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RSV- und Influenza-Welle: Kinderarztpraxen am Anschlag

lw; 07.12.2022, 15:00 Uhr
Symbolfoto: Semevent auf Pixabay
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RSV- und Influenza-Welle: Kinderarztpraxen am Anschlag

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lw; 07.12.2022, 15:00 Uhr
Oberberg – 90 und mehr Patienten am Tag – Hohe Auslastung auf der Kinderstation des Kreiskrankenhauses in Gummersbach.

Von Lars Weber

 

Husten, Schnupfen, Fieber: Atemwegserkrankungen vor allem bei Kindern sind momentan in ganz Deutschland auf dem Vormarsch. Kinderärzte kommen an ihre Grenzen und besonders das RS-Virus (Respiratorische Synzytial-Virus), aber auch die Influenza, sorgen dafür, dass die entsprechenden Stationen in den Krankenhäusern voll sind. OA hat beim Klinikum Oberberg und bei Dr. Björn Hoffmann, Obmann des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte in Oberberg, nachgehört, wie die Situation in den Praxen und dem Krankenhaus ist, wie das RS-Virus zu erkennen ist und was sie Eltern raten.

 

Wie ist die Belegung auf der Kinderstation des Kreiskrankenhauses?

 

„Die Kinderklinik verzeichnet seit Wochen eine hohe Auslastung“, teilt Angela Altz, Sprecherin beim Klinikum Oberberg, mit. Behandelt würden zurzeit sehr viele Säuglinge und Kleinkinder, die am RS-Virus leiden. Aber auch viele Influenza-Fälle werden versorgt. „Auf der Kinderstation haben wir 24 Betten, von denen aktuell zwölf mit Kindern belegt sind, die an RSV leiden“, so Altz (Stand: 6. Dezember). „Auf der Frühgeborenen-Intensivstation nutzen wir ebenfalls Zimmer, in denen keine Frühgeborenen versorgt werden, um kranke Säuglinge aufzunehmen.“ Rund die Hälfte der erkrankten Kinder leiden am RSV. Allerdings sei die Belegung nur eine Momentaufnahme. Die Situation sei sehr dynamisch. Bei der Behandlung der Kinder werde auch auf zusätzliches Personal von der Wöchnerinnenstation gesetzt. Um die RSV- und Influenza-Welle zu stemmen, arbeiteten die Kinderkliniken in NRW zusammen.

 

Wie sieht es in den Kinderarztpraxen aus?

 

„Wir werden aktuell überlaufen“, sagt Dr. Björn Hoffmann, der eine Praxis in Hückeswagen führt. 80 bis 90 Patienten und mehr am Tag seien gerade in den oberbergischen Kinderarztpraxen normal. Nicht nur der RS-Virus halte sie dabei auf Trab, sondern neben der Influenza auch Bronchitis oder normale Erkältungen. Und neben den aktuellen Krankheitsfällen müssten die Praxen außerdem noch die Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen stemmen. „Es ist eine große Belastung für uns.“ Nicht viel anders sehe es bei den kinderärztlichen Notdiensten aus. „Wir arbeiten alle am Anschlag.“

 

Gibt es mehr Behandlungen im Vergleich zu den Vorjahren?

 

„Sehr viel mehr“, sagt Dr. Hoffmann deutlich. Was auch damit zusammenhänge, dass Ärzte den signifikanten RSV-Husten auch ohne Testungen schnell erkennen. „Den Husten hat man im Ohr.“ Dieser sei trocken, hinten raus etwas pfeifend und blechern, versucht der Kinderarzt zu beschreiben. Eine Influenza-Erkrankung sei dagegen beispielsweise nicht so klar zu benennen. Auch das Klinikum Oberberg spricht von einer deutlichen Zunahme bei RSV-Behandlungen. „Die Kinder waren in den vergangenen zwei Jahren wenige Infekte gewöhnt, sodass ihr Immunsystem nicht trainiert wurde“, so Altz. Ähnliche Vermutungen hat auch der Kinderarzt. Gerade die Kontaktbeschränkungen und das Tragen der Masken habe bei den älteren Kindern dafür gesorgt, dass dieses Trainieren des Immunsystems ausgeblieben sei.  

 

Welche Kinder erkranken am RS-Virus?

 

Tatsächlich erkranken vor allem Säuglinge und Kleinkinder schwerer. Betroffen sind laut Altz Kinder im Alter zwischen sechs Wochen und zwei Jahren. Die Säuglinge steckten sich vorwiegend bei älteren Geschwistern an. In den Kindergärten verbreite sich das RS-Virus zurzeit, führe aber in der Regel bei dieser Altersgruppe nur zu einer Erkältung. „Zu Hause kommt es zur Übertragung des Virus auf die kleinen Geschwister.“ Und deren unvorbereitetes Immunsystem wird von den Infekten momentan besonders getroffen, so Dr. Hoffmann.

 

Wie ist der Verlauf einer Erkrankung mit RSV und wie wird behandelt?

 

Das RS-Virus beginnt mit Symptomen wie Schnupfen und Husten. In ernsten Fällen kann es nach vier bis fünf Tagen zu Atemnot führen. „Für Säuglinge und kleine Kinder gehen die obstruktiven Bronchitiden mit Luftnot einher, sodass 90 Prozent eine Sauerstoff-Therapie benötigen“, erzählt Altz. Die Therapie in der Klinik dauert zwischen fünf und sieben Tagen. „Danach können die Kinder nach Hause, leiden dann aber noch ein bis zwei Wochen unter Husten.“  

 

Was wird Eltern geraten?

 

Mit den normalen Erkältungssymptomen rät Altz dazu, den Kinderarzt aufsuchen. „In der Kinderambulanz des Kreiskrankenhauses kann es in der aktuellen Erkrankungswelle zu langen Wartezeiten kommen.“ Dr. Hoffmann wiederum rät bei normalen Erkältungssymptomen Eltern zunächst einmal zu mehr Gelassenheit. Bei Symptomen, die mit etwas Nasenspray und Hustensaft in den Griff zu bekommen sind, müssten Eltern nicht gleich in die Praxis. „Neben den symptomlindernden Medikamenten hilft da nur Geduld und eine große Tasse Liebe“, so der Kinderarzt mit Blick auf die hohen Belastungen in den Praxen. Auch der kinderärztliche Notdienst würde häufig aufgesucht, obwohl kein Notfall vorliege.

 

Vor einem Besuch in der Praxis sollten sich Eltern fragen: „Ist mein Kind schwer krank, mache ich mir Sorgen um mein Kind? Falls ja, sollten sie natürlich zu uns kommen.“ Dies gelte erst recht, sobald die Atmung des Kindes auffällig wird und der Allgemeinzustand des Kindes sich rapide verschlechtert.

 

Wie lange wird die Welle anhalten?

 

Bis Ende März werde RSV die Kinderärzte vermutlich noch begleiten, sagt Dr. Hoffmann. „Wir Kolleginnen und Kollegen stehen im engen Austausch und tun, was wir können.“  

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