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Eltern laufen Sturm gegen OGS-Beiträge

lw; 11.03.2021, 15:30 Uhr
Symbolfoto: Luisella Planeta Leoni auf Pixabay
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Eltern laufen Sturm gegen OGS-Beiträge

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lw; 11.03.2021, 15:30 Uhr
Oberberg – In manchen Kommunen sollen die Eltern für die Offene Ganztagsschule zahlen, obwohl dort nur Notbetreuung angesagt ist – Lindlarer starten Petition.

Von Lars Weber

 

Bei Eltern, die das Angebot der Offenen Ganztagsbetreuung (OGS) an einer der fünf Lindlarer Grundschulen nutzen, sind am Montag die Gebühren eingezogen worden. In normalen Zeiten nichts Besonderes. Doch gerade läuft in der OGS überall nur die Notbetreuung, nach wie vor bittet das Land die Eltern, ihre Kinder nur zu bringen, wenn dies unbedingt sein muss. Bislang sprang die Landesregierung auch in die Bresche und setzte OGS-Beiträge aus, was die Kommunen an die Eltern weitergaben. Nun hat sich das Land aber für Februar nicht dazu entscheiden können. Und für März wurden die Gebühren nun regulär eingezogen. „Wir sollen für eine Leistung zahlen, die viele gar nicht in Anspruch nehmen“, sagt Nadine Spiegel, Schulpflegschaftsvorsitzende an der Grundschule Lindlar Ost. Dort regt sich Widerstand gegen die Gemeinde und das Land.

 

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Für Februar fielen laut Mitteilung der Gemeinde Lindlar noch keine Gebühren an, weil diese mit den bereits bezahlen Januar-Beiträgen verrechnet wurden. Im laufenden Monat wurde dafür wieder begonnen, regulär einzuziehen. Die Gemeinde Lindlar könne nicht von sich aus auf die Einnahmen von rund 33.000 Euro im Monat aus den OGS-Gebühren verzichten, da die Personalkosten weiterliefen und sich die Gemeinde darüber hinaus in der vorläufigen Haushaltsführung befindet. „Da wäre ein freiwilliger Verzicht bedenklich“, sagt Bürgermeister Dr. Georg Ludwig auf Nachfrage. „Wir müssen die Strukturen aufrechterhalten.“ Kurzarbeit für das OGS-Personal, wie von manchen Eltern im Netz gefordert, lehnt er ab mit Verweis auf die geringe Höhe des Gehalts. „Wir würden schnell Personal ganz verlieren.“

 

So viel zahlen Eltern für die OGS in Lindlar

 

Die Beiträge sind in einer Satzung festgehalten und richten sich nach dem Einkommen der Eltern. Bei einem Jahreseinkommen bis 19.000 Euro zahlen die Eltern für ein Kind 30 Euro Gebühren im Monat. Bei einem mittleren Jahreseinkommen bis 49.000 Euro sind es 64 Euro. Eltern mit hohem Einkommen über 97.000 Euro zahlen 190 Euro. Unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel bei einer regelmäßigen Teilnahme bis 15 Uhr, reduziert sich der monatliche Beitrag nochmal.

 

Entscheide sich das NRW-Familienministerium noch anders und erstatte den Kommunen einen Teil der ausgefallenen Gebühren, möchte die Gemeindeverwaltung diese Entlastung natürlich an die Eltern weitergeben. Essensgeld, das ebenso mit eingezogen werde, würde aber zurückerstattet. „Wie so oft in der Pandemie gibt es keine ideale Lösung“, sagt der Bürgermeister, der den Appell aufrechterhält, wenn möglich die Kinder im Sinne des Pandemieschutzes nicht in die OGS zu geben. Mancherorts sei die Betreuung allerdings auch schon zu 70 Prozent wieder ausgelastet.

 

Nicht jede Kommune hat sich so entschieden. In Marienheide beispielsweise wird auf die Erhebung weiter verzichtet. In Gummersbach steht das Thema auf der Tagesordnung der heutigen Ratssitzung. Man habe sich vorher zwar abgestimmt. „Aber es gibt eben in jeder einzelnen Kommune unterschiedliche Sichtweisen und vor allem unterschiedliche finanzielle Lagen“, sagt Ludwig weiter.

 

Hilfe von der Gemeinde

 

Befinden sich Familien in finanziell schwierigen Verhältnissen oder liegen Notsituationen vor, sollen sich die Eltern an das Schulamt wenden, sagt Bürgermeister Dr. Georg Ludwig. Dort wurden in verschiedenen Fällen bereits individuelle Lösungen gefunden, wenn Beiträge nicht oder nicht komplett geleistet werden konnten. Diese Möglichkeit sei auch jetzt möglich.

 

Mehr als 50 Kommentare hat der Facebook-Eintrag der Gemeinde Lindlar inzwischen zu dem Thema. Den Tenor fasst Nadine Spiegel zusammen: „Seit Beginn der Pandemie haben wir Eltern alles mitgemacht. Die Kitas machten zu. Wir betreuten die Kinder zu Hause. Die Schulen machten zu. Wir machten zu Hause Homeschooling. Wir sollten unsere Kinder nicht in die OGS schicken, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Auch das haben wir mitgemacht. Manche bei Kurzarbeit oder im HomeOffice.“ Aber der Einzug der Gebühren am Montag habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Kommunikation sei unzureichend gewesen. „Wir Eltern wollen nicht alles hinnehmen, wir wollen erhört werden.“

 

Das Thema gehe nicht nur die Eltern in Lindlar oder im Oberbergischen etwas an, sondern im ganzen Land. „Deshalb“, so Susanne Leitzen von der Schulpflegschaft der Lindlarer Grundschule, „haben wir online eine Petition gestartet. Wir wollen nicht tatenlos bleiben.“ Die Idee wurde von ihr und Nadja Brückner in die Tat umgesetzt. Die digitale Unterschriftenliste findet sich auf der Plattform OpenPetition und richtet sich direkt an die Landesregierung. Sechs Wochen läuft die Aktion. Werden 29.000 Unterschriften gesammelt, werde die Petition ans Land weitergereicht, erklärt Susanne Leitzen. „Wir wollen zeigen, dass wir Eltern uns nicht alles gefallen lassen.“

 

Kommunale Spitzenverbände kritisieren Land scharf

 

Die Städte, Kreise und Gemeinden drängen auf eine Entscheidung des Landes zur Finanzierung der Elternbeiträge für Kitas und die Offene Ganztagsschule im Februar. Die Hauptgeschäftsführer des Städtetages NRW, Helmut Dedy, des Landkreistages NRW, Dr. Martin Klein, und des Städte- und Gemeindebundes NRW, Christof Sommer, sagen dazu in einer Mitteilung, dass das Land die Kommunen und die Eltern im Stich ließe.

 

Gerade jene Eltern, die ihre Kinder ob des Appells der Regierung zu Hause betreut hätten im Februar, hätten die Erwartung, dass die Kommunen auf die Gebühren für Kita und Offene Ganztagsschule verzichten. „Diese Erwartung können die Kommunen aber nicht ohne Unterstützung des Landes erfüllen. Die Eltern würden es dann aber nicht verstehen, wenn sie in finanzschwachen Kommunen zahlen müssten, während Eltern in anderen Kommunen von der Beitragszahlung befreit werden.“

KOMMENTARE

1

Richtig, dass die Eltern „Sturm laufen“! Wir haben lange genug still gehalten. Ich sehe es sehr wohl ein, mein Kind bei einem Inzidenzwert von über 100 zu Hause zu lassen- keine Frage. Ich handle verantwortlich- wie viele Eltern. Der Einzug der Gebühren ist der Dank dafür. Im Vorfeld hätte darüber kommuniziert werden müssen - hier mangelt es an Transparenz seitens der Gemeinde Lindlar!

Aki, 11.03.2021, 15:42 Uhr
2

“ Kurzarbeit für das OGS-Personal, wie von manchen Eltern im Netz gefordert, lehnt er ab mit Verweis auf die geringe Höhe des Gehalts. „Wir würden schnell Personal ganz verlieren.“ Herr Dr. Ludwig, in welcher Welt leben Sie eigentlich? Das ist ein schlag ins Gesicht der Millionen Beschäftigten in der Gastronomie und im Einzelhandel.

Peters, 11.03.2021, 16:13 Uhr
3

Wir zahlen auch seit X Monaten den Busverkehr für Schüler der auch nicht stattfindet und müssen diesen weiterbezahlen weil die Ovag in ihren AGbs kein Corona vorsieht also
klar ist das Ärgerlich aber Man kann nicht immer Erwarten das andere meine Rechnung zahlen.

Torsten, 11.03.2021, 17:14 Uhr
4

Erst einmal einen ganz lieben und ehrlich gemeinten Dank an die Eltern, welche es trotz widriger Umstände geschafft haben, ihre Kinder zu Hause oder anderweitig zu betreuen.
Zudem habe ich großes Verständnis für den Ärger der Eltern in Bezug auf die jetzt eingezogenen Beiträge.
@ Peters : Gastronomie und Einzelhandel durften auf Grund der Pandemie nicht öffnen. Die pädagogische Betreuung fand jedoch das ganze Jahr über statt. Dieses von 7:30 Uhr bzw. 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr. Da empfinde ich die Forderung nach Kurzarbeitergeld für die OGS Mitarbeiter*innen für mich persönlich als Schlag in MEIN Gesicht!

Gerne hätten einige ältere oder vorerkrankte Kolleg*innen Home Office gemacht...ist aber in unserem Job nicht möglich. Abstand halten...trösten auf Distanz - nicht möglich!

Bibi, 11.03.2021, 18:14 Uhr
5

Politik fernab der Realität. Die Bürger dürfen es zahlen. Spannende Jahre warten auf uns.

Lindegard Solström, 11.03.2021, 18:30 Uhr
6

Das ist richtig das die Eltern Sturm laufen...

Martina Reschka , 11.03.2021, 18:59 Uhr
7

Ich glaube, die Ursache für diese überhaupt nicht nachvollziehbare Aktion ist ganz klar bei der imho unfähigen Landesregierung in Düsseldorf zu suchen. Die Lindlarer Verwaltung kann offensichtlich nichts dafür, ihr sind die Hände gebunden.

Thomas Döpp, 11.03.2021, 23:18 Uhr
8

Wir Familien haben halt keine Lobby.
Wenn ich mir angucke, was wir alles leisten durften und dürfen, wird mir anders.
Die Aussage, dass durch Kurzarbeit OGS-Personal verloren geht, zeigt mal wieder wie wenig geerdet einige von unseren Politkern sind. Jeder von uns musste während Corona sein Päckchen tragen.

Der Olli, 12.03.2021, 06:09 Uhr
9

Wer Leistungen in Anspruch nimmt sollte auch dafür zahlen. Die Eltern die ihre Kinder zu Hause betreuen nicht. Denn wer die Notbetreuung nutzt, hat ja auch einen Nutzen davon. Es wird vielleicht auch mal Zeit, dass Eltern die Betreuung als eine erbrachte Dienstleistung und nicht als selbstverständlichen "Dienst" sehen. Wer einmal einen Tag mit einer Grundschulklasse verbracht hat weiß wovon ich rede. @peters: Einzelhandel und Gastronomie sind geschlossen, die Schulen bzw die (Not) Betreuung ist schon über die gesamte Zeit offen. Wie können Sie Eier mit Birnen vergleichen. Den Schlag den Sie verspüren den kann ich absolut verstehen aber den sollten Sie an anderer Stelle monieren, das gehört nicht in diesen Kontext. ( LG von einer Pflegschaftsvorsitzenden, Erzieherin und 5-fachen Mutter)

DC, 12.03.2021, 07:14 Uhr
10

Es ist gut, dass sich die Eltern gegen diesen Akt moderner Piraterie wehren. Es kann nicht sein, daß die Gelder aus der Kinderbetreuung zur Haushalt Sanierung genutzt werden. Zu bedenken ist noch, wieso sind die Löhne von Beschäftigten so niedrig, daß für die Mitarbeiter keine Kurzarbeit möglich ist.

Pia Brückner, 12.03.2021, 08:49 Uhr
11

Danke, Herr Dr. Ludwig, Sie haben mit Ihrer Aussage in Bezug auf das OGS Personal den Nagel auf den Kopf getroffen! Dass Pädagogische Fachkräfte unterbezahlt sind, dürfte hinlänglich bekannt sein.
Zudem gibt es in der OGS nur Teilzeitstellen, da in der Regel die Betreuung erst mittags beginnt. Zur Zeit fangen OGS Mitarbeiter*innen jedoch bereits am Morgen die Kinder auf, welche gerade keinen Präsenzunterricht haben und leisten das ganze Jahr über hochwertige, pädagogisch wertvolle Arbeit! Die Forderung nach Kurzarbeit erscheint mir in keiner Weise schlüssig und rechtfertigt!

Bibi, 12.03.2021, 15:18 Uhr
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