LOKALMIX

Wie Ängste und Stress das Herz belasten

lw; 19.10.2022, 16:06 Uhr
Foto: Lars Weber, Grafiken: DAK-Gesundheit --- Wolfgang Brelöhr (Mitte), Chef der DAK-Gesundheit Oberberg, stellte den neuen Report vor. Dr. Michael Petzsch (li.), Chefarzt Kardiologie, und Dr. Bodo Unkelbach, Chefarzt Psychiatrie und Psychotherapie, ordneten die Ergebnisse ein.
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Wie Ängste und Stress das Herz belasten

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lw; 19.10.2022, 16:06 Uhr
Oberberg – DAK-Gesundheitsreport vorgestellt – Immer mehr Fehltage durch psychische Erkrankungen – Erkältungswelle: Im ersten Halbjahr 2022 waren ein Viertel mehr Beschäftigte krankgeschrieben.

Von Lars Weber

 

Depressionen, Neurosen, Angststörungen, häufig unterstützt oder ausgelöst von sozialer Vereinsamung, von Stress im Job oder dem Fehlen eines solchen: Bereits in den vergangenen Jahren führten psychische Erkrankungen zu immer mehr Fehltagen bei den Menschen im Bergischen. Nun ist diese Ursache erstmals an der Spitze. Mit 142 Fehltagen je 100 Versicherten rangieren die Erkrankungen im ersten Halbjahr 2022 noch vor Problemen mit dem Muskel-Skelett-System (140) und des Atmungssystems (128). Dies geht aus dem DAK-Gesundheitsreport hervor, der heute im Kreiskrankenhaus Waldbröl von Wolfgang Brelöhr, Chef der DAK-Gesundheit Oberberg, vorgestellt worden ist. Im Mittelpunkt stand die Wechselwirkung zwischen Psyche und Herzkrankheiten, zu der Dr. Michael Petzsch, Chefarzt Kardiologie, und Dr. Bodo Unkelbach, Chefarzt Psychiatrie und Psychotherapie, Stellung nahmen. Aber auch zum Thema Corona und Erkältungswelle brachte Brelöhr interessante Zahlen mit.

 

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Schon Tobias Schneider, stellvertretender Landrat des Oberbergischen Kreises, wies in seinen Einführungsworten auf den Einfluss der Psyche auf die Gesundheit hin. „Wenn die Lebensfreude sinkt, hat dies auch körperliche Auswirkungen, zum Beispiel auf das Immunsystem.“ Tatsächlich seien Psyche und Herz stark miteinander verbunden, wie der folgende Vortrag zeigte. „Die Rolle von Stress und psychischen Erkrankungen als Risiko für Herzinfarkte wird oft unterschätzt“, so Brelöhr. Dabei verursachten koronare Herzerkrankungen NRW-weit die meisten Fehltage im Jahr (14,3). Besonders Männer seien häufig betroffen.

 

 

Psychische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Probleme reihen sich dabei ein in die klassischen Faktoren wie Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht. Allerdings: Wer psychische Probleme hat, greift auch häufiger zur Zigarette oder zur Tafel Schokolade und bewegt sich weniger. „Depressionen und negativer Stress sind aber auch für sich genommen eine große Belastung, die buchstäblich ans Herz gehen“, so Brelöhr.

 

Die Experten bestätigten diese Wechselwirkung. Dr. Unkelbach hob hervor, dass es sehr schwer sei, seine Lebensgewohnheiten umzustellen, erst recht mit einer Depression. „Es ist ein Teufelskreis.“ Häufig setzten Patienten auch aus Bequemlichkeit alle Hoffnung in Medikamente. Dabei sei es das Ziel, den Menschen zurück zur Selbstbestimmung zu führen. Nicht leichter mache es die ambulante Behandlungssituation im Oberbergischen. „Es gibt einfach zu wenig niedergelassene Psychiater und Therapeuten.“ Die Wartezeit betrage teils neun Monate. Zeit, in denen sich die psychischen Probleme manifestieren können. „Das ist eine Katastrophe.“

 

 

Gerade das Übergewicht sei in den vergangenen zehn Jahren zunehmend ein größeres Problem geworden, erläuterte Dr. Petzsch. „Früher hatten wir vielleicht jedes Halbjahr einen Patienten, der 150 Kilo wog. Heute jede Woche. Mit Argumenten zur Änderung der Lebensweise erreiche man aber viele Patienten nicht. „Dabei haben wir von den Risikofaktoren viele in der eigenen Hand.“ Kein Rauchen, gesündere Ernährung (weniger Fleisch, Zucker und Salz) und viel Bewegung, so ließen sich auch Zuckererkrankungen in den Griff kriegen, je nach Typ sogar aufschieben. „Aber der Mensch ist schwach“, so Dr. Petzsch.

 

Beide Medizinier plädierten dazu, die Diskussion in der Gesellschaft stärker zu führen. „Warum ist ungesunde Nahrung so billig? Warum liegen solche Produkte im Supermarkt auf Sichthöhe von Kindern?“, fragt Dr. Petzsch. Auch Schulen und Kitas seien gefragt, die sozialen Kompetenzen der jungen Generation stärker zu fördern und zu fordern. „Man muss lernen, Beziehungen zu führen und auch mal Konflikte bewältigen“, so Dr. Unkelbach. Davon erhofft er sich, dass Einsamkeit eine kleinere Rolle in der Gesellschaft spielt. „Wir Menschen brauchen ein stabiles soziales Netz.“

 

 

Der DAK-Gesundheitsreport zeigte aber nicht nur die Entwicklung bei den psychischen Erkrankungen, sondern auch eine deutlich höhere Zahl an Fehltagen bei den bergischen Erwerbstätigen im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Krankenstand lag bei 4,3 Prozent und damit um fast ein Viertel über dem Niveau des ersten Halbjahrs 2021. Das bedeutet, dass an jedem Tag bis Ende Juni durchschnittlich 43 von 1.000 DAK-versicherten Beschäftigten krankgeschrieben waren. Größter Anstieg war mit 69 Prozent im März. Verantwortlich seien vor allem Erkältungen und Atemwegserkrankungen gewesen. „Parallel zu den Lockerungen der Pandemie-Schutzmaßnahmen im März 2022 konnte sich eine ausgeprägte Erkältungswelle entwickeln“, so Brelöhr.

 

 

Und Corona? Die Fehltage mit dieser Ursache seien um das Sechsfache angestiegen. Statistisch gesehen kamen auf 100 Versicherte 49 Corona-Fehltage, 41 mehr als im ersten Halbjahr 2021. Das Bergische liegt dabei über dem Landesschnitt, der bei 45,8 Fehltagen im ersten Halbjahr 2022 liegt. Damit machten sich die Fehltage in der Region aufgrund von Corona erstmals deutlich bemerkbar.

 

Prävention
 

Letztlich seien viele Erkrankungen und Fehltage mit der passenden Prävention verhinderbar oder zumindest reduzierbar. Brelöhr rät dazu, die Angebote der Krankenkassen und der Betriebe in Anspruch zu nehmen. So würde die Möglichkeit des medizinischen Check-Ups ab 35 Jahren nur von etwa der Hälfte der Versicherten genutzt. Mit der Untersuchung sollen Herz-Kreislauf-Erkrankungen früh erkannt werden. Rund 30 Prozent der Versicherten sei gar nicht bekannt, dass dieses Angebot existiert.

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