LOKALMIX

„Nur ein akuter Tropfen auf den heißen Stein“

ls; 29.06.2023, 09:00 Uhr
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Foto: Leif Schmittgen --- Dr. Dietmar (v. li.) und Dr. Dorothea Wigger, Anne Loth Dr. Bernd und Matthias Wigger
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„Nur ein akuter Tropfen auf den heißen Stein“

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ls; 29.06.2023, 09:00 Uhr
Wipperfürth - Auf Initiative der Verwaltung wird ein Teil der ärztlichen Unterversorgung ab Herbst aufgefangen.

Von Leif Schmittgen

 

Der ärztliche Notstand macht sich seit Längerem auch in Wipperfürth bemerkbar. Dort waren Dr. Klaus und Dr. Bernd Wigger über Jahrzehnte als Hausärzte in separaten Praxen für Hunderte Patienten Ansprechpartner. Aus Altersgründen schloss Klaus Wigger seine Praxis vor rund anderthalb Jahren, Bruder  Bernd möchte Ende des Jahres in den Ruhestand wechseln. Schon als die Praxis in der Hochstraße 2022 schloss, waren etliche Patienten plötzlich ohne Versorgung, die übrigen Mediziner in der Hansestadt sprangen freiwillig in die Bresche und nahmen die „Gestrandeten“ auf. Dass dieser Zustand wegen proppenvoller Praxen nicht von Dauer sein könne, fiel auch der örtlichen Verwaltungsspitze auf. Bürgermeisterin Anne Loth und weitere Beteiligte ergriffen deswegen die Initiative, kontaktierten die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Düsseldorf, um auf das Problem einer möglichen hausärztlichen Unterversorgung aufmerksam zu machen.

 

Offensichtlich mit Erfolg, denn es wurden zweckgebundene Fördermittel für potenzielle Nachfolger in Aussicht gestellt. „Wahrscheinlich wäre das Problem erst im nächsten Jahr bekannt geworden, nachdem der Schlüssel aktualisiert wurde“, sagte die Bürgermeisterin gestern bei der Vorstellung des neuen Ärzteteams im Rathaus. Denn die sogenannten Sitze, die Anzahl der Mediziner, welche pro Einwohner für die Versorgung nötig sind, werden jährlich angepasst und nicht tagesaktuell aufgeschlüsselt. Je niedriger dieser Wert, desto höher die finanziellen Anreize für junge Ärzte, sich niederzulassen und das Angestelltenverhältnis, zum Beispiel in Kliniken, zu beenden. Zuschüsse von der KV von bis zu 70.000 Euro gibt es unter anderem für medizinisches Gerät und Einrichtungsgegenstände, sodass teils hohe Investitionen der künftigen Hausärzte gemildert werden können. Eine weitere Fördermöglichkeit fand der Landtagsabgeordnete Christian Berger (CDU) beim Heimatministerium.

 

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Drei junge Ärzte machen von der Möglichkeit Gebrauch und werden künftig in der Hansestadt praktizieren. Dabei bleibt man in der Familie. Denn in der geschlossenen Praxis von Klaus Wigger werden Sohn Dr. Dietmar und seine Ehefrau Dr. Dorothea Wigger nach gründlicher Renovierung voraussichtlich im November ihre Türen für die Patienten öffnen. Derzeit sind beide in Troisdorf beruflich aktiv und werden künftig ausschließlich in der Hochstraße praktizieren.

 

Ohne Unterbrechung wird der Betrieb dagegen in der Praxis an der Hindenburgstraße weiterlaufen, dort übernimmt der bereits angestellte Sohn vom bisherigen Inhaber Mattias Wigger am Jahresende das Zepter. Weil sich andernorts in Wipperfürth zwei weitere Ärzte in den Ruhestand verabschieden, werden sich die Sitze im Stadtgebiet von derzeit 100 Prozent auf voraussichtlich 85 Prozent Auslastung verringern . In den beiden Praxen sind derzeit keine Nachfolger in Sicht.„Das ist nur ein akuter Tropfen auf den heißen Stein“, beschrieb der angehende Praxischef Matthias Wigger sein eigenes berufliches Engagement. 

 

Mögliche Gründe für den Ärztemangel

 

Um genügend Ärzte besonders im ländlichen Raum zu etablieren, brauche es unter anderem eine Vereinfachung der bürokratischen Strukturen. Ständig würden sich zudem Vorgaben beim Verschreiben von Medikamenten ändern, die Budgetierung, also Begrenzung bei der Rezeptvergabe, erschwere das Arbeiten am Patienten zudem, sind sich die Mediziner einig. In Wipperfürth jedenfalls steht durch die Praxisübernahmen nun Entlastung bei Personal und Patienten auf dem Plan. Dr. Bernd Wigger (69), der in den 1970er-Jahren  studierte, meint, dass die Zahl der Ärzte heute zwar höher sei als vor 40 Jahren, es aber eine krasse Verschiebung beim Anteil der Geschlechter gebe. Während früher rund 80 Prozent der Berufsanfänger männlich waren, hat sich das heute ins Gegenteil verkehrt.

 

"Mädchen sind fleißiger als Jungs und bekommen wegen besserer Noten leichter einen Studienplatz“, meint Bernd Wigger und fordert deswegen eine Aufhebung der hohen Hürden zum Studieneinstieg. Die Zahl der Plätze sei von 1990 um etwa 4.000 reduziert worden.  Später arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit oder fallen wegen Familienplanung komplett aus. Das seien laut Wigger Gründe für den existierenden Ärztemangel. Die Politik müsse zeitnah gegensteuern, der Trend habe in den 1980er-Jahren begonnen. Hinzu komme, dass Ärzte teils bis ins hohe Alter praktizieren, war die Zahlen der aktiven Ärzte ebenfalls auf hohem Niveau halte.

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