LOKALMIX

Naturschützer geschockt: Wiederanstau der Agger in Grünscheid

lw; 08.03.2025, 06:00 Uhr
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Fotos: Friedrich Meyer --- Der natürliche Retentionsraum, wo sich die Agger ausbreiten konnte, ist wieder überspült.
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Naturschützer geschockt: Wiederanstau der Agger in Grünscheid

lw; 08.03.2025, 06:00 Uhr
Engelskirchen – Flussgebietskoordinator sieht Versprechen gebrochen - Bezirksregierung Köln verweist auf die erfolgten Sanierungen durch den Betreiber.

Von Lars Weber

 

2019 wurde die Stauanlage Ohl-Grünscheid stillgelegt. Das Wehr war zu marode, es herrschte Gefahr in Verzug. Da sich an der Anlage nicht so schnell etwas tat, durfte die Agger seitdem frei fließen – und die Flusslandschaft entwickelte sich prächtig. Für Naturschützer wie Friedrich Meyer, Wassernetz-NRW Flussgebietskoordinator für die Agger, oder den BUND zeigte dieses Beispiel, dass man der Agger überall ihren Platz geben sollte. Sie kämpfen seit Jahren für einen Rückbau der aus ihrer Sicht unrentablen Wasserkraftwerke. Zumindest die frei fließende Agger bei der Anlage Ohl-Grünscheid schien noch eine Weile gesichert, obwohl der Betreiber zwischenzeitlich viel Geld in das Bauwerk gesteckt hatte. Wichtige Überprüfungen standen noch aus. Nun wurde der Anstau vergangene Woche für die Naturschützer unvermittelt aufgenommen. Meyer ist entsetzt, die sich selbst renaturierte Auenlandschaft ist zerstört.

 

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Dabei, so teilt Meyer mit, hieß es Ende Dezember noch aus dem Umweltministerium in einem Schreiben an den BUND NRW Regionalgruppe Köln, dass der erneute Anstau erst erfolgen dürfe, wenn „die sicherheitsrelevanten Nachweise der vertieften Überprüfung vollständig geprüft vorliegen“ sowie gewässerökologische und naturschutzfachliche Anforderungen bezüglich des Wiedereinstaus in einem Verfahren geprüft seien. Für die vertiefte Überprüfung nötig ist das „Niederschlag-Abfluss-Modell“ des Aggerverbands, der dieses aber noch nicht fertig hat. Mit der Aussage des Ministeriums sei das Versprechen der vormaligen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser von 2021 bestätigt worden, so Meyer. Diese Vorgehensweise hatten Ministerium und Bezirksregierung in der Vergangenheit auch gegenüber OA bestätigt (OA berichtete).

 

Nun hört man andere Töne von der Bezirksregierung Köln, dort konzentriert man sich darauf, dass die nötigen baulichen Maßnahmen von der Aggerkraftwerke GmbH geleistet worden seien. „Der Abstau der Staustufe Ohl-Grünscheid wurde aufgrund einer akuten Gefährdungslage verfügt. Zwischenzeitlich wurde das sanierungsbedürftige Segmentwehr ausgetauscht und  geprüfte Statiken des Stahlwasser- und des Massivbaus vorgelegt“, heißt es in einer Antwort auf die OA-Anfrage. „Die ursprünglich durch das marode Segmentwehr gegebene Gefährdungslage ist damit beseitigt und die Staustufe Ohl-Grünscheid kann wieder in Betrieb genommen werden.“

 

[Die Agger vor der Wiederanstauung - und danach.]

 

Um während des Wiedereinstaus der Stauanlage die Sicherheit der Anlieger zu gewährleisten, führe der Betreiber in Abstimmung mit der Bezirksregierung Köln ein Probestauprogramm durch. „Anforderungen an die ökologische Verträglichkeit des Wiedereinstaus wurden gegenüber dem Betreiber mit einer Ordnungsverfügung formuliert.“ Damit solle sichergestellt werden, dass es zu keiner Beeinträchtigung des Wasserhaushalts der Agger kommt. „Um das Verbot der Tötung streng geschützter Arten zu wahren, findet der Wiedereinstau momentan statt“, so die Bezirksregierung am Mittwoch. 

 

Fragen nach der vertieften Überprüfung mit dem Niederschlag-Abfluss-Modell ließ die Bezirksregierung unbeantwortet. „Die Tatsache, dass die vertiefte Überprüfung noch nicht abgeschlossen sei, spiele keine Rolle, weil ansonsten ja unzählige andere Stauanlagen in NRW niedergelegt werden müssten“, glaubt Meyer, dass die Bezirksregierung einen Rechtsstreit mit dem Betreiber vermeiden wollte.

 

Strom werde aber noch nicht wieder erzeugt. „Der Betreiber hat weiterhin das Recht, Strom zu erzeugen. Ab wann dies wieder der Fall sein wird, hängt vom Betreiber der Anlage und dem Zufluss ab“, so die Bezirksregierung weiter. Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW sei ins Verfahren miteingebunden gewesen.

 

„Wir Naturschützer und Angler, die für eine freifließende Agger und die Wiederherstellung des natürlichen Lebensraums eintreten, fordern Minister Krischer auf, unmittelbar Ernst zu machen mit der Ankündigung, die schon 2012 gegenüber den Wasserkraftbetreibern an der Agger gemacht wurde.“ Diese beinhalte, die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes einzufordern: die Mindestwasserführung, die Durchgängigkeit für Organismen und Sedimente (Geschiebe) und den Fischschutz. „Da dies Millionen kosten würde und in keinem Verhältnis zum Ertrag der Anlagen stünde, ist die einzige sinnvolle und realistische Perspektive, die Anlagen zurückzubauen und die Agger zu renaturieren“, so Meyer.

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