LOKALMIX

Wissen, wo man steht

lw; 08.03.2024, 13:13 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Freuen sich, wenn viele mit Edmund Schiefeling auf Lernreise gehen: Bürgermeister Dr. Gero Karthaus zusammen mit den ATG-Schülern (v.li.) Sara Larfeld, Collin Bernau, Lilian Tillmann und Robin Locker.
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Wissen, wo man steht

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lw; 08.03.2024, 13:13 Uhr
Engelskirchen – Multimediale Informationsstele über Edmund Schiefeling wurde heute präsentiert – ATG-Schüler setzten sich mit Leben des engagierten Demokraten auseinander und gestalteten Programm.

Von Lars Weber

 

Mehrere hundert Menschen haben sich heute auf dem Edmund-Schiefeling-Platz in Engelskirchen versammelt, um ein Zeichen für Demokratie und gegen Ausgrenzung zu setzen. Die Veranstaltung fand aber nicht im Fahrwasser der bundesweiten Demonstrationen statt, sondern hatte einen viel persönlicheren Anlass: Die Präsentation der multimedialen Informationsstele, die nicht nur an den Namensgeber des Platzes erinnern soll, sondern die Interessierten mitnimmt auf eine kleine Lernreise über den engagierten Demokraten, Journalisten und von den Nazis verfolgten Edmund Schiefeling (siehe Kasten). Gestiftet wurde die Stele von den Nachfahren Schiefelings, die vor allem erreichen möchten, dass sich junge Menschen mit der Geschichte auseinandersetzen. Wie gut das gehen kann, zeigten die Schüler des Aggertal-Gymnasiums, die das Programm an diesem Morgen komplett selbst gestaltet hatten.

 

[Die Neuntklässler hatten das Stück zwei Monate geprobt. Ihre Performance überzeugte das Publikum.]

 

Mit dabei waren Neuntklässler des Kurses „Darstellen und Gestalten“, der Vokalpraxiskurs und Bands aus der Q1 und Q2. Besonders beeindruckend und auch bedrückend geriet die Theaterperformance der Neuntklässler. Für das Stück durfte Schauspielerin und Trainerin Heike Bänsch einen Blick in das private Archiv der Familie Schiefeling werfen und in vielen Briefen stöbern. „Schiefeling hat alles Erlebte aufgeschrieben, nachdem er freigekommen war.“ Die Performance der Schüler, die inmitten des Publikums startete, nutzt nur Originalzitate aus den Briefen. So entstanden eindringliche Schlaglichter auf das Leben des Engelskircheners, auf die Verfolgung, auf die Methoden der Nazis und nicht zuletzt auf die Standhaftigkeit, die er an den Tag legte.

 

Das Stück war sozusagen ein kleiner Vorgeschmack auf das, was jene Interessierte erwartet, die sich mit der Stele näher beschäftigen. Schon die Illustration (gestaltet von Astrid Jaekel) weist auf viele Ereignisse im Leben des Engelskircheners: Wie er gegen die Nazis als Chefredakteur der „Bergischen Wacht“ anschrieb, wie er seine Familie verlassen musste und in die Niederlande floh, von seinen Verhaftungen, aber natürlich auch von seiner kurzen Zeit als Bürgermeister, als er den Wiederaufbau seiner Heimat vorantrieb. Auch auf die Ohren gibt es etwas: In drei Hörszenen wird aus der Perspektive von Schiefeling erzählt, wie es damals zuging. Dafür muss eine Kurbel betätigt werden, die den nötigen Strom liefert. Per QR-Code kommt man weiter auf die neue Internetseite, wo es noch mehr Informationsangebote gibt.

 

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Extra für den Tag wurde zudem ein Lied einstudiert, das Schiefeling selbst 1944 geschrieben hatte. In diesem beschreibt er poetisch seine Heimat, das Wasser, die Wälder. „Die Heimat meiner Kinder sollst du für immer sein.“ Wie sehr diesen ihre Heimat, aber auch ihr Großvater und die Erinnerung an ihn am Herzen liegt, zeigt das große Engagement der Nachfahren, das Bürgermeister Dr. Gero Karthaus als „Glücksfall“ bezeichnet. „Vor vier Jahren haben wir angefangen, damals mit der Überlegung, eine Gedenktafel aufzustellen“, sagte Stefan Lukas. Was daraus nach tausenden Stunden Arbeit sehr vieler Menschen geworden sei, sei „Wahnsinn“. „Für unsere Familie ist es historisch, dass so viele heute hier sind.“

 

Wer war Edmund Schiefeling?

 

Edmund Schiefeling (1882 – 1947) hat sich in Engelskirchen als Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung "Bergischen Wacht" und als engagierter Demokrat einen Namen gemacht. Schiefeling setzte sich frühzeitig gegen den Nationalsozialismus ein und kämpfte trotz Verfolgung und Inhaftierung für die Werte der Demokratie, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Im Jahr 1946 wurde er von der Besatzungsmacht zum Mitglied der Amtsvertretung Engelskirchen ernannt und kurz darauf zum Bürgermeister gewählt. Während seiner kurzen Amtszeit widmete er sich mit großem Engagement dem Wiederaufbau der Gemeinde (Quelle: Gemeinde Engelskirchen).

 

Besonders begleitet haben das Projekt das Bildungsinstitut tinkerbrain aus Lohmar und die Bonner Kulturwissenschaftlerin Dr. Katrin Hieke (OA berichtete), die unter anderem mit der Arbeit am großen privaten Archiv betraut waren – und noch immer sind. „Wir sind noch nicht fertig“, sagte Dr. Hieke heute. Denn das Archiv soll auch online auf der Webseite verfügbar gemacht werden. So wird noch eine intensivere Art der Auseinandersetzung möglich werden.

 

Schon jetzt seien zudem weitere Projekte mit Schülern in der Mache, erzählt Lukas weiter. So wird eine Ausstellung über Schiefeling im Rathaus eröffnet, die von den Schülern des ATG gestaltet ist. „Auch mit der Sekundarschule stehen wir inzwischen in Kontakt.“ Geplant ist weiter eine Wanderung zu historischen Stellen.

 

Bürgermeister Dr. Gero Karthaus (Foto) dankte der Familie, aber auch den Schülern. „Es ist einmalig, dass sich Schüler bei solch einem Projekt derart einbringen.“ Die große Zuschauerzahl – auch viele Politiker waren gekommen, unter ihnen der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Carsten Brodesser - wertete der Rathauschef als „starkes Zeichen nach außen“. Edmund Schiefeling habe „Farbe bekannt“, obwohl er damit sogar das eigene Leben und das seiner Familie gefährdet hatte. Auf diese Hintergründe aufmerksam zu machen, sich damit gesellschaftlich auseinanderzusetzen, klar zu zeigen, wo man steht, um dann für Demokratie und gegen Ausgrenzung und Hass aufzustehen – „Ich hätte nicht vermutet, dass das heute aktueller denn je ist.“

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