LOKALMIX
Stimmung in Kliniken: „Die Lage ist zermürbend“
Oberberg – Krankenhäuser berichten von einem Jahr mit der Pandemie – Dritte Welle sorgt für Anspannung – Testmöglichkeiten für Bürger.
Von Lars Weber
Mehr als ein Jahr hat die Pandemie Deutschland inzwischen im Schwitzkasten. Besonders im Blickpunkt: Die Arbeit der Krankenhäuser und die Beschäftigten vor Ort. Auch der neuerliche Lockdown wurde beschlossen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems angesichts steigender Infektionszahlen und der Ausbreitung verschiedener Mutationen zu verhindern. Wie ist die Situation gerade in den Krankenhäusern? Wie sehr steckt das erste Corona-Jahr in den Knochen und den Köpfen? OA hat nachgefragt.
Wie geht es dem Personal nach einem Jahr Arbeit mit Covid-19?
Die Covid-Patienten bedeuten schon allein aufgrund der Isoliermaßnahmen und den noch strengeren Hygieneregeln einen deutlich erhöhten Aufwand, heißt es aus den Standorten des Klinikum Oberberg. Dr. Jörg Niehüser-Saran, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Kreiskrankenhaus Waldbröl, berichtet, dass Ärzte und Pflegekräfte erschöpft wirkten. Dazu trage auch bei, dass die Covid-Patienten eine hohe Mortalität haben. „Das frustriert das Personal.“ Zudem seien therapeutisch keine guten, neuen Optionen in Sicht. Belastend sei weiter, dass es durch die strengen Regelungen schwierig ist, Angehörigen die Begleitung der sterbenden oder schwerkranken Angehörigen zu ermöglichen.
„Die Lage ist zermürbend“, so Dr. Roland Adelmann, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Kreiskrankenhaus Gummersbach, weiter. „Teils warten wir auf die dritte Welle der Covid-19-Intensivpatienten, teils kommen Patienten viel zu spät aus Angst vor einer Ansteckung zum Arzt.“ So zum Beispiel Schlaganfallpatienten, Patienten mit Tumoren oder chronischen Entzündungen. „Jeder ist froh, wenn die Pandemie vorbei ist“, berichtet Prof. Dr. Franz Blaes, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kreiskrankenhaus Gummersbach, aus seinem Team.
Das Personal der Helios Klinik Wipperfürth habe sich laut Sprecherin Janine Schulze gut auf den Umgang mit Covid-19-Patienten und die dadurch hervorgerufenen Umstände eingestellt. Mit einem Ampelsystem, bei dem alle Patienten, die zur stationären Aufnahme gelangen, mittels PCR-Test auf SARS-CoV-2 getestet werden, habe ein Ausbruchsgeschehen sowohl unterhalb der Patienten als auch unterhalb des Personals bislang verhindert werden können.
Kostenlose Tests - auch für Kinder
An den beiden Kreiskrankenhäusern in Gummersbach und Waldbröl werden Testzentren für Bürgertestungen betrieben. In Waldbröl sind die Schnelltests in einem Drive-in auf dem Parkplatz des Kreiskrankenhauses möglich. In Gummersbach befindet sich die Teststelle auf der Rückseite des Krankenhauses. Die Schnelltests sind kostenlos. Termine können online gebucht werden. Das Testergebnis kommt per E-Mail. Auch Kinder können mit dem Einverständnis der Eltern getestet werden. „Wir verwenden Tests, die auch in Schulen zum Einsatz kommen, sodass der Abstrich nur im vorderen Teil der Nase genommen wird.“ In Wipperfürth soll das Testzentrum vermutlich nach Ostern an den Start gehen. Informationen über die Testmöglichkeiten am Krankenhaus in Engelskirchen gibt es hier.
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[Am Krankenhaus in Waldbröl gibt es eine Drive-In-Teststation.]
Die dritte Welle läuft: Wie ist die Auslastung der Covid-Stationen momentan?
Die Zahl der stationär behandelten Covid-19-Patienten in Wipperfürth sei seit etwa drei Wochen wieder leicht angestiegen (Hier gibt es jeden Tag aktuelle Zahlen). „Personell sind wir zum jetzigen Stand auch weiterhin gut auf die Situation eingestellt und in der Lage, unsere Patienten ärztlich wie pflegerisch optimal zu versorgen.“
Die Belegung in den Krankenhäusern in Gummersbach und Waldbröl sei seit Mitte Februar leicht rückläufig. Das trifft auch auf die Belegung der Intensivstationen zu, die zum Jahreswechsel mit der Versorgung Covid-19 Erkrankter hoch beansprucht waren. „Aber: Die dritte Welle hat bereits begonnen. Wir beobachten ein Anwachsen der Infiziertenzahlen. In wenigen Wochen werden die schweren Krankheitsverläufe die Krankenhäuser erreichen“, teilt Klinikum-Oberberg-Sprecherin Angela Altz mit.
Der Lockdown geht in die Verlängerung: Eine gute Entscheidung?
Aufgrund einer deutlichen Zunahme der Neuinfektionen – insbesondere mit der britischen Mutante B.1.1.7 – sei eine Eindämmung des Infektionsgeschehen zwingend erforderlich, heißt es seitens des Klinikums Oberberg. „Andernfalls sehen wir in wenigen Wochen ein starkes Ansteigen der Patienten im Krankenhaus und den Intensivstationen mit der ernsten Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems.“ Prof. Dr. Blaes appelliert deshalb, dass die Kontaktbeschränkungen ernst genommen und eingehalten werden, um die dritte Welle einzudämmen.
In Wipperfürth sieht man das nicht anders. „Um eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden, sind weiterbestehende Lockdown-Maßnahmen unausweichlich.“ Nur so sei es möglich, weiterhin eine professionelle Behandlung zu garantieren und eine Überlastung des Klinikpersonals zu verhindern.
Nachdem nun viele Ü80-Jährige geimpft sind: Wie ist die Altersstruktur der behandelten Patienten?
In der Hansestadt werde – wie auch im bundesweiten Trend – eine Zunahme der Covid-19-Patienten zwischen 50 und 70 Jahren beobachtet. „Die erfolgten Impfungen der Über-80-Jährigen scheint sich in diesem Zusammenhang positiv auf Krankheitsverläufe in dieser Altersklasse auszuwirken.“ Das bestätigt auch Dr. Robert Hoffmann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Kreiskrankenhaus Gummersbach. Die britische Mutante breite sich deutlich schneller unter jüngeren Menschen aus. „Aber schon in den ersten beiden Wellen waren auch junge Menschen schwer von Covid-19 betroffen.“ Der Krankheitsverlauf, die Symptome und der Schweregrad haben sich indes nicht verändert. „Wer wegen Covid19 ein Krankenhaus braucht, ist schwer krank.“
Impfungen des Personals
Etwa 60 Prozent der Beschäftigten bei Klinikum Oberberg sind inzwischen geimpft. Einige Zweitimpfungen sind noch ausstehend sowie Impfungen bei Personen höherer Priorisierungsgruppen. In Wipperfürth liege die Quote zwischen 60 und 80 Prozent. Über die Zeit habe sich die Impfbereitschaft erhöht, nachdem erste Erfahrungen mit dem Impfstoff vorlagen. „Noch immer befinden sich Mitarbeiter der Klinik auf der Warteliste und wir hoffen, dass diese gemäß der Priorisierungsstufe bald geimpft werden können“, heißt es seitens der Klinik.
