KULTUR

Musik voller Hoffnung und Zuversicht

vma; 22.10.2022, 14:00 Uhr
Fotos: Vera Marzinski --- Das Projekt „Lebensmelodien“ soll den während des Holocausts ermordeten jüdischen Menschen eine Stimme geben.
KULTUR

Musik voller Hoffnung und Zuversicht

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vma; 22.10.2022, 14:00 Uhr
Wiehl – Das Projekt „Lebensmelodien“ machte in der Wiehltalhalle Station und berührte das Publikum mit jüdischer Musik, die aus der Zeit der Shoah stammt.

Von Vera Marzinski

 

In der Wiehltalhalle ließ das Ensemble um den Klarinettisten und künstlerischen Leiter Nur Ben Shalom „Lebensmelodien“ erklingen und beeindruckte mit insbesondere aus der Zeit der Schoah stammender jüdischer Musik. Im Vordergrund des Projekts steht die Bewahrung von Erinnerungen durch Musik und ihre Umwandlung in eine „lebendige Erinnerung“.

 

Hinter den Lebensmelodien, die im Zeitraum 1933 bis 1945 komponiert oder gesungen wurden, verbergen sich die Lebensgeschichten jüdischer Schicksale. „Lebensmelodien“, die an die Vernichtung der Juden erinnern. Aber auch Musik voller Hoffnung und Zuversicht. Nur Ben Shalom sammelte diese Melodien und die Geschichten dazu. Der Freundeskreises Wiehl-Jokneam konnte dieses ungewöhnliche Projekt, das vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, gefördert wird und unter dessen Schirmherrschaft steht, nach Wiehl holen.

 

[Das Ensemble mit Judith Dürr-Steinhardt, Vorsitzende des Freundeskreises Wiehl-Jokneam, und Bürgermeister Ulrich Stücker nach dem Konzert.]

 

Klein konnte nicht persönlich anwesend sein, meldete sich aber per Videobotschaft. „Die Melodien, die hier erklingen, erzählen abwechselnd von Hoffnung und Verzweiflung, von Abschiednehmen und von tiefer Gläubigkeit. Musik war und ist schon immer ein unverzichtbarer Bestandteil jüdischen Lebens.“ Sie spreche jedoch nicht nur Juden und Jüdinnen an, sie bewege uns alle, so Klein. Sie sei Erinnerung, Mahnung und Kunstgenuss.

 

In ihrer Begrüßung wies Judith Dürr-Steinhardt, Vorsitzende des Freundeskreis Wiehl-Jokneam, darauf hin, dass „Lebensmelodien“ an zehn Orten in Deutschland stattfinden würde – Wiehl sei einer davon. „Diese Veranstaltungen richten den Blick in die Vergangenheit“, betonte sie. Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker hob zwei weitere Aspekte hervor: „Erstens die Erinnerung und zweitens: Was lerne ich aus Erinnerung?“ Erinnern sei die Grundlage für Versöhnung und Frieden. Die Städtepartnerschaft zwischen Wiehl und Jokneam, die seit über 30 Jahren besteht, sei praktizierte Friedensarbeit.

 

Das „Nimrod Ensemble“ mit Nur Ben Shalom (Klarinette), Christophe Horak (Violine) und Francesca Zappa (Viola) sowie zusätzlich Susanne Szambelan (Cello), Oscar Bohorquez (Violine) Michael Cohen-Weissert (Flügel und Arrangeur der Stücke) und Isidoro Abramowicz (Gesang) trug die „Lebensmelodien“ vor. Durch die Texte, die Gunter Schoß las, berührten sie noch mehr. So galt Schaul Jedidjah Elasar Taub als einer der kreativsten jüdischen Komponisten - von ihm stammte auch das melancholische „Wilnaer Niggun“.

 

[Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, sprach per Video zu den rund 100 Gästen in der Wiehltalhalle.]

 

Rabbi Kalonimus Kalmish Shapira befand sich im Warschauer Ghetto. Seine Predigten konnten bewahrt werden – die Sammlung wurde als Ringelblumenarchiv bekannt. Zu dieser Erinnerung spielten die Musiker „Der Heilige Niggun“ von Kosnitz-Karlin. Erzählungen von Menschen, die zu einem Massengrab geführt wurden und dabei tanzten und sangen. Das „Szól a kakas már“ (Schon kräht der Hahn) von Rabbi Jitzchak Eisik von Kaliv wird von den ungarischen Chassidim bis heute gesungen. Viele berührend-traurige Melodien, aber auch fröhliche, mutmachende Stücke präsentierten die Musiker mit viel Brillanz.

 

Was sehr deutlich wurde: Musik kann viel, macht Mut, vereint in der Einsamkeit. Wie diese „Lebensmelodien“, die in den unmenschlichsten Situationen der Verfolgung und Ermordung, zwischen Leben und Tod, entstanden sind. Die Musik hat geholfen, in den Ghettos und Lagern zu überleben – oder auch von dieser Welt Abschied zu nehmen. Auf der Suche nach den sehnsuchtsvollen Klängen der Hoffnung hat Nur Ben Shalom besondere Musikstücke gefunden. Er selbst ist als Nachkomme einer Familie, die den Holocaust überlebt hat, vor zwölf Jahren aus Tel Aviv nach Berlin gekommen. In Archiven suchte er Kompositionen und die Lebensgeschichten dahinter.

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