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Ärztemangel in Bergneustadt – Politik will gegensteuern

pn; 09.09.2021, 19:00 Uhr
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Fotos: Michael Kleinjung.
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Ärztemangel in Bergneustadt – Politik will gegensteuern

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pn; 09.09.2021, 19:00 Uhr
Bergneustadt – Bergneustädter Rat gründet Arbeitsgruppe, um sich dem Problem anzunehmen – Bürgergarten auf der Krawinkel-Wiese? - Stefan Heidtmann neuer Stadtverordneter.

Von Peter Notbohm

 

Im Bergneustädter Rat wurde gestern nicht über die Anschaffung von Luftfilteranlagen für die Schule gestritten (siehe Extra-Bericht), auch das drohende Damoklesschwert über der Gesundheitsversorgung in Bergneustadt war Thema der Sitzung. Bereits heute sind in der Feste Fachärzte kaum noch zu finden, auch bei Allgemeinmedizinern droht ein erheblicher Mangel aufzutreten – viele werden demnächst in Ruhestand gehen, ohne dass ein Nachfolger vorhanden wäre.

 

Die SPD-Fraktion stellte daher einen Antrag auf Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die unter dem Namen 'Ärztehaus Bergneustadt' ein Konzept zur Errichtung und dem Betrieb eines Ärztehauses unter kommunaler Trägerschaft oder Beteiligung erarbeiten soll. „Gerade im ländlichen Bereich zeichnet sich ein Ärztemangel ab. Wir würden uns wünschen, dass der Rat dieses Thema als Gemeinschaftsprojekt behandelt“, meinte SPD-Fraktionschef Daniel Grütz (Foto). Nicht nur bei Bürgermeister Matthias Thul, der in der Sache nach eigenen Angaben bereits mehrere Gespräche geführt hat, lief er damit offene Türen ein, auch die restlichen Ratsmitglieder standen dem Thema weitgehend offen gegenüber.

 

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Auch die CDU wolle sich dem Thema – anders als im Wahlkampf zur Kommunalwahl im vergangenen Jahr – nicht mehr verschließen, bekräftigte CDU-Fraktionschef Reinhard Schulte. Axel Krieger, Fraktionsvorsitzender der Grünen, unterstütze den Antrag ebenfalls und bedauerte es, dass viele Ärzte angesichts der geringen Privatpatientenzahlen einen großen Bogen um Bergneustadt machen würden. Diskussionen gab es lediglich darum, ob es unbedingt ein kommunal geführtes Ärztehaus sein müsse. Wolfgang Lenz (FDP) brachte auch den Betrieb eines Medizinischen Versorgungszentrums ins Spiel. Dem schloss sich auch der UWG-Fraktionsvorsitzende Jens Holger Pütz an: „Wir sollten in alle Richtungen offen sein.“ Darüber herrschte letztlich Einigkeit unter allen Ratsmitgliedern.

 

 [Der erste Bagger auf dem Gelände Dreiort Ost die Arbeit bereits aufgenommen.]

 

Beschließen musste der Bergneustädter Rat auch über die Anregungen zum Bebauungsplan Nr. 65 – Dreiort Ost, die geplante Erweiterung des Nettomarktes sowie die Ansiedlung des Drogeriehandels Rossmann auf dem Gelände. Bernd Niedermeier, Geschäftsführer der Planungsgruppe MWM sprach von einer „robusten Bauleitplanung“ für das Gelände, auf dem die Arbeiten vergangene Woche langsam angelaufen sind.

 

Erneut zum Thema wurde zudem die Krawinkel-Wiese. Nachdem der Rat Anfang des Jahres sich noch gegen einen SPD-Antrag ausgesprochen hatte, auf einen Verkauf des städtischen Geländes zu verzichten, wagte die Partei nun einen erneuten Vorstoß. Demnach solle der Rat das Konzept eines Bürgergartens prüfen, das der Verein „Förderkreis für Kinder, Kunst und Kultur“ (KKK) entwickelt habe. „Es stellt sich die Frage, wie wichtig uns Jugendarbeit insgesamt ist“, meinte Daniel Grütz. Der Verein sei für seine Arbeit dringend auf das Grundstück angewiesen. Die Stadt könne durch die Verpachtung jährliche Einnahmen erzielen. Wolfgang Lenz (Foto) unterstützte den Antrag: „Gerade unter dem Aspekt, der vielen tausend Quadratmeter, die wir in den kommenden Jahren als Gewerbefläche ausweisen werden, müssen wir uns überlegen, was uns wichtig ist.“ Die Diskussion blieb ohne Ergebnis. Der Antrag wurde auf Bestreben der CDU mit knapper Mehrheit in den Bau- und Planungsausschuss verschoben.

 

Scharfe Kritik äußerte Lenz indessen an Bürgermeister Thul. Dieser habe - mit Verweis auf das Demonstrationsrecht - Kindern und Jugendlichen untersagt, mit Plakaten für den Erhalt des Geländes im Rat zu werben. „Es kann nicht sein, dass wir als Rat Angst vor ein paar Jugendlichen haben und der Bürgermeister das Ganze als anmeldepflichtige Demonstration deklariert, die nicht rechtzeitig angemeldet wurde.“ Er hoffe künftig auf mehr Fingerspitzengefühl. Thul konterte, dass der KKK in seiner Mail den Auflauf selbst als Demonstration deklariert habe. Zudem habe es mit dem Verein anschließend sehr konstruktive Gespräche gegeben, er habe niemals damit gedroht, eine solche Versammlung durch die Polizei auflösen zu lassen. „Auch wenn es gute Gründe gibt, so etwas zuzulassen, werde ich mich niemals über das Gesetz stellen“, so Thul. Sven Oliver Rüsche (UWG) regte an, die Kinder zur nächsten Ratssitzung als Gäste einzuladen.

 

Aus dem Rat

 

  • Stefan Heidtmann (Foto) wurde als neuer Stadtverordneter vereidigt. Der 63-jährige Musiker ist Nachfolger des kürzlich verstorbenen Ulrich Schneider. Heidtmann saß bereits von 1994 bis 1999 für die Grünen im Bergneustädter Stadtrat und erinnerte sich noch bestens an einen der ersten Anträge. Damals hatte sich die Partei für ein Rauchverbot während der Sitzungen stark gemacht. „Das war damals unser Beitrag zur Klimaverbesserung im Rat“, scherzte Heidtmann.

  • Bürgermeister Matthias Thul wurde für das Jahr 2020 vom Rat vorbehaltlos entlastet. Kämmerer Bernd Knabe berichtete dem Rat von einem Jahresüberschuss von fast 3,7 Millionen Euro, welcher großteils der Allgemeinen Rücklage zugeführt und mit knapp 100.000 Euro in die Ausgleichsrücklage gebucht wird. Das vermeintlich gute Ergebnis sei aber nur dem Corona-Isolierungsgesetz zu verdanken. Insgesamt hatte die Stadt durch die Pandemie erhebliche Steuerausfälle (Gewerbesteuer Minus 700.000 Euro, Einkommenssteuer Minus 660.000 Euro, Vergnügungssteuer Minus 100.000 Euro).

  • Der Rat hat die Friedhofsgebühren für 2022 trotz Kritik der kleinen Fraktionen angehoben. „Wir greifen den falschen Leuten in die Tasche und belasten sie doppelt“, mahnte Sven Oliver Rüsche (UWG). Bürgermeister Matthias Thul begründete die Anhebung mit der steigenden Zahl der Anfragen nach Sanierung und Reinigung von Wegen: „Je mehr wir leisten müssen, desto mehr kostet es.“ UWG, FDP und FWGB stimmten gegen die Erhöhung.

  • Der Antrag der SPD auf Erstellung eines Hochwasserkonzeptes wurde an den Umweltausschuss verwiesen.

  • Die Verwaltung wird aufgrund eines CDU-Antrags die Machbarkeit eines Radweges parallel zur K 23 vom Othetal in die Innenstadt prüfen.

  • Der CDU-Antrag auf Prüfung der Machbarkeit von öffentlichen Trockentoiletten in der Grünanlage Talstraße, im Bergpark Hackenberg sowie an der E-Bike-Ladestation am Radalleenweg wurde in den Bau- und Planungsausschuss verwiesen.

  • Die Stadt Bergneustadt wird keine eigene Polizeiwache erhalten. Das geht aus einer Antwort des Landrats an die Bergneustädter Verwaltung hervor. Aufgrund gesunkener Kriminalitäts- und gestiegener Aufklärungsquoten käme für Jochen Hagt keine eigene Polizeiwache in der Feste in Betracht. „Die Quoten sind gesunken, weil so wenig Polizei zum Aufklären vor Ort ist“, kommentierte Grünenfraktionschef Axel Krieger bissig.

  • Der Moscheebau war kein Thema im Rat. Die Mediationsgespräche mit allen Beteiligten sollen in der kommenden Woche beginnen.

KOMMENTARE

1

Wann kommt der Punkt: Senkung der Grundsteuer B auf die Tagesordnung

Neumann, 09.09.2021, 20:38 Uhr
2

Der Punkt Grundsteuer B war gewissermaßen hintergründig auf der Tagesordnung. Eine Erhöhung wegen der Kosten für Luftfilter (SPD-Antrag) konnten vermieden werden.
Der Verkauf der Krawinkelwiese wurde mit der (bewußt?) falschen Annahme, dass der Investor ein anderes Grundstück kaufen könne begründet, verschoben.

(Roland), 12.09.2021, 17:19 Uhr
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