POLITIK
CDU offen für alles – mit einer Ausnahme
Oberberg – Nach der Wahl müssen sich die Christdemokraten im Kreistag Gedanken über neue Bündnisse machen – Grüne: „Sind nicht mehr die kleine Partei“.
Von Lars Weber
Nach einem langen Wahlabend und einer kurzen Nacht haben die Parteien heute damit begonnen, die Ergebnisse einzuordnen, zu analysieren und natürlich zu schauen: Wer will mit wem? Denn eines zeigt das Ergebnis bei der Wahl des Kreistags klar: Eine Mehrheit hat das Bündnis aus CDU, FDP und FWO/DU nicht mehr. Kam es bislang noch auf 29 von 58 Stimmen (ohne Landrat Jochen Hagt, CDU), würde dieser Zusammenschluss nach gestern Abend und dank Überhangmandaten vergrößterten Kreistag nur noch für 30 von 64 Stimmen reichen. OA hat bei Gewinnern und Verlierern nachgefragt.
CDU-Fraktionschef Michael Stefer zeigte sich generell zufrieden mit den erreichten 39,4 Prozent, obwohl die 40-Prozent-Marke angepeilt gewesen war. Dass die CDU aber 25 von 27 Direktmandaten gewonnen hat, tröstete ihn. „Das ist ein gutes Ergebnis.“ Ein Fokus liege jetzt darauf, den Kreistag beschlussfähig zu bekommen. In die Karten lassen schauen wollte Stefer sich aber nicht. „Morgen ist Fraktionssitzung, da gehen wir ergebnisoffen rein.“ Dass die FDP als langjähriger Partner wohl an Bord sein wird, daran gibt es kaum einen Zweifel. „Bei den anderen Parteien müssen wir sehen, was passt, was passt nicht. Abgrenzen möchte ich mich nur in Richtung AfD, das ist kategorisch ausgeschlossen.“
Ebenfalls sehr unwahrscheinlich: eine Zusammenarbeit mit der SPD. Die Sozialdemokraten sind die Verlierer der Wahl, sie büßten 6,5 Prozentpunkte ein, blieben aber noch knapp vor den Grünen. „Ich bin in keiner Weise zufrieden“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Wurth. Ziel sei es gewesen, etwa 28 Prozent beizubehalten. „Das Ergebnis spiegelt nicht unsere Arbeit wider.“ Gegen den Landes- und Bundestrend anzukommen sei sehr schwer. Für die kommenden fünf Jahre sieht Wurth die Rolle der SPD in der Opposition, auch wenn die Sozialdemokraten sich nicht vor Verantwortung drücken würden. „Aber andere Parteien scheinen ja schon Schlange zu stehen.“
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So bestätigen kann das Marc Zimmermann, Sprecher des Grünen-Kreisverbands, nicht. Die Grünen konnten ihr Ergebnis mehr als verdoppeln, sie bekamen 17,3 Prozent – und gehören zu den klaren Gewinnern der Wahl. „Gespräche mit der CDU sind möglich, aber wie zielführend diese wären, müsste man sehen.“ Auch er verweist auf eine gemeinsame Sitzung des Kreisvorstands, bei dem diese Frage weiter erörtert werde. Zimmermann freute sich zunächst einmal über die Zustimmung der Bürger. „Wir haben mehr Gewicht bekommen und sind nicht mehr die kleine Partei.“
Ina Albowitz-Freytag, Kreisvorsitzende der FDP, ist zu allererst erleichtert. „Ich hatte ein komisches Gefühl vor der Wahl, auch wegen Corona war die Situation schwer einzuschätzen.“ Umso zufriedener war sie, dass die FDP nun ein Mandat mehr im Kreistag hat. „Karin Wroblowski ist ein Gewinn für die Fraktion.“ Insgesamt kam die FDP auf sieben Prozent. Albowitz -Freytag geht von Gesprächen mit der CDU aus und verweist auch darauf, dass schon ab und an mit der UWG zusammengearbeitet wurde. „Die Mehrheiten müssen da sein, das werden wir die nächsten Tage angehen.“
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Die UWG, die einen dritten Sitz im Kreistag erreichte, könnte das Zünglein an der Waage werden. Deren Kreisvorsitzender Harald Koppelberg zeigte sich im Gespräch zurückhaltend. „Ich werde mich erst einmal mit meinen zwei Kollegen zusammensetzen.“ Eine Zusammenarbeit mit der CDU scheint aber möglich. „Eine Demokratie wird oftmals getragen von stabilen Mehrheiten.“
Wohl keine Rolle bei der Mehrheitsbeschaffung wird Die Linke spielen (drei Prozent, zwei Sitze). Jan Köstering, der erstmals in den Kreistag gewählt wurde, hofft, dass die CDU mehr Kompromisse machen muss als vorher. „Wir wollen unsere Themen weiter voranbringen und mehr Kontakt zu Grünen und SPD suchen.“ Im Wahlkampf für die gemeinsame Kandidatin Tülay Durdu habe man mehr Parallelen zueinander gefunden.
Nicht auf einen Anruf der anderen Fraktionen zu warten braucht die AfD (5,9 Prozent, vier Sitze). AfD-Fraktionschef Bernd Rummler macht das aber nichts aus. „In der Opposition ist es einfacher, den Finger in die Wunden zu legen.“ Die Themen dafür seien da.
Reaktionen auf die Ergebnisse in Städten und Kommunen
CDU
Dr. Carsten Brodesser, CDU-Bundestagsmitglied und Vorsitzender des CDU-Oberberg, fühlt sich als Gewinner der Wahl. „Auch wenn keine grenzenlose Euphorie herrscht.“ Bei den Stadt- und Gemeinderäten hat die CDU fast durch die Bank kleine Verluste hinnehmen müssen. Besonders schmerzhaft ist der Verlust der absoluten Mehrheit in Lindlar. Meist blieb die CDU jedoch trotzdem am Ruder. Zudem gab es klaren Zuspruch für CDU-Landrat Jochen Hagt oder Bürgermeisterkandidaten wie Frank Helmenstein in Gummersbach oder Anne Loth in Wipperfürth. Dr. Brodesser geht generell davon aus, dass die Zeiten vorbei sind, wo die CDU überall mehr als 50 Prozent holt. Das sei auch auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zurückzuführen. Für die CDU sei es wichtig, noch stärker auf Themen wie Umwelt oder Nachhaltigkeit zu reagieren.
Bündnis90/Die Grünen
Marc Zimmermann, Sprecher des Grünen-Kreisverbands, sagte, dass die Partei sehr glücklich mit den Ergebnissen in den Städten und Gemeinden ist. Teils gab es deutliche Zugewinne, in Wiehl sogar ein Plus von 10,1 Prozentpunkten. Der Auftrag sei da. Jetzt müssten sie zeigen, dass sie etwas daraus machen könnten. Das Ergebnis sei mehr als nur ein Mitschwimmen auf dem Landestrend. „Die Oberberger sehen, zum Beispiel an den braunen Wäldern, dass nicht alles rund läuft.“ Die Wähler hätten gemerkt, dass die Grünen auch auf lokaler Ebener etwas erreichen können.
SPD
Den Bundestrend nicht als Ausrede gelten lassen möchte Regina Billstein, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Oberberg. Zwar könnten sich die Sozialdemokraten über einige gute Ergebnisse freuen, allen voran in Engelskirchen. Doch vor allem gab es für die SPD Verluste, teils im zweistelligen Bereich. „Ich wage zu bezweifeln, dass man das alles mit dem Bundestrend begründen kann.“ Die SPD leiste und erreiche bereits viel in den politischen Gremien in den Kommunen. Diese Erfolge transparenter machen, Bürger noch stärker in Prozesse einzubinden und typisch sozialdemokratische Themen wie zum Beispiel Familienpolitik klar zu besetzen und voranzutreiben, das seien Möglichkeiten, um wieder stärker zu werden. „Hoffnungsfroh stimmt mich, dass wir viele neue, junge Kandidaten in den Kommunen haben, die ihrerseits neue Visionen mitbringen.“
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