krieg, der Fachkräftemangel, die Wetter- und Klimaentwicklung, gestörte Lieferketten, die Konflikte im Nahen Osten und der Zuzug von Geflüchteten, aber auch die gesellschaftlichen Entwicklungen: „Ich dachte, durch Erfahrung wird es einfacher. Aber die Zeiten werden schwieriger. Die Erfahrung hilft zumindest dabei, damit umzugehen“, sagte der 58-Jährige.

 

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Vieles hat sich in den vergangenen 13 Jahren verändert – auch in Lindlar. Was dem Bürgermeister dabei wichtig war, war eine ausformulierte Vision für die Gemeinde samt Konzept in den Händen zu halten. Vor rund sechs Jahren ist das „Gemeindeentwicklungskonzept 2035“ verabschiedet worden, das sich unter anderem damit befasst, wie stark Lindlar wachsen soll, mit Wohnen und Gewerbeentwicklung, Klima und Mobilität, Handel, Tourismus und Bildung, aber auch mit Identität und Tradition. „Konzeptionell haben wir einiges erreicht. Die Konzepte waren mir wichtig, damit wir wissen, wohin wir uns entwickeln – dass man eine Vision hat und diese umsetzt“, sagte Ludwig.

 

Ein Meilenstein sei gewesen, dass die Gemeinde mit dem ISEK „erstmals nennenswerte Städtebaufördermittel“ erhalten habe. Auch dafür musste ein Konzept entwickelt werden, die „Lindlarer Freiräume – Zirkuläres Bauen und Klimawandelanpassung im öffentlichen Raum“. Im Herbst wird es nun endlich losgehen mit der ersten Umsetzung des ISEK, dann soll der Bereich vorm Kulturzentrum entsiegelt und neugestaltet werden. Aber der Bürgermeister erinnert auch gern an den flächendeckenden Breitbandausbau in der Gemeinde, die Eröffnung der Skateanlage, die Kletter- und Boulderhalle, die Kinderarztpraxis, die vor drei Jahren im Sitzungssaal des Rathauses untergebracht gewesen ist, eine ausgewogene Ärztelandschaft und die Entwicklung des Neubaugebietes Lindlar-West.

 

Von einer „riesigen Kraftanstrengung“ sprach Ludwig mit Blick auf das Lindlarer Schulsystem. Nicht zuletzt sei es darum gegangen, die Schullandschaft zu stärken – zum einen mit der Digitalisierung, der Modernisierung und Erweiterung einiger Grundschulen und dem Ausbau des OGS-Angebots, zum anderen mit dem Erhalt der Haupt- und auch der Förderschule. Letztere hatte 2017 vor dem Aus gestanden, weil sie der damaligen Landesregierung zufolge nicht mehr die Mindestgröße erreicht habe. „Wir haben die Schule dann am 31. Juli geschlossen und am 1. August mit einem neuen Träger, der CJG, eröffnet“, erzählte Ludwig. Zusammen fiel das mit einem Regierungswechsel auf Landesebene: von rot-grün zu schwarz-gelb. Während die alte Regierung Druck auf Ludwig ausgeübt habe, habe sich die neue über den Erhalt gefreut. „Für mich war es unheimlich wichtig, dass wir die Schulen bewahren. Das ist hier ein gewachsenes System und es gab mehrheitlich nicht den Wunsch nach anderen Schulformen“, sagte er.

 

Eher schleppend lief es in den vergangenen Jahren, was die Entwicklung der Schlossklink, des Neubaugebietes An der Jugendherberge und der Erweiterung des Industrieparks Klause angeht. Die Schlossklinik war ein Projekt, das den Bürgermeister seit 2012 begleitet hat, war doch einer seiner ersten Termine im Amt mit der Klinik verbunden. Viele politische Beschlüsse habe es dazu gegeben, dann Eigentümer- und auch Vorhabenträgerwechsel, Stillstand auf der Baustelle. „Aber ich persönlich habe immer an das Projekt geglaubt“, sagte Ludwig. Am 1. Juli sei die Schlossklinik endlich eröffnet worden, habe jetzt schon 45 Beschäftigte.

 

Anders sieht das beim Gewerbe- und dem Neubaugebiet aus. „Auch hier hätte ich mir eine schnellere Entwicklung gewünscht“, meinte Ludwig. Doch mit dem Mehrheitswechsel nach der Wahl 2020 hat es auch andere politische Wünsche gegeben. Das Thema Nachhaltigkeit stand im Fokus. Neue Planungen, Gutachten und Analysen waren nötig. Nicht zuletzt habe auch die dünne Personaldecke in der Verwaltung eine Rolle gespielt. „Ich hoffe, dass wir die Ausgangslage gestaltet haben und es dann schneller geht. Der Bedarf ist da, was Wohnraum und Gewerbeflächen angeht“, sagte der Bürgermeister.

 

Ein großes Thema war rund um den Jahreswechsel und Anfang des Jahres die von CDU und Grünen durch den Rat gebrachten Steuererhöhungen. „Als ich ins Amt kam, sind wir in das HSK, das Haushaltssicherungskonzept, gekommen. Damals ging es der Gemeinde schlecht“, so Ludwig. Unterm Strich standen zu viele Aufgaben, eine hohe Umlage und zu wenig Geld. Nicht zuletzt dank einer guten Kämmerei konnte die Gemeinde 2020 das HSK verlassen, sich konsolidieren und jahrelang Eigenkapital aufbauen. Doch die Krisen, eine stetig steigende Kreisumlage und die jüngsten Tarifabschlüsse, die einen Mehraufwand von einer Millionen Euro ausmachen, haben der positiven Entwicklung entgegengewirkt. „Alles zusammen führte dazu, dass wir wieder in die finanzielle Schieflage geraten sind. Aber wir haben die Entwicklung trotzdem im Griff, können etwas gestalten und bewegen. Auch da ist ein Konzept dahinter“, sagte Ludwig.

 

Viel sei in der Zeit gelungen. Und auch viele schwierige Situationen wie der Flüchtlingszustrom 2015 bewältigt worden. „Wir haben trotz aller Herausforderungen ein gutes Miteinander. Und ich habe immer versucht, einen unaufgeregten Stil zu pflegen“, sagte Ludwig. Als Politikwissenschaftler habe er erkannt, dass die Musik auf kommunaler Ebene spielt, direkt bei den Menschen. Nah an den Menschen zu sein, zuzuhören und zu erfahren, wie die Stimmung ist, sei ihm wichtig gewesen, und auch zu vermitteln, „dass wir das vor Ort zusammen regeln“. Zeitgleich würde es um die Kommunalpolitik schwieriger stehen als noch vor einigen Jahren. Die Themen sind komplex, die Anforderungen an die Ehrenamtlichen hoch, die Bereitschaft sinkt. Dazu kommt eine gewisse Aufgeregtheit. „Die Messlatte des Erlaubten wird heruntergehängt“, findet Ludwig – nicht nur auf der großen politischen Bühne. „Das merkt man auch hier, und das sehe ich mit Sorge.“

 

Gewisse bundespolitische Entwicklungen zeigen sich auch in Lindlar. In den Gemeinderat können die Lindlarer diesmal auch die Linke und das BSW wählen, die AfD tritt nicht an. „In Lindlar war es bislang immer so, dass politische Extreme keine Rolle gespielt haben. Aber ganz macht das auch vor uns nicht Halt“, sagte der Bürgermeister. „Das liegt vielleicht auch an dem sozialen Zusammenhalt. Und wir haben hier trotz aller Finanznöte ein hohes Niveau. Das trägt vielleicht zu einer besseren Stimmung und Lebensqualität bei.“ Wichtig sei, sich bewusst zu machen, „was wir hier haben“, und sich nicht von Ängsten leiten zu lassen, die gerne von politischen Rändern aufgegriffen werden, sondern mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Ludwig plädiert dafür, das Positive zu sehen, zu schätzen und darauf aufzubauen. „Dann sind wir auf einem guten Weg.“ Kritisch sieht er allerdings eine Veränderung bei den Medien. Während die seriösen Medien vor Ort schwächer geworden sind, spielen die Sozialen Medien heute eine viel stärkere Rolle. Das mache sich nicht zuletzt an dem Informationsstand der Menschen bemerkbar.

 

Bis zum 31. Oktober wird Ludwig im Amt sein. Zu der Kommunalwahl tritt er nicht mehr an. „Demokratie ist Wechsel – und jetzt ist Zeit für einen Wechsel“, sagte der Bürgermeister. Mit 58 Jahren sei er in einem Alter, in dem er nochmal etwas anderes machen wolle. Nicht zuletzt gehe es für ihn auch darum, wieder mehr Zeit für seine Familie und für Erholung zu haben. „Ich gehe jeden Tag motiviert ins Rathaus – bis zuletzt. Jetzt geht es darum, die Dinge geordnet zu hinterlassen, manches abzuschließen, anderes noch auf den Weg zu bringen.“ Auch wenn es oft schwierige Momente gab: „Die Freude an der Arbeit hat überwogen und mich sehr erfüllt“, sagte Ludwig dankbar. Nicht zuletzt hat ihn dabei seine Frau Sabine unterstützt. „Sie hat mich auf viele Termine begleitet, war eine wichtige Unterstützerin und hat mich manchmal auch wieder eingefangen, wenn mich einmal die Wut gepackt hat.“

 

Nach dem 31. Oktober stehen für Dr. Georg Ludwig ein paar Wochen Pause an – und dann möchte er sein Leben neu sortieren. Berufliche Pläne gäbe es, dazu sagen wollte der Bürgermeister aber noch nichts. Für das rund 140-köpfige Team der Verwaltung wird es eine neue Verwaltungsspitze geben. Wie die aussehen wird, ist aber noch nicht klar. Der Beigeordnete Michael Eyer kandidiert in Overath als CDU-Bürgermeisterkandidat, Kämmerin Cordula Ahlers wurde in Lindlar von der SPD, den Grünen und der FDP als Bürgermeisterkandidatin aufgestellt. Auf die Frage, was er seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger wünscht, antwortete Ludwig: „Meiner Nachfolge wünsche ich, dass sie alle Herausforderungen meistert und dabei gesund bleiben wird.“

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