MEINUNG

Steilvorlage

lw; 07.05.2021, 15:33 Uhr
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Steilvorlage

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lw; 07.05.2021, 15:33 Uhr
Oberberg – Mit ihrem politischen Schachzug im Kreistag haben CDU, FDP/FWO/DU und UWG der Glaubwürdigkeit demokratischer Prozesse einen Bärendienst erwiesen.

Wir befinden uns mitten im DFB-Pokalduell der Bayern aus München bei Holstein Kiel in der zweiten Runde im Januar. Der krasse Außenseiter hat es dank eines couragierten Auftritts bis ins Elfmeterschießen gegen den übermächtigen Rekordmeister geschafft. Schließlich verschießen die haushohen Favoriten tatsächlich einen Elfer, bevor Routinier Fin Bartels die Nordlichter in Ekstase versetzt. Doch was ist das? Manuel Neuer und Thomas Müller fahren ihre Reklamier-Arme aus und reden auf den Schiedsrichter Robert Schröder ein. Nach kurzer Unterredung nickt der Mann aus Hannover schließlich und kommandiert alle wieder zum Mittelkreis. Das Elfmeterschießen geht weiter. So lange, bis die Bayern die Hände in die Höhe recken...

 

Direkt vorweg: Natürlich hinkt der Vergleich eines Fußballspiels mit einem politischen Schachzug in einem kommunalen Gremium, wie er gestern beim Kreistag zu beobachten gewesen ist. Michael Stefer (CDU) ist auch nicht Manuel Neuer, Reinhold Müller (FDP/FWO/DU) nicht Thomas Müller und Landrat Jochen Hagt (CDU) schon gar nicht Robert Schröder. Inhaltlich hat es auch nichts miteinander zu tun, zumal es an dieser Stelle nicht um die finanziellen Konsequenzen des einen oder des anderen Beschlusses gehen soll, der gestern zurückgenommen beziehungsweise gefasst wurde. Außerdem ist das Ende des Fußballspiels so nicht passiert. Der politische Schachzug aber schon.

 

Das Gefühl jedoch, dass dieses fiktive Beispiel bei Fans auslösen würde, ist sehr wohl mit dem Signal zu vergleichen, das gestern den Wählern und zukünftigen Wählern gegeben wurde. Wer die Macht hat, macht auch die Regeln oder weiß sie zumindest stets zum eigenen Vorteil zu nutzen. Das ist ein klassisches Vorurteil von Menschen, die der Politik und politischen Entscheidungen kritisch gegenüberstehen. Worauf die Gegenseite gerne die Verlässlichkeit des demokratischen Prozesses ins Feld führt: Mehrheiten entstehen nach ausführlicher Diskussion auf der Basis der richtigen Entscheidung für das Wohl der Bürger, Mehrheitsentscheidungen haben Bestand und die unterlegene Minderheit akzeptiert diese auch. Wenn die Wähler sich darauf nicht mehr verlassen können, kommt die Politik in Erklärungsnot. Und aus Vorurteilen werden Urteile.

 

Das Vorgehen von CDU/FDP/FWO/DU und UWG gestern war zwar zulässig. Aber es wird aller Voraussicht nach nicht nur Auswirkungen auf die künftige Arbeit im Kreistag haben und auf die Kommunikation zwischen Kreis und Kommunen. Das Vorgehen ist vor allem den meisten Bürgern schlicht nicht vermittelbar – erst recht nicht jenen, die ohnehin schon Zweifel an politischen Vorgängen haben. Um nochmal einen Fußballvergleich zu bemühen: Die Parteien haben gestern der Politikverdrossenheit eine Steilvorlage gegeben, die zielsicher in der unteren rechten Ecke versenkt wurde.

 

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KOMMENTARE

1

Sehr guter und sehr treffender Kommentar!

Thomas Döpp, 07.05.2021, 20:26 Uhr
2

danke für den Kommentar. Wäre schön, wenn die Adressaten ihn auch lesen würden...

Kaufmann, 10.05.2021, 07:48 Uhr
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