BLAULICHT
„Die schlimmsten kinderpornografischen Inhalte, die es gibt“
Waldbröl – 24-Jähriger gab den Besitz verbotener Videos und Bilder zu – Er hatte sich schon vor dem Prozess in Therapie begeben – Hohe Geld- und Bewährungsstrafe.
Von Lars Weber
Allein die nüchterne Beschreibung der Tatvorwürfe während der Anklage durch die Staatsanwaltschaft klang eigentlich unfassbar. Als „widerlich“ und „sehr krass“ beschrieben unter anderem der Verteidiger und der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts, Richter Carsten Becker, die Inhalte der Videos, die der Angeklagte Kevin T. (Anm.d.Red. Name geändert) besessen haben soll, bevor sich Richter Becker selbst verbot, die „Olympiade der schlimmen Adjektive“ fortzuführen. Vorgeworfen wurde dem 24-Jährigen aus der Gemeinde Reichshof die Beschaffung und eben der Besitz von mehr als 150 jugend- und kinderpornografischen Dateien, elf davon Videos, in denen Kinder, Kleinkinder und sogar Säuglinge vor die Kamera gezwungen und sexuell missbraucht werden. Kevin T. bekannte sich schuldig – er entkam nur knapp einer Haftstrafe ohne Bewährung.
Zwischen dem 28. November 2022 und dem 25. Mai des vergangenen Jahres soll Kevin T. die Dateien im Internet abgerufen und besessen haben, nachdem er sie mithilfe einer Videosoftware mitgeschnitten und abgespeichert haben soll. Auf die Spur kam die Polizei dem 24-Jährigen über ein anderes Verfahren, bei dem Telefonnummern aus einer WhatsApp-Gruppe überprüft wurden. In dieser Gruppe sollen auch Links zu kinderpornografischen Dateien geteilt worden sein. Es folgte eine Hausdurchsuchung bei dem Reichshofer, der heute vor Gericht die Vorwürfe einräumte.
In der Folge des Geständnisses versuchten sich Richter Becker, die Staatsanwaltschaft und auch die Verteidigung ein umfassendes Bild des unscheinbaren jungen Mannes zu machen. Wie kam er an die Videos, war ihm bewusst, was er da schaut? „Ich habe die Pornos nicht als real angesehen“, sagte Kevin T. zu Beginn des Prozesses. Bevor er sich solche Videos angeschaut habe, habe er zu „normalen“ Pornos mit erwachsenen Frauen masturbiert. „Aber das ist ja schon ein Widerspruch zu dem, was bei ihnen gefunden wurde“, so Richter Becker. „Da wird Gewalt ausgeübt gegen Kleinkinder und Babys.“
Wirklich auflösen konnte der 24-Jährige diesen Widerspruch nicht, der sich Anfang des Jahres selbst in therapeutische Behandlung gegeben hat, auch wenn diese aufgrund der langen Wartezeiten noch nicht bei einem ausgebildeten Psychologen erfolgt. „Mein Therapeut sagt, dass normale Pornos mich nicht mehr erregt haben, und ich deshalb nach etwas anderem gesucht habe.“
Inzwischen habe er begriffen: „Das sind Kinder in den Videos, das ist abartig, ich finde mich selbst eklig. Ich bin froh, erwischt worden zu sein, und dass ich mir Hilfe geholt habe.“ Er sagte aus, dass er sich in der Zeit, wo er sich die Videos angeschaut habe, gar keine Gedanken darüber gemacht habe, dass das strafbar sein könnte. Dann habe plötzlich die Polizei in der Wohnung seiner Eltern gestanden, wo er selbst auch noch wohnt und er habe gedacht: „Scheiße!“. Dass der Besitz der Dateien nicht nur strafbar ist, sondern ihm sogar Gefängnis droht, habe ihm sein Anwalt eröffnet. „Er war sehr geschockt“, so sein Verteidiger. Kevin T. entschuldigte sich für seine Tat.
In Erscheinung getreten ist Kevin T. vorher noch nicht. Er geht einer geregelten Arbeit nach, verbringt seine Zeit ansonsten aber sehr isoliert. Er wohnt noch immer in seinem Kinderzimmer, spielt Videospiele, beschäftigt sich mit Animes. Wirkliche Freunde habe er nicht, schon gar keine Freundin, obwohl er sich dies wünsche. Zusammen mit seinem Therapeuten arbeite er nicht nur daran, wie er mit seinen sexuellen Neigungen umgehen soll, sondern auch daran, seine Selbstakzeptanz zu erhöhen, um besser auf andere Menschen zugehen zu können, erzählte er.
Dass er sich freiwillig mit der Tat und sich selbst auseinandergesetzt habe, rechnete die Staatsanwaltschaft dem jungen Mann an. Ebenso wie sein Geständnis und die Tatsache, dass keine Vorstrafen existieren. Aber: „Die Art der Inhalte, die Sie besessen haben, das sind die schlimmsten kinderpornografischen Inhalte, die es gibt. Das sind schwere Missbräuche!“ Und der Angeklagte habe diese Videos über zehn Monate geschaut, dies sei kein Versehen gewesen oder ein einmaliger Ausrutscher. Die Staatsanwaltschaft forderte zehn Monate auf Bewährung, außerdem eine Zahlung über 1.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Die Therapie solle er fortführen und einen Bewährungshelfer an die Seite gestellt bekommen. Die Verteidigung schloss sich weitestgehend der Staatsanwaltschaft an. Sein Mandant habe „Gestaltungsprobleme im Leben“, den Lebensweg verbauen sollte man ihm aber nicht.
Die „Dimension des Unrechts“, das sich hinter diesen Dateien verberge, die Kinder und Jugendlichen, die massiv und für ein Leben lang geschädigt werden, waren mit ausschlaggebend dafür, dass Richter Becker und seine Schöffen eine höhere Strafe festlegten. Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung nach Erwachsenenstrafrecht und eine Geldstrafe über 4.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung mit dem Thema Kinderschutz, so lautete das Urteil. Die Therapie soll Kevin T. fortführen, außerdem bekommt er einen Bewährungshelfer an die Seite gestellt. „Diese Aufnahmen der Opfer bleiben für immer im Netz. Wir wollen mit dem Urteil ein Zeichen setzen, dass wir solch ein Verhalten nicht akzeptieren.“ Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht, sodass das Urteil rechtskräftig ist.
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