Reichshof – 81-jähriger Mann wird vom Amtsgericht Waldbröl wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt – Senior schlug 34-jährigen Wiehler nieder – Vier Polizisten mussten ihn überwältigen.
Von Peter Notbohm
„60 Jahre und kein bisschen weise. Aus gehabtem Schaden nichts gelernt“, sang einst Schauspiellegende Curd Jürgens. Noch einmal 21 Jahre mehr Lebenserfahrung hat Armin C. (Anm.d.Red.: Name geändert), der gestern am Amtsgericht Waldbröl wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Polizeibeamte zum ersten Mal in seinem Leben vor einem Richter Platz nahm. Doch selbst mit seinen 81 Jahren ist der Reichshofer noch ein „kleiner Vulkan“, wie sein Rechtsanwalt Stephan Kuhl das Temperament des rüstigen Seniors noch höflich umschrieb.
Es benötigte schon sehr viel Zureden von Richter Dr. Fabian Krapoth, der Staatsanwältin und seines Verteidigers, ehe der Senior endlich einsah, dass er am 14. September des vergangenen Jahres wohl doch so manches falsch gemacht hatte. „Kann es sein, dass sie richtig Scheiße gebaut haben“, fragte der Vorsitzende den Angeklagten gegen Ende des Verfahrens unverhohlen mit lauter Stimme. Mit erregter Stimme bellte dieser zurück: „Ja, der ganze Tag war total verschissen.“ Er sei sauer gewesen.
Vorfahrtnahme löst handfesten Konflikt aus
Dabei hatte der spätsommerliche Samstag noch normal begonnen. Mit seinem Radlader war der selbstständige Unternehmer im Wald gewesen und hatte sich nach der Arbeit zwei Flaschen Bier gegönnt. Seine Frau fuhr ihn anschließend zurück in die Firma nach Wenrath. Beim Auffahren auf die L 96 kam es zu einem Konflikt mit der Fahrerin eines VW Passats, die mit ihrem Lebensgefährten und dessen Familie auf dem Weg in den Affen- und Vogelpark war. Vermeintlich soll die Ehefrau des Angeklagten dem VW die Vorfahrt genommen haben und anschließend mit geringer Geschwindigkeit über die Landestraße geschlichen sein. Der 81-Jährige behauptete indessen, der VW habe seiner Frau „auf der Stoßstange gehangen und mehrfach unbegründet gehupt“. Welche Version der Wahrheit entspricht, konnte das Gericht nicht endgültig klären.
Was anschließend in Wenrath passierte, blieb dank Zeugenaussagen dagegen nicht im Dunkeln: An einer Engstelle auf der Wiehler Straße stoppte die Ehefrau des Angeklagten, um den vorfahrtsberechtigten Gegenverkehr vorbeizulassen. Der VW Passat zog an der unübersichtlichen Stelle trotzdem vorbei, musste wegen des Gegenverkehrs aber abrupt stoppen. Das war der Moment, in dem Armin C. die Hutschnur riss, er ausstieg und auf den ebenfalls ausgestiegenen Beifahrer des Passats, einen 34-jährigen Wiehler, zumarschierte und diesem zwei Schläge versetzte – einen davon gegen die Schläfe mit einem dicken Schlüsselbund in der Hand.
Der überraschte Mann ging blutend zu Boden, konnte aus dem Augenwinkel nur noch erhaschen, wie sein eigener Vater den Senior seinerseits zu Boden brachte. „Ich konnte eine Woche lang nicht essen und die Schmerzen waren erst nach einem halben Jahr verschwunden“, sagte das Opfer, das sich immer noch in ärztlicher Behandlung befinde.
Festnahme mit vier Polizeibeamten
Während die Ehefrau des Angeklagten auf das Eintreffen der Polizei wartete, machte sich der 81-Jährige auf den Weg nach Hause, wo er ein weiteres Bier trank – „um runterzukommen“, wie er sagte. Warum kurz darauf vier Polizeibeamte mit seiner Frau in seinem Haus standen, habe er sich nicht erklären können. Schließlich sah er sich im Recht, nachdem er sich von dem 34-Jährigen bedroht gefühlt habe. Auch der Aufforderung einer Blutprobenentnahme wollte er nicht folgen, sondern wehrte sich nach Kräften, ehe die vier Beamten ihn nach kurzem Kampf überwältigt hatten. Der Bluttest sollte später einen Wert von 0,8 Promille ergeben.
Den Polizisten machte der Angeklagte vor Gericht sogar noch schwere Vorwürfe: „Die beiden Männer haben mir ein Kissen ins Gesicht gedrückt, sodass ich nicht mehr atmen konnte.“ Man habe ihn „gequält“ und „massakriert“. Eine beteiligte Beamtin widersprach dem vor Gericht vehement, erklärte dem 81-Jährigen zudem, dass nur ein männlicher Beamter an dem Einsatz beteiligt gewesen sei. Das ließ dann auch den Angeklagten ein wenig verdutzt zurück.
Mildes Urteil
In seinem Urteil ließ Richter Krapoth dennoch Milde walten. Sein Geständnis, sein hohes Alter und vor allem die späte Einsicht, falsch gehandelt zu haben, sorgten dafür, dass Armin C. wegen gefährlicher Körperverletzung in einem minderschweren Fall nur eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erhielt. 1.000 € muss er an den 34-jährigen Wiehler zahlen. Sollte er sich in einer zweijährigen Bewährungszeit wieder etwas zuschulden kommen lassen, kämen noch 90 Tagessätze à 40 €, also weitere 3.600 €, hinzu. Damit folgte der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Verteidigung hatte die Höhe der Strafe in das Ermessen des Gerichts gelegt. Das Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde eingestellt.
„Sie haben völlig falsch reagiert“, sprach Krapoth von einer gehörigen Portion Altersstarrsinn beim 81-Jährigen. „Mit zunehmenden Alter hat man viel im Leben erlebt und meint immer recht zu haben.“ Davon müsse er sich lösen und Konflikten künftig aus dem Weg gehen, „schließlich haben sie über 80 Jahre auch gut ohne Gerichtssäle leben können.“
