LOKALMIX

"Es rollt alles, was Räder hat"

pn; 19.08.2020, 06:00 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung --- Nicht nur in Bergneustadt sorgen volle Schulbusse derzeit für Diskussionen bei besorgten Eltern.
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"Es rollt alles, was Räder hat"

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pn; 19.08.2020, 06:00 Uhr
Oberberg - Zusätzliche Fahrzeuge sollen für Entlastung in den Schulbussen sorgen - OVAG fordert Entzerrung der Unterrichtszeiten.

Von Peter Notbohm

 

Eine Woche ist seit dem Schulstart vergangen. Während die oberbergischen Schulen bislang kaum Probleme mit der Umsetzung der Hygienekonzepte vermelden, sorgt das Thema „Schulweg“ weiter für erhitzte Gemüter. „Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass Kinder nur zu sechst in einer Sportumkleide sein dürfen oder auf dem Pausenhof Abstand halten müssen, mittags aber verschwitzt nebeneinander im Bus stehen müssen“, äußert Vanessa Klawunder, eine Mutter aus Reichshof, gegenüber der OA-Redaktion ihren Unmut. Auch Christoph Menn-Hilger, Schulleiter des Gymnasiums in Lindlar, hatte am ersten Schultag von „sehr vollen Bussen“ und „Grüppchenbildung an den Haltestellen“ berichtet.

 

Corinna Güllner, Geschäftsführerin der Oberbergischen Verkehrsgesellschaft (OVAG), weiß um die Probleme und hat Verständnis für den Unmut von Eltern und Schülern, aber auch ihr sind die Hände weitgehend gebunden. „Auch vor Corona hatten wir volle Busse und zwischen sieben und acht Uhr rollt bei uns alles, was Räder hat“, sagt sie. Auf manchen Strecken würden in den Hochzeiten bis zu sechs Busse hintereinanderfahren, das Einhalten von Mindestabständen sei unter den aktuellen Voraussetzungen aber trotzdem nicht umsetzbar. „So lange der Unterricht an allen Schulen gleichzeitig beginnt, werden wir nicht die Möglichkeit haben, Kapazitäten umzuverteilen. Das muss allen Beteiligten klar sein“, so die Geschäftsführerin. Sie plädiert für eine Entzerrung der Unterrichtszeiten, wenn die Politik am Präsenzunterricht festhalten will.

 

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Dabei dürfe es aber nicht nur um ein paar Minuten gehen, die Abstände müssten spürbar sein, damit sich die Schüler auf mehrere Busse verteilen. „Aus Sicht des ÖPNV ist das die einzige Lösung, um den Busverkehr deutlich zu entlasten“, führt sie weiter aus. Dass sie mit diesem Vorschlag nicht nur auf Gegenliebe stößt, ist ihr bewusst: „Alle Parteien werden sich bewegen müssen. Am Ende müssen jede Schule, alle Eltern und natürlich auch die Schüler in einem solchen Konzept mitspielen.“

 

Die erste Schulwoche bezeichnet Güllner als „Phase des Einschwingens“. Zum Schulbeginn beobachte der Verkehrsbetrieb jedes Jahr, auf welchen Linien die Fahrgastzahlen steigen und wo sie eher zurückgehen und justiert Kapazitäten entsprechend nach. Aber auch in Zeiten von Corona gelte, dass die Anzahl der verfügbaren Busse endlich sei. Daran ändert auch nur wenig, dass das NRW-Verkehrsministerium kurz vor dem Schulbeginn landesweit Mittel für 1000 zusätzliche Busse zur Verfügung gestellt hat. Die Schulträger können zusätzliche Busse und private Busunternehmen mit der Beförderung beauftragen. Die Maßnahme gilt zunächst für 43 Tage bis zu den Herbstferien. 13,5 Millionen Euro sollen hierfür zur Verfügung gestellt werden. Im Oberbergischen macht das ein Plus von 15 Bussen.

 

[Die OVAG sucht nach Lösungen und drängt auf Gespräche mit Vetretern der Schulen und Kommunen.]

 

Für die Gesamtschule in Reichshof ist neben dem Linienbus-Verkehr ein „Schüler-Spezialverkehr“ eingerichtet, um die Situation möglichst zu entzerren und die Schüler - auch aus Nachbarkommunen - zum Unterricht zu bringen. Bis zu 90 Schüler hätten sich in einem Bus drängen müssen, berichtet Marc Hermes, Abteilungsleiter für Schule, Jugend und Sozialamt. Durch den Einsatz von vier zusätzlichen Bussen habe man diese Zahl auf 30 bis 60 Schüler reduzieren können. Insgesamt 1001 der 1099 Schüler müssen täglich befördert werden. Auf die Frage, ob die Verwaltung mit dieser Reduzierung zufrieden sei, weicht Hermes ein wenig aus.

 

„Das Problem ist, dass der Einsatz der Busse auch logistisch Sinn machen muss und der Gesetzgeber zwar Vorgaben über die Dauer des Schulwegs macht, aber keine darüber, wie viele Schüler in einem Bus wegen Corona maximal befördert werden dürfen.“ Auch er verweist darauf, dass die Kapazitäten der Busunternehmen endlich seien und spricht sich für einen gestaffelten Schulbeginn aus. Von der Landesregierung hätte er sich mehr Vorlaufzeit gewünscht, um Konzepte umsetzen zu können. Erst am 7. August sei der Erlass der Landesregierung für die Fördergelder öffentlich geworden – fünf Tage vor Schulbeginn.

 

Mund-Nasen-Schutz im ÖPNV unverzichtbar

 

Die Maskenpflicht in Bus und Bahn ist aus Sicht von Corinna Güllner weiterhin unverzichtbar. Sie begrüßt die Bußgelder für Masken-Verweigerer. „Unsere Busse sind 2,55 Meter breit, sobald jemand durch den Mittelgang geht, ist er schon zu nah an den sitzenden Fahrgästen.“ Bislang sind im Oberbergischen keine Ansteckungen bekannt, die dem ÖPNV zuzurechnen sind. Die Mitarbeiter der OVAG dürfen zwar keine Bußgelder verteilen, die Fahrer sind aber angehalten, Fahrgäste anzusprechen und widerwilligen Menschen die Weiterfahrt zu untersagen. Zusätzlich weist sie noch einmal darauf hin, dass die Maskenpflicht nicht nur in den Fahrzeugen gelte, sondern auch an den Haltestellen. Die vergangenen Wochen hat das Unternehmen dazu genutzt, in fast allen Bussen Trennscheiben für die Fahrer zu installieren, sodass Fahrgäste wieder vorne einsteigen können und damit auch der Ticket-Verkauf im Bus wieder ermöglicht ist.

KOMMENTARE

1

Früher schon waren die Busse übervoll. Die Politik hat sich nicht dafür interessiert. Die Retourkutsche wird jetzt kommen.

Daniel F., 19.08.2020, 07:46 Uhr
2

Meine Tochter (5.Klasse) wurde auch schon vor Corona in GM (Haltestelle Rathaus) stehen gelassen, mit der Aussage vom Fahrer: "Der Bus ist voll, müsst ihr auf den nächsten warten"!
Auf den nächsten hätte sie über eine Stunde warten müssen!!!

Mutter von Schulkindern, 20.08.2020, 10:01 Uhr
3

Die "große Politik" versagt mit jedem Tag mehr und die Behörden sind hilflos oder desinteressiert oder ignorant. Wer aller Beteiligten wusste nicht, wie die
Situation auf Bahnsteigen oder an Bushaltestellen ist? Masken zu 99,9 % Fehlanzeige und zwar grundsätzlich, d.h. nicht nur SchülerInnen tragen keine Masken. Nachdem es mir als Risikopatientin am 17.08.2020 nicht möglich war,
die Bahn zu benutzen, weil auf dem Bahnsteig Trauben von SchülerInnen waren (an der Bushaltestelle noch schlimmer - dicht an dicht) selbstverständlich alle ohne Maske, schrieb ich an die Gemeindeverwaltung Marienheide. Vor Monaten informierte ich den Oberbergischen Kreis über die Nichteinhaltung der Maskenpflicht - darunter auch immer wieder Bahnbedienstete. Ganz zu schweigen von der Situation in den Zügen.

Cornelia Lang, 22.08.2020, 14:36 Uhr
4

Da ich bisher keine einzige Kontrolle sah, begann ich mit viel Zivilcourage selbst für mich und andere zu sorgen. Ergebnis: Ignoranz der MaskenverweigerInnen, Auslachen und Bedrohung. Wünschenswert ist zunächst einmal, dass Eltern ihre Kinder dazu bringen, die Maskenpflicht auf
Bahnsteigen und an Bushaltestellen einzuhalten und vor allen Dingen in Bus und Bahn. Zur Landesregierung: "...Fünf Tage vor Schulbeginn..." !!!! Es ist einfach unsäglich, weil Menschenleben gefährdend, was diese (Landes-)Regierung sich leistet. Die OVAG habe ich nur 1 x benutzt am 14.08.2020 benutzt - für diese Fahrt kann ich nur bestätigen, was Frau Güllner sagt. Der Busfahrer redete Tacheles zu der Masse von SchülerInnen im hinteren Teil des Busses, die entweder keine Maske trugen oder sie irgendwo hängen hatte.

Cornelia Lang, 22.08.2020, 14:55 Uhr
5

Wenn es ein ordentliches Corona Schulkonzept gäbe, hätten wir diese Probleme nicht! Aber Schüler die bei 30 Grad 8 Stunden am Stück mit anderen 29 Mitschülern im Klassenraum sitzen müssen, sind heil froh, diese mal abzusetzen. Auch wenn es NICHT Richtig ist, kann ich das Verhalten gut nachvollziehen. Das Problem sollte man an der Wurzel packen und sich mal damit beschäftigen, was wir unseren Kindern alles antun und das schon über Monate. Psychologen wird es in Zukunft nicht genug geben, um dieses Dilemma gerade zu biegen.

Mutter (43) von schulpflichtigen Kindern, 22.08.2020, 23:22 Uhr
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