GUMMERSBACH

100. Geburtstag: „Ich hatte noch keine Zeit, alt zu werden“

pn; 27.09.2024, 16:00 Uhr
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Foto: Peter Notbohm ---- Geburtstagskind Hermann Ley (m.) mit seinen drei Söhnen und Gummersbachs stellvertretendem Bürgermeister Jürgen Marquardt.
GUMMERSBACH

100. Geburtstag: „Ich hatte noch keine Zeit, alt zu werden“

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pn; 27.09.2024, 16:00 Uhr
Gummersbach - Hermann Ley feiert heute seinen 100. Geburtstag - Er blickt auf ein bewegtes Leben zurück.

Von Peter Notbohm

 

Ein Patentrezept, wie man 100 Jahre alt wird, hat Hermann Ley nicht. „Ich habe vernünftig gelebt, sehr bewusst und gesund“, verrät der Jubilar, der am heutigen 27. September 100 Jahre alt geworden ist. Sport sei auch immer ein wichtiger Bestandteil gewesen: Als Kind ging er zum Turnen, später verschlug es ihn zur Leichtathletik. Selbst im stressigen Berufsalltag habe er sich die Zeit genommen und sei auf einem gemieteten Fahrrad ein paar Kilometer gefahren. Vielleicht ein kleines Geheimnis des hohen Alters: die langen Spaziergänge mit seinem Hund Bobby, ein Boxer. „Ich war immer Frühaufsteher und bin mit ihm sonntags drei bis vier Stunden Gassi gegangen“, erzählt Ley.

 

Gefeiert wurde am Freitag im Residenz Ambiente in Gummersbach, wo Ley inzwischen lebt. Niemand wollte sich entgehen lassen, ihm Glückwünsche und Geschenke zu überbringen. Verwandte sind gekommen, genauso wie Gummersbachs stellvertretender Bürgermeister Jürgen Marquardt (CDU). Vom Personal des Residenz Ambiente gab es eine große Torte. „Ich kann Ihnen Hoffnung machen“, sagte Marquardt, „nächste Woche feiert hier im Haus eine Frau ihren 104. Geburtstag. Seine Mitbewohnerinnen, die dem Jubilar nicht nur ein Ständchen sangen, sind überzeugt: Hermann Ley wird das toppen und mindestens 105 Jahre alt.

 

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Ley blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Geboren wurde er im heutigen Gummersbacher Ortsteil Friedrichstal. Er ging auf das Gymnasium Moltkestraße und später auf die Höhere Handelsschule. Die konnte er aber nicht abschließen. Der Grund: Lehrermangel. Die befanden sich alle bereits im Krieg. Die Nazi-Zeit hat er hautnah miterlebt, dreieinhalb Jahre musste er als Soldat im 2. Weltkrieg kämpfen. Eine dunkle Phase, die ihn sehr geprägt hat, wie er sagt: „Ich war damals gerade einmal 20 Jahre alt.“

 

Äußerst spannend sind seine Erinnerungen an seine Flucht aus Bulgarien, wo er im August 44 in Warna am Schwarzen Meer stationiert war. Mehrfach musste er sich auf seiner Flucht mit einem Kameraden über Sofia, Skopje, Wien und Prag nach Berlin nicht nur von den Bombern der Alliierten verstecken, sondern auch vor den SS-Divisionen. Dabei habe er jeden Trick angewandt, der ihm zur Verfügung stand. U.a. habe er sich auch selbst degradiert: „Am Ende sind wir als Leichtmatrosen aufgetreten.“ Die richtigen Dienststempel und Formulare taten ihr Übriges.

 

Verhaftet wurde Ley wegen Fahnenflucht später trotzdem in Kiel. Doch seine Erklärungen waren plausibel genug, schließlich war die Flotte versenkt worden: Nach einem sechswöchigen Sonderurlaub, in dem er für nicht kriegsfähig eingestuft wurde, musste er in der Schlussphase des Krieges nach Finnland, „wo ich den gesamten Rückzug mit all dem Elend mitgemacht habe“.

 

Anschließend holte er seine verpassten Ausbildungsjahre mit einem Fernstudium an der Uni Erlangen nach. Seine Kenntnisse als Betriebswirt waren in den Nachkriegsjahren besonders wichtig. 1948 lernte er einen Tag vor der damaligen Währungsreform zudem seine spätere Ehefrau Gisela auf einem Fest in Niederseßmar kennen. „Sie gefiel mir sofort“, umspielt beim Gedanken an sie ein Lächeln seine Lippen.

 

Mit ihr baute er sich ein Haus in Bergneustadt und zudem eine Familie auf. Drei Söhne (heute 68, 72, 74 Jahre alt) bekommt das Ehepaar. Heute blickt er auf eine große Familie: Es folgten noch drei Enkelkinder, die beiden Urenkelinnen sind zehn und zwölf Jahre alt. Sein beruflicher Aufstieg vollzog sich rasend schnell. Er war noch nicht ganz 40 Jahre alt, als er erstmals Prokura bekam. Später wurde er Geschäftsführer der Firma Gizeh in Bergneustadt. Sein Erfolgsgeheimnis: „Ich habe mich immer weitergebildet.“ Später hat sich Ley auch selbstständig gemacht.

 

Gelebt hat er trotzdem, ist mit seiner inzwischen verstorbenen Frau viel auf Reisen gegangen. „Ich habe ihr ein bisschen die Welt gezeigt“, erinnert er sich an Reisen nach Nordamerika und Afrika. Obwohl Hermann Ley für sein Alter noch topfit wirkt und schnellen Schrittes mit seinem Rollator unterwegs ist, vermisst er doch eine Sache: das Autofahren. Seine Familie lebt in Nord- und Ostdeutschland. „Ich würde sie gerne mehr besuchen“, erzählt er, doch nach einem Problem mit dem Herz, in dessen Folge er einmal ohnmächtig geworden ist, hat er den Führerschein freiwillig abgegeben, um niemanden zu gefährden.

 

Sein Leben bezeichnet er im Rückblick als „interessant“. Firmen wieder aufzubauen, sei eine spannende Aufgabe gewesen. „Ich habe mich immer durchgesetzt.“ Und dann fällt da doch noch ein Satz, der vielleicht doch verrät, warum Hermann Ley noch so agil wirkt: „Ich hatte noch keine Zeit, alt zu werden.“

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