SOZIALES
Über 2.000 Kilometer durch die Hölle
Lindlar – Im Oktober und November wird Michael Loewnich durch die Sahara wandern – Mit dem „No Mercy Trek“ möchte er auf das Schicksal von Mädchen und Frauen aufmerksam machen und Spenden sammeln.
Was man mit Afrika assoziiert, ist ganz individuell. Während die einen an Safaritouren, Pyramiden, atemberaubende Landschaften, goldene Sonnenuntergänge oder auch Kapstadt samt Tafelberg denken, kommen anderen ganz andere Bilder in den Sinn. So zum Beispiel Michael Loewnich aus Lindlar, der gerade in den letzten Vorbereitungen für eine ganz besondere Tour durch Afrika steckt: den „No Mercy Trek“. 60 Tage wird er zusammen mit seinem Freund Sascha unterwegs sein, von Marrakesch in Marokko nach Nouakchott in Mauretanien wandern und dabei mehr als 2.000 Kilometer zurücklegen – und das für einen bestimmten Zweck: die beiden möchten auf das Schicksal von Mädchen und Frauen in Liberia aufmerksam machen, Spenden sammeln und ihnen damit ein sicheres Zuhause schaffen.
[Eine junge Mutter mit ihrem Baby auf dem Rücken.]
Wenn man mit Michael Loewnich über sein soziales Engagement spricht, dann kann einen das völlig aus dem eigenen Alltag holen. Ob Stress auf der Arbeit, der Ärger darüber, wie viel Zeit man im Stau verliert oder auch die Frustration darüber, monatelang auf einen Facharzttermin warten zu müssen: all das wird auf einmal ganz klein. Michael Loewnich ist 44 Jahre alt, verheiratet, Vater von vier Kindern, als Fotograf und Mediengestalter tätig und Mitbegründer des Vereins „Teamwork Africa Deutschland“. Oft war er in Afrika, hat an dem UTAT, dem Ultra Trail Atlas Toubkal teilgenommen, einem Traillauf im Atlasgebirge rund um den höchsten Berg Marokkos. Auf seinen Reisen lernte er aber auch immer wieder einheimische Menschen kennen, darunter auch junge Mädchen und Frauen, die schlimmste Gewalt erfahren haben.
„Die Mädchen gehen durch die Hölle – und wir jetzt auch, um auf ihre Schicksale aufmerksam zu machen“, sagt Michael Loewnich im Gespräch mit OA. „Die Menschen leben da im Dreck und sterben an Kleinigkeiten wie dreckigem Wasser.“ Und viele junge Mädchen, die 13, 14 oder 15 Jahre alt sind, würden ein Baby auf dem Arm tragen, das kein Geschwisterchen ist, sondern das eigene Kind. Dazu kommt, dass der Aberglaube gerade in den ländlichen Regionen stark ausgeprägt ist. Loewnich erzählt von einem Mädchen, das von einem verheirateten Mann vergewaltigt worden ist und schwanger wurde. „Das Dorf hatte danach Pech mit der Ernte. Und dem Mädchen wurde dafür die Schuld gegeben – weil sie die Ehebrecherin ist.“ Vor ihm habe also ein traumatisiertes Kind gestanden, mit einem Kind auf dem Arm. „Und sie sagte, dass sie eigentlich lieber zur Schule gehen würde.“
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[Michael Loewnich umgeben von zahlreichen Kindern.]
Michael Loewnich kennt viele solcher Schicksale. Nichts zu tun kam für den Lindlarer Familienvater nicht infrage. Schon vor Jahren hat er zusammen mit Stephan Schwabe, dem Vorsitzenden des Vereins, Sportbekleidung gesammelt und im Rahmen des UTAT an Einheimische verteilt. 2018 sind sie über die Sozialen Medien auf einen Pastor in Liberia gestoßen, der sich um diverse Waisenkinder gekümmert hat, Schulen bauen ließ und auch eine kleine Klinik gegründet hat. Michael Loewnich und Stephan Schwabe wollten den Mann kennenlernen – doch kurz vor der geplanten Reise verstarb der Pastor an einer Sepsis. Die beiden entschieden sich, trotzdem nach Monrovia zu fliegen. „Fernab von jeglichem geschönten Tourismus erlebt man ein gänzlich anderes Afrika“, meint der 44-Jährige.
2019 haben sie den Verein „Teamwork Africa Deutschland“ gegründet – einen kleinen Verein mit nur neun Mitgliedern. „Mitglied kann jeder werden, der aktiv mithelfen möchte“, sagt Michael Loewnich. Zwei Schulen gehören zu „Teamwork Africa“. Bis zu 20 Mädchen werden derzeit durch den Verein psychologisch betreut. Viele seien in Pflegefamilien untergebracht – doch eine Dauerlösung sei das nicht. Stattdessen möchte der Verein das „Mercy House“ aufbauen, benannt nach einem Mädchen, das vor vier Jahren von einem damals 14-jährigen Mädchen geboren worden ist. In dem „Mercy House“ sollen die Frauen und Kinder ein sicheres Zuhause finden. Außerdem sollen sie zur Schule gehen können, Hilfe beim Berufseinstieg erhalten, eine Kinderbetreuung und wenn nötig auch psychologische Unterstützung.
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[Michael Loewnich (l.) und sein Freund Sascha Stöckl bereiten sich auf die 60-tägige Wanderung vor.]
Am 29. September wird Michael Loewnich mit seinem Freund und Weltenbummler Sascha Stöckl von Frankfurt-Hahn nach Marrakesch fliegen. Einen Tag später wird ihre Wandung beginnen. Von Marokko aus wird es für die beiden durch die Westsahara bis nach Mauretanien gehen; zunächst durch das Atlasgebirge, später durch die Sahara. Insgesamt liegen 2.250 Kilometer vor den beiden, 8.000 Höhenmeter und eine 400 Kilometer lange Wüstendurchquerung. Nach 60 Tagen wollen sie in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott ankommen. „Dabei werden wir ohne Begleitfahrzeug unterwegs sein“, erklärt Michael Loewnich. Stattdessen werden sie jeweils einen Anhänger dabei haben und damit unter anderem Wasser, Nahrung, Zelte, Schlafsäcke, etwas Wechselkleidung, einen Gaskocher und einige technische Geräte transportieren. Als Budget stehen den beiden pro Tag 5 Euro zur Verfügung.
Besonders herausfordernd dürften dabei nicht nur die Temperaturen werden – um die 30 Grad am Tag und rund 0 Grad in der Nacht, sondern auch eine sechs Kilometer breite Todeszone. „Die Westsahara ist eigentlich relativ sicher, dort gibt es viel Militär“, schildert der 44-Jährige. Aber an der Grenze zu Mauretanien liege die besagte Todeszone. „Das Gebiet ist teilweise noch vermint, dort gibt es keine Polizei. Und die Menschen, die da leben, können weder in das eine noch in das andere Land.“ Sowohl über Blogbeiträge auf der Website des Vereins als auch über die Social-Media-Kanäle können Interessierte verfolgen, wie das Duo auf seiner Wanderung vorankommen wird – und dabei auch gegen die beiden wetten. Möglich sind aber auch normale Spenden. Außerdem: sollten die beiden auf ein Hilfsmittel zurückgreifen und sich transportieren lassen, werden sie dafür Zeitstrafen erhalten, die sie wiederum abarbeiten müssen.
[Eine Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm.]
Ein Grundstück für das „Mercy House“ hat der Verein bereits. „Es liegt mir wirklich am Herzen, genügend Geld zusammenzukriegen, um das Haus zu bauen – und den Mädchen, die so ein schweres Schicksal haben, damit eine Chance zu geben, sich eine eigene Zukunft aufzubauen“, sagt Michael Loewnich. Beim Verein hofft man darauf, für das Projekt 50.000 Euro zu sammeln. „Das reicht für den Bau und die Betriebskosten der ersten zwei Jahre“, so Loewnich. Rund zwei Monate wird er weg sein, tausende Kilometer entfernt von seiner eigenen Familie – seiner Frau Simone und seinen vier Kindern: den Zwillingen Zoe und Mia (19), Crispin (18) und Quentin (15). „Ich werde sehr froh sein, wenn ich sie wieder in die Arme schließen kann. Wenn meine Familie nicht mitziehen würde, könnte ich das so nicht machen.“
Mehr zum „No Mercy Trek“, den „Spielregeln“ und Spendenmöglichkeiten können Interessierte auf der Website des Vereins nachlesen. Weitere Infos gibt es auch auf den Social-Media-Kanälen des Vereins.
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