BLAULICHT

Opa-Mord: Verteidigung kritisiert Ermittlungsarbeit scharf und fordert Freispruch

pn; 25.10.2023, 17:30 Uhr
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Foto: Lars Weber ---- Im Prozess gegen einen 22-jährigen Gummersbacher, der sich wegen Mordes am Kölner Landgericht verantworten muss, fällt erst Mitte November das Urteil.
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Opa-Mord: Verteidigung kritisiert Ermittlungsarbeit scharf und fordert Freispruch

pn; 25.10.2023, 17:30 Uhr
Gummersbach/Köln – Am Landgericht Köln hielten heute die beiden Verteidigerinnen ihre Plädoyers – Neben ihrer Kritik an den Behörden bringen sie auch einen möglichen anderen Tatverdächtigen ins Spiel.

Von Peter Notbohm

 

Nachdem die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen Daniel H. (Anm.d.Red.: Name geändert) am Montag anhand einer Indizienkette eine lebenslange Haftstrafe wegen heimtückischen Mordes gefordert hat, hielten heute die beiden Verteidigerinnen des 22-jährigen Gummersbachers unter regem öffentlichem Interesse ihre Plädoyers. Beide sehen die Schuld ihres Mandanten nicht nachgewiesen und forderten jeweils einen Freispruch. Vielmehr warfen die beiden Juristinnen den Behörden schwere Ermittlungsfehler vor, gehen weiterhin von einem tragischen Unfall aus und brachten zudem einen möglichen anderen Verdächtigen ins Spiel.

 

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Daniel H. am 13. Juli des vergangenen Jahres seinen Großvater (83) zunächst mit einem Schlafmittel sediert und später das Wohnzimmer in dessen Dieringhausener Wohnung angezündet haben soll. Hierfür soll er ihm zehn Zopiklon-Schlaftabletten mit dem Kaffee verabreicht haben. Zwar hatte der Angeklagte seinen Opa noch aus dem vollständig verrauchten Haus herausgezogen, der vorerkrankte Mann war aber einen Tag später an den Folgen einer Rauchgasvergiftung in einem Krankenhaus verstorben.

 

Es gebe zwar durchaus Indizien, die gegen ihren Mandanten sprechen, begann Rechtsanwältin Dörthe Clemens ihr Plädoyer, „aber auch genügend, die auf den Verstorbenen, den Kettenraucher, hinweisen“. Die Ermittler hätten schließlich zahlreiche Raucherutensilien vor Ort gefunden und der 83-Jährige sei für seinen laxen Umgang bekannt gewesen. Warum Daniel H. von Anfang im Fokus der Behörden gestanden habe, sei ihr auch nach den vielen Verhandlungstagen noch immer unklar. Auch nicht, warum er „allseits als Feuerteufel“ galt. Ohne Indizien hätte man den Angeklagten bereits vor Ort als Beschuldigten belehrt, dann eine Woche später nur eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Brandstiftung angefertigt.

 

Das Verfahren habe hingegen nur zwei Dinge bewiesen, führte die Juristin weiter aus: „Mein Mandant war an dem Morgen vor Ort, aber nachweislich nicht mehr, als sich das Feuer objektiv bemerkbar machte.“ Das habe vor allem das Verhalten des Hundes bewiesen, der auf Videoaufnahmen zu sehen war. Auch habe das Verfahren nicht auflösen können, wie und wann der Brand entstanden sei. Es stehe lediglich fest, dass sich der Schwerpunkt am Standpunkt des Fernsehsessels befunden habe.

 

Anschließend hätten die Ermittler aus ihrer Sicht allerdings viele Fehler begangen. Der Tatort sei „umgeräumt“, „Schutt weggeräumt“ und dann sei nicht einmal „Wert daraufgelegt worden, den Schutt zu untersuchen“. Zudem kritisierte sie, dass die oberbergischen Brandermittler ohne Sachverständigen gearbeitet und noch nicht einmal den Tatort ausgeleuchtet hätten: „Nach den ganzen Veränderungen war für den Brandsachverständigen dann nichts mehr zu holen.“ Auch, weil die Wohnung weder richtig durchsucht noch ordnungsgemäß gesichert worden sei. Ein Beamter habe vor Gericht nur noch „keine oder falsche Erinnerungen“ gehabt, „dazu nur im Konjunktiv gesprochen“.

 

Zudem sei nur die Haustür versiegelt worden, die eingeschlagene Küchentür zur Terrasse habe dagegen nur ein Flatterband abgesperrt. Das Brandgutachten selbst zog Rechtsanwältin Petra Eßer in Zweifel, weil die Versuche, den Brand nachzustellen, mit den vor Ort gefundenen Zigaretten durchgeführt worden seien. „Diese waren durch das Feuer und das Löschwasser aber substanziell verändert und waren hierfür ungeeignet“, so die Juristin, die ebenfalls kritisierte, dass der Brandschutt nicht sorgfältiger untersucht worden war.

 

Auch der Medikamentenfund des Zopiklon bei Daniel H., den die Staatsanwaltschaft als wesentliches Indiz angeführt hatte, sei kein Tatnachweis. Vielmehr sei beim Angeklagten ein vollständiger Blister gefunden worden, während eine Angehörige später beim Aufräumen ein weiteres Blister gefunden habe, in dem vier Tabletten fehlten. „Es ist lebensfremd anzunehmen, dass es sich dabei nicht um die fehlenden Tabletten des Großvaters handelte“, so Verteidigerin Clemens. Schließlich habe es sich um ein verschreibungspflichtiges Medikament und zudem dieselbe Chargennummer gehandelt.

 

Auch ein Motiv habe Daniel H. nicht gehabt, „vielmehr hat er unter Einsatz seines Lebens seinen Opa aus dem Haus gezogen“. Stattdessen brachte die Anwältin nun wenig subtil einen anderen Verdächtigen ins Spiel. Der Halbbruder des Angeklagten und Eigentümer des Hauses sei „ein ehrenwerter Mann“ und „niemand will behaupten, dass er etwas mit der Tat zu tun hat, aber es gibt doch einiges, was gegen ihn spricht“, meinte Clemens – und wiederholte dieses Zitat während ihrer Argumentation noch etwa zehnmal.

 

Sie sprach von Manipulation innerhalb der Familie, merkwürdigen Grundbucheinträgen im Rahmen der Hausübertragung und zudem sei es seltsam, dass der Halbbruder den Angeklagten an jenem Tag zu einem Paketshop geschickt habe, obwohl das Paket noch gar nicht da gewesen sei. Auch, dass sich die Familie dagegen ausgesprochen, das 83-jährige Opfer in eine Spezialklinik verlegen zu lassen, werfe ein seltsames Licht. Das Verhältnis der Halbbrüder bezeichnete sie als „indifferent“.

 

„Wir wissen nicht genau, was passiert ist, sondern nur, dass etwas passiert ist. Das reicht nicht, um zu dem Schluss zu kommen, dass es der Angeklagte war und er ist daher freizusprechen“, schloss Verteidigerin Clemens ihr Plädoyer. Fortgesetzt wird der Prozess am 15. November. Dann bekommt Daniel H. die Gelegenheit zum letzten Wort. Zudem muss das Gericht noch über einen Befangenheitsantrag der Verteidigung entscheiden. Laut einem Medienbericht lehnt man die beiden Schöffen ab. Die ehrenamtlichen Richter sollen sich mit Beobachtern des Prozesses auf dem Gerichtsflur unterhalten haben - über den Inhalt ist allerdings nichts bekannt.

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