LOKALMIX

Noch drei Jahre bis zum Jubiläum

ks; 25.08.2022, 13:52 Uhr
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Fotos: Katharina Schmitz --- Am 1. April 1925 berichtete die Gummersbacher Zeitung über das erste Handballspiel des GTV.
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Noch drei Jahre bis zum Jubiläum

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ks; 25.08.2022, 13:52 Uhr
Gummersbach – Jahrzehntelang hatte der Anachronismus der Gründung der Handballabteilung des VfL Gummersbach Bestand – Fast einhundert Jahre alte Quellen helfen bei der Korrektur.

„Die Geschichte des VfL muss umgeschrieben werden“, sagte Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein vor zwei Wochen im Rahmen eines Pressetermins, als dem Stadtarchiv „fünf Zentner Stadtgeschichte“ in Form alter Zeitungen übergeben worden sind (OA berichtete). Eigentlich habe sich der Bürgermeister schon darauf eingestellt, im kommenden Jahr das 100-jährige Jubiläum der Handballabteilung des VfL zu feiern. Eigentlich – denn wie sich bei der Auseinandersetzung mit uralten Schriftstücken herausstellte, ist die Handballabteilung des damaligen Gummersbacher Turnvereins gar nicht 1923 gegründet worden. Ein Irrglaube, der seit Jahrzehnten Bestand hatte und als Allgemeingut galt – und womöglich auf einen Fehler ehemaliger Vereinsverantwortlicher zurückzuführen ist.

 

[Im Gummersbacher Stadtarchiv werden diverse Unterlagen des VfL verwahrt, so auch das Jubiläumsheft von 1951.]

 

Erstmalig auf die falsche Jahresangabe gestoßen ist Manfred Huppertz vor zwei Jahren. „Ich habe damals Protokollbände vom VfL übernommen“, erzählt der Archivar, der für die Stadt und den Oberbergischen Kreis tätig ist. Fast zeitgleich entschied sich seine Tochter Norea für die Teilnahme am „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2020/21“, der unter dem Motto „Bewegte Zeiten. Sport macht Gesellschaft“ lief. Die Schülerin des Lindengymnasiums widmete sich dem VfL, sichtete unzählige Quellen – doch in den Aufzeichnungen aus dem Jahr 1923 fanden Vater und Tochter keine Hinweise auf die Gründung einer Handballabteilung beim GTV.

 

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Städtische Akten würden bei einer derartigen Recherche „nicht unbedingt“ Informationen liefern, erklärt Huppertz. Hilfreicher seien stattdessen Druckschriften des Vereins sowie die Berichterstattung in den damaligen Zeitungen. Dazu zählen auch ausführliche Berichte über die Jahreshauptversammlungen des GTV. Doch dass sich Mitglieder des Vereins zum Handball spielen zusammengeschlossen haben, werde in diesen Artikeln nicht erwähnt – weder 1923 noch 1924 noch im Februar 1925. Der Archivar recherchierte weiter – und stieß dabei auf einen Flyer zum sogenannten „Handballrummel“. Dieser wurde 1935 veranstaltet: anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Handballabteilung.

 

[Manfred Huppertz ist Historiker und bei der Stadt Gummersbach als Archivar tätig.]

 

Vor zwei Wochen wandte sich Frank Winkler an die Redaktion. Der Gummersbacher Polizist bezeichnet sich als Sporthistoriker und arbeitet an einer Chronik über den VfL. Vor drei Monaten habe er von Klaus Brand „zwei Taschen voller Unterlagen“ erhalten, darunter einen Brief aus dem Jahr 1973. Verfasst wurde dieser von Otto Kaufmann, der bereits damals den Anachronismus in einer Tageszeitung aufdecken wollte. Kaufmann war Teil der ersten Handballmannschaft des GTV, die 1925 zu ihrem ersten Spiel gegen den Turnverein Engelskirchen angetreten war. Der Turner war überzeugt, dass das Spiel im Februar stattgefunden habe; zunächst gibt er den 19., etwas später den 12. Februar als Datum an.

 

[Der GTV ist 1861 gegründet worden. 1937 fusionierte der GTV mit anderen Sportvereinen und hieß von da an VfL Gummersbach.]

 

Huppertz widerspricht dieser zeitlichen Einordung – zumindest zum Teil. Richtig sei, dass es keine offizielle Gründungsveranstaltung gegeben habe, sondern dass die Gründung auf das erste Handballspiel interessierter Turner zurückzuführen sei. Richtig sei auch, dass dieses Spiel 1925 stattgefunden habe. Doch – wie die Volkszeitung am 30. März und die Gummersbacher Zeitung am 1. April 1925 übereinstimmend berichtet haben –, fand das erste Spiel der Handballer „trotz Regen und Schnee“ und „des Schlammes auf dem Platze“ demnach am 29. März 1925 statt. „Ohne jedes Training“ seien die Gummersbacher in die Partie gegangen. Am Ende unterlagen sie in Engelskirchen 7:0.

 

[Die Volkszeitung berichtete am 30. März 1925 über das erste Handballspiel der GTV-Turner.]

 

Weitere Informationen  sind auch im Gemeindearchiv Engelskirchen zu finden. So ist Astrid Fiandaca bei ihrer Recherche in der Zeitung „Bergische Wacht“ auf einen Spielbericht gestoßen. „Ein wenig spannender und mit wenig Interesse verfolgter Kampf“ sei das gewesen, der zehn Minuten vor dem regulären Spielende abgebrochen worden sei.

 

Wann die Gründung der Handballabteilung des VfL zum ersten Mal fälschlicherweise auf das Jahr 1923 datiert worden ist, lässt sich nicht sicher sagen. Fakt ist aber, dass Verantwortliche des Vereins die Gründung bereits in den Festschriften von 1961 und sogar 1951 anlässlich des 100- und des 90-jährigen Vereinsjubiläums auf das Jahr 1923 datiert haben. „Die ‚3‘ und die ‚5‘ sehen sich in der Frakturschrift sehr ähnlich“, schildert Gummersbachs Stadtarchivar und vermutet: Vielleicht ist es damals zu einer Verwechslung gekommen.

 

Auch beim VfL ist der seit Jahrzehnten bestehende Anachronismus seit rund zwei Jahren bekannt. „Erstmals Kenntnis haben wir erlangt, als wir das alte Vereinsheim am Wiedenhof aufgelöst haben“, sagt Florian Pottrick, der stellvertretende Vorsitzende des e.V. Im Frühjahr 2020 habe der Vorstand beim Aufräumen Unterlagen gefunden, die auf eine Gründung im Jahr 1925 schließen lassen. Diese seien zusammen mit Huppertz gesichtet worden, ein Großteil anschließend an das Stadtarchiv übergeben worden.

 

Diese Information direkt publik zu machen, sei damals nicht das primäre Ziel gewesen. Vielmehr habe sich der Vorstand mit der Konsolidierung, der Auflösung des Vereinsheims und einer neuen Markenfindung und -positionierung befasst. Das – also in drei Jahren – anstehende Jubiläum sei bereits in der jüngstvergangenen Vorstandssitzung thematisiert worden. In welchem Rahmen das Ereignis gewürdigt werden soll, stehe noch nicht fest: „Aber feiern werden wir das auf jeden Fall.“

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