LOKALMIX

Bußgeld-Chaos auch im Kreis

bv; 13.07.2020, 17:00 Uhr
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Bußgeld-Chaos auch im Kreis

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bv; 13.07.2020, 17:00 Uhr
Oberberg – Nachdem der neue Bußgeldkatalog aufgrund eines Formfehlers außer Kraft gesetzt wurde, könnten auch in Oberberg viele Strafen und Fahrverbote hinfällig sein.

Von Bernd Vorländer

 

Es ist die Nr. 3 im Paragraf 26a. Zwei Buchstaben und eine Zahl fehlen im neuen Bußgeldkatalog, der seit Ende April in Deutschland gegolten hat. Mit fatalen Folgen. CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer steht seit zwei Wochen unter Dauerfeuer, denn aufgrund eines Formfehlers seiner Behörde in Abstimmung mit den Bundesländern ist das Gesetz nicht mehr gültig, der Bußgeldkatalog, der die Strafen drastisch anhob, Makulatur. Und in den Bußgeldstellen der Republik herrscht das blanke Chaos - auch in der Region.

 

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In Scheuers Verordnung fehlt ein Verweis auf die Rechtsgrundlage für Fahrverbote. Beim Paragrafen 26a des Straßenverkehrsgesetzes mit den Absätzen Nr. 1 und Nr. 2 hatte man die Nr. 3 vergessen, die sich auf die Fahrverbote bezieht. Juristen sind in der Mehrheit jetzt davon überzeugt, dass der Formfehler das gesamte Gesetz kippt. In Oberberg dürften demnach hunderte Bußgeld-Verfahren und Fahrverbote, möglicherweise aber auch Verwarnungen aufgrund falscher rechtlicher Grundlagen ausgesprochen worden sein, denn aktuell wird in Nordrhein-Westfalen bei Geschwindigkeitsverstößen wieder nach dem alten, bis April 2020 geltenden Bußgeldkatalog bestraft.

 

Auf die Bußgeldstelle des Oberbergischen Kreises wird demnach jede Menge Arbeit und Ärger zukommen. „Ich kann nur jedem Autofahrer empfehlen, der aktuell Post von der Bußgeldstelle aufgrund eines Geschwindigkeitsverstoßes erhält, sofort fristgemäß Einspruch einzulegen“, sagt Rolf-Helmut Becker, Spezialist für Verkehrsrecht bei der Bergneustädter Kanzlei Fincke Rechtsanwälte. Viele Fälle würden jetzt knifflig, so Becker weiter. Etwa, wenn ein Verfahren für ein Fahrverbot zwar rechtskräftig abgeschlossen, die Strafe jedoch noch nicht angetreten worden sei. Im Übrigen hält der Fachanwalt die Verschärfungen des neuen Bußgeldkatalogs für übertrieben und unverhältnismäßig. „Da werden brave Bürger mit Maßnahmen überzogen“, kritisiert Becker.

 

Was der Rechtsanwalt meint, ist Folgendes: Im alten Strafkatalog lagen die Geschwindigkeitsgrenzen für ein Fahrverbot bei einer Überschreitung von 31 Kilometern pro Stunde innerorts und 41 Kilometern pro Stunde außerorts. In der neuen, jetzt ungültigen Fassung, war man seinen Führerschein bereits bei einer Überschreitung von 21 Kilometern innerorts und 26 Kilometern außerorts los. Hinzu kamen ein erhöhtes Bußgeld und mindestens ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei.

 

Bei der Bußgeldstelle des Oberbergischen Kreises sind seit Ende April bis zum 6. Juli über 6.000 Verwarnungen ausgesprochen worden, die bei der Strafe doppelt so hoch lagen wie beim alten Bußgeldkatalog. 1.630 Verwarnungs-Verfahren laufen derzeit und sollen nach dem alten Bußgeldkatalog bewertet werden. 749 Bußgeld-Verfahren sind bereits abgeschlossen, dabei wurden 268 Fahrverbote ausgesprochen – deutlich mehr in dem kurzen Gültigkeits-Zeitraum als jemals zuvor, was allerdings auch mit erhöhtem Kontrollaufkommen zusammenhängt. Derzeit weiß jedoch niemand, wie mit diesen Alt-Verfahren umgegangen werden soll, denn sie fußen ja auf einem ungültigen Gesetz. Man warte diesbezüglich auf Entscheidungen der Bundesebene, heißt es aus dem Kreishaus. Aktuell stehen 1.905 Bußgeldverfahren an, die nach dem alten Katalog abgearbeitet werden. Alle Autofahrer, die erst vor Kurzem einen Verkehrsverstoß begangen haben, dürfen sich demnach freuen. Feststehen dürfte, dass jede Menge Einsprüche und auch Klagen folgen werden.

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