POLITIK

„Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse“

lw; 27.11.2023, 13:01 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Die Vorsitzende der SPD NRW Sarah Philipp möchte die Kommunikation innerhalb der Partei verbessern.
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„Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse“

lw; 27.11.2023, 13:01 Uhr
Gummersbach – Co-Chefin der Landes-SPD Sarah Philipp stellte sich beim Kreisparteitag vor - SPD Oberberg bestätigt ihren Vorsitzenden Thorsten Konzelmann.

Von Lars Weber

 

Rund 90 Sozialdemokraten aus ganz Oberberg sind am Samstag im Lindenforum in Gummersbach zum Kreisparteitag der SPD zusammengekommen. Als „Familientreffen“ bezeichnete deren Vorsitzender Thorsten Konzelmann die Versammlung. Anders als bei manch anderer Familienzusammenkunft stritten die Genossen aber nicht. So wurde Konzelmann bei den Wahlen mit großer Mehrheit erneut in seinem Amt bestätigt. Die innere Harmonie bedeutete aber nicht, dass die Redner nicht angriffslustig gewesen seien. Dies galt auch für Sarah Philipp, Mitglied des Landtags und seit bald 100 Tagen neben Achim Post Teil der SPD-Doppelspitze im Land, die die Sozialdemokraten zurück in die Regierung führen soll.

 

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Sarah Philipp skizzierte in ihrer Rede, wie sich der Landesvorstand die „neue SPD im Westen“ vorstellte. Sie machte klar: „Der Austausch mit den 90.000 Mitgliedern wird dabei wichtig sein!“ Die Kommunikation habe in der Vergangenheit nicht gepasst, nun solle wieder über sämtliche Ebenen hinweg Vertrauen aufgebaut werden. „Keiner ist für sich allein erfolgreich.“ Auch aus diesem Grunde habe man sich für eine Doppelspitze entschieden, in der sowohl das Land, als auch mit dem Bundestagsmitglied Post der Bund repräsentiert seien. Zusammen wolle man ein positives Zukunftsbild zeichnen, das bis zu den Mitgliedern in den Ortsverbänden und den Wählern ankommen soll.

 

Es gelte, sich mit den großen Themen auseinanderzusetzen, unter anderem Verkehr, Familienpolitik, Wohlstand, Wohnen, Klimaschutz aber auch Respekt und Zusammenhalt in der Gesellschaft. „Das wird die große Herausforderung sein.“ Sie nahm dabei direkt Bezug auf die Haushaltskrise im Bund nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. „Wir werden die Auswirkungen bis in die Kommunen spüren.“ Der falsche Ansatz wäre es aber nun, Kürzungen im Sozialbereich zu fordern. Das Urteil sollte nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden. Die großen Aufgaben müssen überparteilich in Angriff genommen werden, da „sollte die CDU Friedrich Merz an die Leine nehmen“.

 

Die Transformation Deutschlands werde nur gelingen, indem man Geld in die Hand nehme. Egal ob bei Themen wie Arbeit, Bildung oder Klima – „Wir haben viel Nachholbedarf“. Über die Ungleichverteilung von Vermögen und Verteilungsgerechtigkeit müsse gesprochen werden, ebenso wie über eine Reformierung der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse ist momentan eine Zukunftsbremse!“

 

 

Die 40-jährige Philipp kritisierte den Umgang der Landesregierung mit den Kommunen. „Es ist eine Schande, was dort geschieht.“ Die Kommunalfinanzierung sei nicht ausreichend, und Ministerpräsident Hendrik Wüst schaue nur zu, wie in den Städten und Gemeinden die Steuern erhöht werden müssen. Während die Bürger zur Kasse gebeten werden, funktioniere aber eine Menge im Land nicht, von der Kinderbetreuung bis zur Infrastruktur. So bekämen die Menschen nicht das Gefühl, dass der Staat funktioniert.

 

Dass die SPD bei der Transformation eine „wichtige Rolle“ spielen könne, davon waren auch die Mitglieder bei der anschließenden Diskussion überzeugt. „Wir brauchen jetzt eine neue sozialdemokratische Vision, in die man Vertrauen haben soll“, sagte der Lindlarer Thorben Peping, unlängst zum Mitglied des Landesvorstands gewählt. „Die Gegner blasen zum Angriff auf den Sozialstaat, unsere Aufgabe ist es, dagegen zu halten.“ Annika Jaschke aus Wipperfürth (Foto) setzte sich emotional für eine bessere Familienpolitik ein: „Die Schwächsten in unserer Welt sind die Kinder. Die sollten wir stark machen.“ – dabei hatte sie ihren eineinhalbjährigen Sohn auf dem Arm. Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, diese Grundsätze sollten stärker nach außen getragen werden, sagte Tobias Schneider, stellvertretender Landrat, vor allem in Bezug auf den Rechtsruck im Land. „Zuwanderung sollte endlich als Chance begriffen werden.“

 

Angriffslustig gaben sich auch Pascal Reinhardt (Foto), der Kandidat für die SPD Oberberg für die Bundestagswahl 2025, und Sven Lichtmann, Fraktionschef im Kreistag. Angesichts von Krieg und Terror, migrationsfeindlicher Stimmung und Druck auf die Wirtschaft sprach Reinhardt von einer Polykrise. „Das gesellschaftliche Narrativ passt nicht mehr.“ Es müsse ein neuer Überbau geschaffen werden, „und das kann nur die SPD leisten“. In den kommenden zwei Jahren werde es darum gehen, den Menschen die sozialdemokratische Vision nahezubringen.  

 

Lichtmann indes arbeitete sich vor allem an der Kreisverwaltung ab. Im Zentrum der Kritik standen unter anderem die Pläne zur Kreishauserweiterung. Wie der Gummersbacher Kämmerer Raoul Halding-Hoppenheit bei der Haushaltseinbringung im Stadtrat verlautet hätte, würden die Kosten inzwischen auf 200 Millionen Euro geschätzt, erzählte Lichtmann. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Pläne überdimensioniert sind.“ Sie seien noch vor einem Jahr dafür als „unseriös“ gescholten worden, als sie die Kostenplanung von 60 Millionen Euro kritisiert hatten und eher von 100 Millionen Euro ausgegangen waren. Die Kommunikation in der Sache kritisierte er scharf als „Arroganz der Macht“.

 

[Thorsten Konzelmann bedankt sich nach seiner Wiederwahl.]

 

Motiviert, etwas zu ändern, ist weiterhin Thorsten Konzelmann, der mit 92 Prozent der Stimmen (77 Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und fünf Gegenstimmen) als Vorsitzender bestätigt wurde. „Das hat vor allem mit unserer Mannschaft zu tun.“ Er wolle mit gleicher Kampfkraft und ungebrochenen Optimismus weitermachen.  Seine Vertreter sind Regina Billstein und – neu gewählt – Daniel Grütz und Pascal Reinhardt. Kassiererin bleibt Ursula Mahler, Schriftführerin Anne Pampus. Beisitzer sind Nico Asbach, Annika Jaschke, Jan Phillip Linden, Marco Mann, Annabel Schumacher und Gerald Zillig.

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