LOKALMIX

Generationswechsel zwischen Trauer und Zuversicht

lw; 09.07.2021, 12:58 Uhr
Foto: Lars Weber --- Thorsten Konzelmann (li.), Vorsitzender der SPD Oberberg, und Sven Lichtmann, neuer Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion.
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Generationswechsel zwischen Trauer und Zuversicht

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lw; 09.07.2021, 12:58 Uhr
Oberberg – Nach dem Tod des langjährigen Vorsitzenden der Kreistagsfraktion Ralf Wurth musste sich die SPD schnell neu aufstellen – Sven Lichtmann und Thorsten Konzelmann im Gespräch.

Von Lars Weber

 

Ein unerwarteter Schock war es für die oberbergische Politik, als am 19. Juni der Sozialdemokrat Ralf Wurth tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Der 61-Jährige war ein geschätzter Lokalpolitiker, der seit 1994 dem Rat seiner Heimatstadt Wipperfürth und ganze 37 Jahre lang dem Kreistag angehörte, mehr als zweieinhalb Jahrzehnte als Vorsitzender der SPD-Fraktion. Die oberbergische SPD um den Vorsitzenden Thorsten Konzelmann trauerte um eine prägende Persönlichkeit, musste zugleich aber schnell reagieren – und fanden in dem 30-jährigen Gummersbacher Sven Lichtmann sogleich einen kommissarischen Fraktionschef. Inzwischen wurde er bei einer außerordentlichen Sitzung einstimmig zum neuen Vorsitzenden der Sozialdemokraten im Kreistag gewählt. Gestern hatten Lichtmann und Konzelmann ins SPD-Kreisbüro in Ründeroth zum Sommergespräch geladen. Dort sprachen sie über…

 

… den Generationswechsel

 

Geplant sei dieser eigentlich noch nicht gewesen, Wurth war weiterhin hochmotiviert und sehr engagiert. Umso größer sei der erste Schock gewesen, den es aber auch schnell zu verarbeiten galt. „Der Fraktionsvorsitz ist eine wichtige Position, wir wollten die Nachfolge schnell klären, auch um handlungsfähig zu bleiben und den Gesprächsfaden mit Verwaltung und den anderen Fraktionen zügig wieder aufzunehmen“, erklärt Konzelmann die schwierige Situation. Dass mit Lichtmann, der zuvor schon im Fraktionsvorstand gleichberechtigter Stellvertreter Wurths war, ein junger Sozialdemokrat jetzt Verantwortung übernimmt, macht Konzelmann auch stolz. Stellvertretende Vorsitzende sind weiterhin Heidrun Schmeis-Noack und Nahed Stark. Außerdem gehören dem Fraktionsvorstand der stellvertretende Landrat Tobias Schneider sowie Konzelmann selbst an. Das Team verfügt also über große kommunalpolitische Erfahrung.

 

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… die Fraktionsarbeit unter dem „Neuen“

 

So viel soll sich gar nicht ändern unter Lichtmann, auch wenn er sicherlich seinen eigenen Stil verfolgen wird. „Wir wollen weiterhin als Team im Kreistag auftreten, wir brauchen die Kraft aller für die breite Palette an Themen“, sagt Lichtmann. Auch der Ton, das war bereits bei der letzten Kreistagssitzung vor der Sommerpause (die erste ohne Wurth) zu spüren, wird angriffslustig bleiben. Die Entwicklung ist schon seit Beginn der Legislaturperiode zu bemerken und gipfelte in dem Hick-Hack um die Verabschiedung des Doppelhaushalts und den Umgang mit der Ausgleichsrücklage (OA berichtete). Die demokratischen Spielregeln seien nicht eingehalten wurden, so Lichtmann. „Das war ein Vertrauensbruch.“ Trotzdem solle weiterhin mit allen Fraktionen – Ausnahme ist jene der AfD – themenorientiert gesprochen werden. Denn egal, wie hitzig es in der Diskussion zugehen mag: „Es muss um die Sache gehen!“ Die Zusammenarbeit mit Grünen und der Gruppe der Linken solle weiter gepflegt werden.

 

… wichtige Themen die kommenden Jahre

 

Das Großprojekt Kreishausneubau beziehungsweise -Erweiterung möchte die SPD stoppen. „Das ist ein unnötiges Prestigeobjekt“, sagt Lichtmann. Geld für die Verbesserung der Arbeitsstrukturen der Verwaltung müsse trotzdem fließen, davor sollten aber die Arbeitssituationen überprüft werden, gerade im Hinblick auf das Homeoffice. Im Zusammenspiel mit einer stärkeren Digitalisierung der Strukturen geht die SPD von weniger Raumbedarf aus. Für die Digitalisierungsprojekte sollte eine extra Stelle geschaffen werden, auch in anderen sozialen Bereichen (Rettungsdienst, Gesundheitsamt, Bildung) sollte ins Personal investiert werden. An anderen Stellen, gerade in der Kernverwaltung, müsse dringend gespart werden. Eingreifen möchten die Sozialdemokraten zudem in den Wohnungsmarkt, um über die Oberbergische Aufbaugesellschaft in Kooperation mit den Kommunen den geförderten Wohnungsbau voranzutreiben. „Die öffentliche Hand muss selbst tätig werden, zum Beispiel über genossenschaftliche oder Erbpachtmodelle.“ Ansonsten werde es weiter kaum bezahlbaren Wohnraum geben.

 

… den Werdegang Lichtmanns

 

Sein Abitur machte der Gummersbacher am Gymnasium Moltkestraße, dem heutigen Lindengymnasium, bevor er nach dem Zivildienst sein Studium in Bonn aufnahm. Am Albertus-Magnus-Institut arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und zugleich an seiner Philosophie-Dissertation über politische Philosophie des 13. Jahrhunderts. Magnus‘ Werk steht im Fokus dieser Arbeit, dadurch beschäftigt sich Lichtmann auch dort viel mit kommunalen, demokratischen Strukturen, nur eben ein paar Jahrhunderte früher. Privat ist er verwurzelt in Gummersbach und hat vor kurzem mit seiner Frau ein Haus gekauft. Mitglied der SPD ist er seit 2008, seit 2013 führt er den Gummersbacher Stadtverband. Weitere Ämter möchte er in Zukunft nicht ausschließen, jetzt möchte er sich aber erstmal auf die neuen Aufgaben konzentrieren.

 

… die wichtigen Wahlen in diesem und im kommenden Jahr

 

Dieses Jahr die Bundestagswahl, 2022 die Landtagswahl: Konzelmann spricht da gerne von „Schicksalswahlen“. Der Begriff sei zwar etwas ausgelutscht, passe aber durchaus. „Die Stellung der SPD im Parteiensystem steht auf dem Spiel“, sagt er. Die Sozialdemokraten würden gerne vor den Grünen bleiben. Das Potenzial dazu sehen Lichtmann und Konzelmann – trotz Wählerwanderungen, dem Wegfall des eigenen, einst angestammten Klientels, schwindenden Mitgliederzahlen und guter, aber nicht goutierter Arbeit in der Großen Koalition. „Wir müssen die Sprache wiederfinden, um die Menschen zu erreichen, die wir verloren haben“, sagt Lichtmann. Der Schlüssel liege dabei auch weiterhin in sach- und menschenorientierter Politik. Die Worthülse Sozialdemokratie müsse wieder gefüllt werden.

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