LOKALMIX

Die Hoffnung: Oberberg noch lange weiter FAIRsorgen

lw; 01.03.2024, 20:00 Uhr
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Foto: Lars Weber --- Wenn ein Patient seinen Blutdruck misst, landen die Werte geradewegs beim Arzt auf dem Tablet. Moderne Methoden und viel Empathie sind Teil des Projekts Oberberg FAIRsorgt, auf das Kreisdirektor Klaus Grootens (v.li.), Projektleiterin Dr. Jessica Möltgen, Daniel Vankerkom (AOK Rheinland/Hamburg), Dr. Alexia Zurkuhlen (Gesundheitsregion Köln/Bonn), die koordinierende Ärztin Dr. Nesrin Wilke, Fallmanagerin Gabriele Grümer und (sitzend) Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach stolz sind.
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Die Hoffnung: Oberberg noch lange weiter FAIRsorgen

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lw; 01.03.2024, 20:00 Uhr
Oberberg – Förderphase des medizinischen Pilotprojekts endet – Bis zum Ende des Jahres geht es mindestens weiter – Verantwortliche wollen Modell am liebsten dauerhaft etablieren.

Von Lars Weber

 

Mit großen Ambitionen war Oberberg FAIRsorgt vor rund drei Jahren nach langer Vorbereitung in die praktische Phase gestartet. Das Pilotprojekt versucht nicht weniger als die medizinische Versorgung älterer Menschen, die so lange in den eigenen vier Wänden leben möchten wie möglich, ganz neu zu denken. Ein kurzer Draht zu einem Fallmanager, der sich viel Zeit für den Patienten nimmt. Eine digitale Plattform, auf der gesichert sämtliche medizinische Daten hinterlegt sind und die Ärzte sogar miteinander sprechen können. Hochmodern und nah am Menschen wollte man sein. Seitdem haben bereits diverse Auszeichnungen gezeigt, dass die Ambitionen nicht zu hoch gegriffen waren. Jetzt, zum Ende der Förderphase, kamen viele Beteiligte auf Schloss Homburg zusammen. Dort zogen die Verantwortlichen nicht nur ein Fazit und stellten erste Ergebnisse der begleitenden Untersuchung vor, sondern sie durften auch nochmal bestätigen: Es geht weiter mit Oberberg FAIRsorgt.

 

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Es habe Momente gegeben, da hätte das Projekt den „Bach runtergehen können“, erinnert sich Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach, der Oberberg FAIRsorgt von Anfang begleitet hat. Gerade die Pandemie erwies sich als große Hürde, als sich weniger Ärzte als erhofft fanden, die sich während Corona noch an ein Pilotprojekt binden wollten. Letztlich ging das Projekt etwas kleiner an den Start als geplant, doch nicht mit weniger kleineren Zielen. Die liegen auch darin, die Gesundheitsversorgung in Zeiten von Ärzte- und Fachkräftemangel sowie einer alternden Gesellschaft anders aufzustellen, wie Kreisdirektor Klaus Grootens sagte.

 

Das Ende der Förderphase, das ist allen Verantwortlichen und Unterstützern wichtig, „ist kein Abschluss“, so Grootens, sondern eher ein vorläufiger Höhepunkt. Denn bis Ende des Jahres hat der Oberbergische Kreis die Infrastruktur und damit die Patientenversorgung bereits gesichert. „Wir haben am Roulettetisch alles auf Rot gesetzt“, so Schmallenbach, wohlwissend, dass es trotz ausgezeichneter Arbeit auch ein Quäntchen Glück benötigt, um die Finanzierung auch über  lange Zeit zu sichern.

 

Was sagen die Patienten?

 

In einem Film lässt der Kreis teilnehmende Patienten und ihre Angehörigen zu Wort kommen. Die Fallmanager, der direkte Draht zu ihnen, die enge Betreuung auch über die digitalen Kanäle, all das habe bei den Menschen zu mehr Sicherheit in ihrem Alltag geführt. Manche sagen, dass sie ohne die Hilfe bei Anträgen niemals den wichtigen Treppenlift bekommen hätten oder den Elektrostuhl: Hilfestellungen, die es ihnen erlaubt hätten, weiter zu Hause wohnen zu bleiben und sogar wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Angehörigen berichten, wie sie entlastet werden, vielleicht mal Urlaub machen können.

 

Die Szenen zeigen auch die wichtige und aufwendige Arbeit der vier Fallmanager. Gabriele Grümer genießt es vor allem, ohne Zeitdruck zu arbeiten. 30 Jahre lang hat sie Erfahrungen im ambulanten Pflegedienst gesammelt. „Da ging es um jede Minute.“ Hier konnte sie nicht nur mit dem Patienten sprechen, sondern auch mit Angehörigen und Freunden. Sie konnten überlegen: „Was macht wirklich Sinn für den Patienten?“ Bei jenen Patienten, die schon etwas älter seien und diverse Krankheiten haben, dauerte es schonmal sechs bis neun Monate, bis die Versorgung die richtige Richtung eingeschlagen hat. Der Aufwand, davon ist Grümer überzeugt, lohnt sich aber.

 

An Bord bleibt die AOK Rheinland/Hamburg. Schließlich, so erzählte Daniel Vankerkom, Regionaldirektor Oberbergisches Land der AOK Rheinland/Hamburg, gibt es bereits Gespräche mit anderen Krankenkassen für den Zeitraum danach. „Wir wollen gemeinsam einen Nenner finden, um das Projekt auf feste Beine zu stellen“, so Vankerkom. Bisher konnten nur Mitglieder der AOK sich FAIRsorgen lassen, sich über einen eigenen Fallmanager freuen. So soll es natürlich nicht bleiben, wenn es nach den Verantwortlichen geht.   

 

Dass da noch harte Nüsse auf alle Unterstützer warten, weiß man aber auch. „Wir wissen, dass der Medizinbetrieb nicht optimal organisiert ist“, so Schmallenbach. „Das System wird durch finanzielle Reize gesteuert, die Leistungen folgen den Finanzen.“ So wichtig der wirtschaftliche Aspekt sei: „Der Mensch ist da aus dem Blick geraten.“ Das Projekt sollte auch diesen Schiefstand beheben.

 

Deshalb werden, so Projektleiterin Dr. Jessica Möltgen, auch die zwei Kernpunkte von Oberberg FAIRsorgt im Zentrum bleiben, selbst wenn sich die Ausgestaltung der Leistungen im Laufe der Zeit vielleicht ändert: „Das ist die Hilfe durch die Digitalisierung und die Fallmanager“. Künftig könnte sie sich vorstellen, dass erweiterte Erreichbarkeit der Fallmanager noch wichtiger wird. Die Möglichkeiten der Telemedizin, die bei Oberberg FAIRsorgt eingesetzt wurde, seien ohnehin in ständiger Bewegung.

 

Ein sehr zentrales Ergebnis der Evaluation (siehe Kasten) ist zugleich ein wichtiges Argument für den weiteren Finanzierungsprozess. „Die laufenden Kosten können sich tragen“, ist Christian Grebe von der Universität Köln überzeugt, zum Beispiel indem durch die engere Betreuung Krankenhausaufenthalte unnötig wurden. Wie die Finanzierung in 2025 weitergehen könnte, diese Frage kann jetzt noch nicht beantwortet werden. Der Innovationsfonds des Bundes bewilligte immerhin 11,2 Millionen Euro im Förderzeitraum. Neue Förderprogramme, zum Beispiel die von der Landesregierung ausgelobten Gesundheitsregionen, könnten nun eine Rolle spielen. „Wir suchen aber auch noch andere Möglichkeiten“, so Grootens. Klar wird, das der Kreis gerne das Heft des Handelns in der Hand behalten möchte, ähnlich wie er es beim Rettungsdienst oder der Agewis getan hat. Klar sei aber auch: „Eine Finanzierung sollte nicht allein bei den Steuerzahlern verbleiben“, so der Kreisdirektor.

 

Erste Ergebnisse der Evaluation
 

Durchschnittlich 79,4 Jahre alt sind die mehr als 300 rekrutierten Versicherten, 45,6 Prozent von ihnen haben einen Pflegegrad, viele mindestens eine oder mehrere chronische Erkrankungen. 88,6 Prozent leben in Kommunen, die schon heute einen hausärztlichen Versorgungsgrad unter 100 Prozent aufweisen. Für die Vergleichbarkeit hat sich die Uni Köln an Routinedaten der AOK bedient und eine perfekt vergleichbare Patientengruppe gefunden, so Christian Grebe von der Universität. Gerade in Anbetracht des hohen Alters zeige sich, dass das Projekt zur Stabilisierung der Zielgruppe beigetragen hat. „Das ist ein Erfolg.“ Auch wenn manche Effekte innerhalb des kurzen Betrachtungszeitraums von einem Jahr nicht auszumachen sind, hebt er die Entlastung der Angehörigen und die Hilfe für alleinlebende Menschen hervor.

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