LOKALMIX

"Pandemie war die schwerste Zeit meiner Karriere"

lw; 05.05.2022, 14:07 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Seit dem Jahr 2000 ist das Seniorenzentrum in der Reininghauser Straße 3-5 angesiedelt. Den Umzug organisierte Klaus Peuster als Leiter mit.
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"Pandemie war die schwerste Zeit meiner Karriere"

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lw; 05.05.2022, 14:07 Uhr
Gummersbach - Klaus Peuster verabschiedet sich am morgigen Freitag nach fast 25 Jahren als Leiter des evangelischen Seniorenzentrums in den Ruhestand - Im Interview mit Lars Weber spricht er über die Corona-Zeit, die Bedingungen in der Pflege und seine persönliche Motivation.

OA: Herr Peuster, Ihre Zeit als Heimleitung endet ausgerechnet in einer Pandemie. Waren die vergangenen zwei Jahre die schwersten ihrer Karriere?

Klaus Peuster: Das war die schwerste Zeit, ohne Frage. In der Anfangszeit der Pandemie 2020 hatten wir noch Glück und blieben verschont. Ende Oktober hat es auch bei uns leider massiv angefangen und es gab den ersten von zwei Ausbrüchen. Wir hatten mehrere Sterbefälle, wir hatten Belegungsstopp, das Personal stand unter Quarantäne und durfte nur noch zur Arbeit und nach Hause. Wir hatten viel Umgang mit Behörden, die im Grunde auch mit der Situation überfordert waren. Am meisten gelitten haben aber natürlich die Bewohner, die nicht wie üblich Besucher empfangen konnten. Gerade in der Weihnachtszeit hat das alle hart getroffen.

 

OA: Wie haben Sie diese Zeit persönlich erlebt?

Peuster: Gerade beim ersten Ausbruch war ich selber auch erkrankt. Ich musste zu Hause bleiben und konnte ein paar Wochen nichts machen, mir waren die Hände gebunden. Es war häufig ein Gefühl der Ohnmacht da. Ich war Leitung, ich war verantwortlich, gleichzeitig haben wir uns an alle Maßnahmen gehalten, und das Virus hat trotzdem seinen Weg zu uns gefunden.

 

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OA: Wie waren die Gespräche mit den Angehörigen?

Peuster: Ich bin froh, dass vielleicht 90 Prozent der Angehörigen viel Verständnis aufbringen konnten, auch sehr kooperativ waren. Viele haben gesagt: „Irgendwann musste es ja so kommen.“ Andere haben uns auch schwere Vorwürfe gemacht. Dabei haben wir alles getan, um die Situation zu verhindern. Wir haben Vorschläge von Gesundheitsamt umgesetzt, vom Diakonischen Werk, von der Heimaufsicht. Von allen Seiten kamen Ideen. Und es ist trotzdem passiert.

 

Zur Person
 

Klaus Peuster ist 65 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. 1991 startete er im evangelischen Altenheim mit der Ausbildung zum Altenpfleger, die er 1994 abschloss. Er blieb der Einrichtung treu und arbeitete bis 1997 in der Pflege. Dann übernahm Peuster die Heimleitung. Unter ihm zog das Seniorenzentrum im Jahr 2000 aus der Reininghauser Straße 24 hoch in die Reininghauser Straße 3 bis 5. Wenn er Ende Mai offiziell ausscheidet, war Peuster fast 25 Jahre lang Leiter des Seniorenzentrums. Seine Nachfolgerin ist Jennifer Cancar.

 

OA: Die Pandemie hat mehr denn je den Fokus gelenkt auf die schwierige Situation in der Pflege. Wie waren die Bedingungen vor 25 Jahren im Vergleich zu heute?

Peuster: Als ich angefangen habe, war es beispielsweise gar nicht so selten, dass Männer in der Pflege gearbeitet haben. Damals haben viele ihren Zivildienst in einem Heim geleistet und so Gefallen an dem Beruf gefunden. Mit dem Wegfall des Zivildienstes fehlten diese Kräfte. Ein anderer Aspekt, der sich sehr gewandelt hat, sind die Vorschriften und die Kontrollen, die über die vergangenen 25 Jahre immer mehr und strenger wurden. Das ist auf der einen Seite gut und richtig und es gibt ja auch gute Gründe dafür. Von den schwarzen Schafen in der Pflege liest man ja dann in den Medien. Die Regeln machen uns die Arbeit im Alltag aber auch nicht immer leichter. Wir müssen Fachkraftquoten von 50 Prozent erfüllen, die der Markt aber gar nicht mehr hergibt. Die Nachfrage nach Kräften kann weder in den stationären noch in den ambulanten Einrichtungen befriedigt werden. Mitarbeiter fehlen heute mehr denn je. Da hat auch die Aufmerksamkeit durch die Pandemie nichts dran geändert. Für die Pflegekräfte wurde anfangs noch geklatscht und es gab eine Corona-Prämie. Alle haben gesagt: „Da müssen wir was machen.“ Aber wirklich gemacht worden ist nichts.

 

OA: Was muss passieren, um den Beruf wieder attraktiver zu machen?

Peuster: Die Gehälter müssen aufgestockt werden, das ist ein Punkt. Wenn wieder mehr Menschen den Beruf ausübten, dann wäre es auch möglich, die Arbeit auf mehreren Schultern zu verteilen. Das ist wichtig, weil die Rahmenbedingungen viel abverlangen. Das Personal muss auch an Feiertagen arbeiten, jedes zweite Wochenende, da kann das Familienleben drunter leiden. Wenn mehr Mitarbeiter da wären, wenn mehr Mitarbeiter finanziert werden können, geht der Stress zurück. Was die Fachkräftemangel für die Heime eher noch verschärfen könnte, ist die generalisierte Pflegeausbildung. Alten- und Krankenpfleger machen dieselbe Ausbildung. Wenn es darum geht, sich für eine Richtung zu entscheiden, habe ich die Befürchtung, dass viele lieber die Arbeit im Krankenhaus vorziehen, weil der Beruf attraktiver scheint.

 

OA: Sie haben sich für den Beruf des Pflegers entschieden und waren nun mehrere Jahrzehnte im Heimbereich tätig. Was hat Ihnen am meisten Freude bereitet?

Peuster: Tatsächlich habe ich auch lange im Krankenhaus gearbeitet. Was mich aber zu der Arbeit in ein Heim gezogen hat, war die Beziehung zu den Bewohnern. Sie bringen einem viel Dankbarkeit entgegen. Und diese Dankbarkeit zu spüren, finde ich sehr angenehm. Für jeden noch so kleinen Handgriff. Oder das Lächeln einer alten Dame, wenn man ihr ein nettes Wort sagt. Das ist einfach schön.

 

OA: Was macht Sie stolz, wenn Sie auf ihre Zeit zurückblicken?

Peuster: Wenn ich durch die Stadt gehe, und Angehörige von lange verstorbenen Bewohnern treffe, und diese uns noch in einer guten Erinnerung haben. Dann denke ich immer: Da hast du doch einiges richtig gemacht.

 

OA: Was steht für Sie an in Ihrem nächsten Lebensabschnitt?

Peuster: Also ich bin leidenschaftlicher Koch. Ich werde also auf jeden Fall viel kochen. Außerdem fahre ich gerne mit dem E-Bike, mit dem ich die wunderschöne Natur hier erkunde. Und wie alle Rentner möchte ich auch reisen. Meine Frau muss noch anderthalb Jahre arbeiten. Anschließend hoffe ich, dass wir noch lange Zeit bei bester Gesundheit miteinander haben.

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