BLAULICHT

Wenn der Nachbarschaftsstreit eskaliert

ks; 25.03.2023, 09:00 Uhr
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BLAULICHT

Wenn der Nachbarschaftsstreit eskaliert

ks; 25.03.2023, 09:00 Uhr
Gummersbach – Ein 39-Jähriger musste sich heute wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor dem Amtsgericht verantworten.

An eine „gute Nachbarschaft“ ist in einem Mehrfamilienhaus in Gummersbach-Dieringhausen schon seit Jahren nicht zu denken. Ruhestörungen sind an der Tagesordnung, Besuche von Polizeibeamten nichts Ungewöhnliches. Eskaliert ist die angespannte Situation im vergangenen Herbst. Am Abend des 12. September kam es im Flur des Wohnhauses nicht nur zu verbalen Attacken und Auseinandersetzungen, sondern auch zu fliegenden Fäusten. Die Prügelei endete für einen der beiden Beteiligten im Gummersbacher Kreiskrankenhaus.

 

Mark O. (Anm. d. Red.: Name geändert) musste sich heute vor dem Gummersbacher Amtsgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Sachbeschädigung verantworten. Auf rechtlichen Beistand verzichtete der 39-Jährige. „Ich wollte wissen, wer mir was in den Türzylinder gesteckt hat“, sagte der Angeklagte zu Richter Ulrich Neef. Deshalb sei er „hoch“ gegangen. „Mehr weiß ich nicht mehr. Ich bin erst wieder zu mir gekommen, als der Arzt vor mir war“, ergänzte er. Auch an die Beschuldigung, sein Nachbar hätte ihn „umgehauen“, woraufhin er die Treppe hinuntergestürzt sei, konnte sich der Angeklagte nicht sicher erinnern.

 

Bevor es zu diesem Aufeinandertreffen kam, hatten O. und seine Frau Mareike an besagtem Abend nicht nur einen Besuch von der Polizei. „Wir sind mehrfach zu dem Haus gerufen worden – wegen Ruhestörungen und Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und seiner Frau“, schilderte eine Polizistin. Zusammen mit ihrem Kollegen habe die 23-Jährige versucht zu schlichten und das Ehepaar aufgefordert, schlafen zu gehen oder zumindest die Lautstärke des Fernsehers zu reduzieren – offenbar ohne größeren Erfolg.

 

Gegen 23 Uhr ging bei der Polizei ein weiterer Anruf ein. Die Nachbarn meldeten erneut eine Ruhestörung sowie Schreie nach Hilfe. Den Rufen seiner Frau zufolge soll sich der Angeklagte seine Pulsadern abgeschnürt haben; das erzählte Andrea G., die zusammen mit ihrem Mann Sascha eine Etage über dem Ehepaar O. lebt. „Auf dem Weg zum Wohnhaus wurden wir von der Leitstelle über einen weiteren Anruf informiert“, sagte die Polizistin. Vor Ort angekommen, hörten die Beamten laute Schreie. Mark O. sei ihnen im Treppenhaus mit einem blutenden Gesicht entgegengetaumelt – womöglich nicht nur wegen der Prügelei, sondern auch aufgrund seines Alkoholmissbrauchs. Ein Atemtest, der nur wenige Minuten später durchgeführt worden war, ergab einen Wert von 1,28 Promille.

 

Mark O. ist Alkoholiker, leert am Tag eine Kiste Bier. Die drei Kinder des Ehepaars leben schon seit längerer Zeit bei seiner Schwester in Münster. Seit rund einem Jahr würde das Paar im Haus gemobbt werden, sagte Mareike O. Das belaste die Beziehung, sorge für Stress und Streit. „Durch unseren Alkohol schaukeln wir uns noch schneller hoch“, so die 31-Jährige. Auch am 12. September hätten beide Alkohol getrunken: „Ich glaube, wir hatten auch etwas Hochprozentiges dabei.“ Gegen 23 Uhr ging Mark O. rauf zu seinen Nachbarn. Auf die Frage von Sascha G., was er hier wolle, antwortete der Angeklagte mit einem gezielten Faustschlag ins Gesicht. Dabei beschädigte er auch die Brille seines Nachbarn.

 

Was folgte, war eine körperliche Auseinandersetzung. „Ich habe versucht, Herrn O. von meinem Mann wegzuziehen. Das hat nicht funktioniert“, sagte Andrea G. Der Angeklagte habe merklich nach Alkohol gestunken, einen starren Blick gehabt und sei nur schwer zu verstehen gewesen. Nach der Prügelei hätte sich O. auf den Boden gesetzt, das Ehepaar habe sich in seine Wohnung zurückgezogen. „Dann hat es zweimal geknallt“, sagte Andrea G. Beim zweiten Versuch habe O. die Tür eingetreten – und dabei einen Schaden von über 3.100 Euro verursacht. Ob der Angeklagte tatsächlich die Treppe hinuntergestürzt sei, konnte Sascha G. nicht sagen. So hätte der Angeklagte auch durch einen Schlag verletzt worden sein können. „Ich habe mich gewehrt“, sagte der 33-jährige Nachbar.

 

Der Staatsanwalt folgte der Schilderung des Geschädigten, bewertete das Auftreten der Zeugen als ehrlich: „Man hat sich da nichts geschenkt, sich gegenseitig angebrüllt. Ich gehe davon aus, dass die Aggression von Ihnen ausgegangen ist“, sagte dieser an den Angeklagten gerichtet. Dabei sei der Staatsanwalt heute nicht zum ersten Mal auf Mark O. getroffen: „Ich habe hier vor sechs Jahren schon mal gestanden. Ich kenne Sie.“ Richter Neef erinnerte an die Vorbelastungen des Angeklagten; der erste Eintrag bezog sich auf ein Verfahren wegen Diebstahls im Jahr 1999, der jüngste Eintrag stammte aus 2017. Damals wurde dem Angeklagten eine Weitergabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige vorgeworfen.

 

Die Kölner Sachverständige vermutete, dass ein Bluttest einen Promillewert von über zwei ergeben hätte, was mit einer erheblichen Alkoholisierung einhergehe. Dem gegenüber stehe allerdings die Gewöhnung an den Alkohol. „Ein gezielter Schlag ins Gesicht setzt gewisse motorische Fähigkeiten voraus“, so die Sachverständige. Eine verminderte Schuldfähigkeit kam für sie demnach nicht infrage. Richter Neef folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft, verurteilte den Angeklagten für acht Monate auf Bewährung. Neef hofft, dass auch diese Verurteilung auf Mark O. einwirkt – zumindest für einen gewissen Zeitraum. Außerdem soll er für die kommenden fünf Jahre von einem Bewährungshelfer begleitet werden – sowie unverzüglich Kontakt zur Suchtberatung der Caritas aufnehmen.

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