LOKALMIX

Mehr Ausbildungsplätze, aber weniger Bewerber

ks; 18.11.2022, 16:05 Uhr
Foto: Katharina Schmitz --- (v.l.) Carsten Berg, Leiter des Bereichs Ausbildung der IHK Köln, Nicole Jordy, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach, und Michael Sallmann, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Oberberg, haben heute aktuelle Zahlen zum Ausbildungsmarkt vorgestellt.
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Mehr Ausbildungsplätze, aber weniger Bewerber

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ks; 18.11.2022, 16:05 Uhr
Oberberg – Bei der IHK in der Halle 51 wurden heute aktuelle Zahlen zum oberbergischen Ausbildungsmarkt vorgestellt – Über 200 Stellen sind noch unbesetzt.

Stellenanzeigen schalten, zahlreiche Bewerbungen erhalten, drei Kandidaten einladen: ein Verfahren, das über Generationen hinweg gang und gäbe war. Aber „die Zeiten sind vorbei. Die Unternehmen müssen deutlich aktiver werden“, sagte Michael Sallmann heute im Rahmen eines Pressegesprächs. Vorgestellt wurde die aktuelle Jahresbilanz des Ausbildungsmarktes. Sallmann ist Leiter der IHK-Geschäftsstelle Oberberg und weiß, dass die Not bei den Unternehmen in Bezug auf den Fachkräftemangel wächst. Mit dem bevorstehenden Renteneintritt der Babyboomer würden zahlreiche Arbeitgeber rund ein Viertel ihres Personals verlieren, in einzelnen Betrieben würde die Belegschaft in den nächsten zehn Jahren gar um 60 Prozent schrumpfen.

 

Damit verbunden sind fatale Entwicklungen, die zum Umdenken anregen (müssten). Fatal sei deshalb auch, dass die Kontaktmöglichkeiten zwischen Unternehmen und Schülern in den vergangenen zwei Jahren enorm reduziert waren. „Jetzt sind zwei Jahrgänge aus den Schulen raus, und wir wissen nicht, wo sie sind“, sagte Nicole Jordy, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach. Doch während die Anzahl der gemeldeten Ausbildungsstellen nach dem coronabedingten Rückgang wieder zugenommen hat, nimmt die Anzahl der gemeldeten Bewerber ab. „Dieses Delta wird immer größer“, sagte Carsten Berg, der den Bereich „Ausbildung“ der IHK Köln leitet.

 

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Insgesamt haben bislang 3.806 Bewerber die Agentur für Arbeit bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle in Anspruch genommen. Im Oberbergischen Kreis seien 1.863 Berufsausbildungsstellen gemeldet worden (plus 4,4 Prozent). Auf Bewerberseite stehen diesen Stellen 1.539 gemeldete Ausbildungssuchende gegenüber (minus 2,0 Prozent). 236 Stellen seien aktuell noch unbesetzt (plus 4,4 Prozent). „Uns wurden 79 Stellen mehr als im Vorjahr gemeldet. Das ist eine erfreuliche Entwicklung – und es ist noch nicht zu spät, sich zu bewerben“, sagte Jordy.

 

69 Suchende gelten zum aktuellen Stand als unversorgt – und damit rund 36 Prozent weniger als im Vorjahr. So kämen auf einen jungen Ausbildungssuchenden 1,2 Stellen. „Rein rechnerisch könnte sich jeder eine Stelle aussuchen. Das macht es für junge Menschen leichter, eine Stelle zu finden“, so Jordy. Erschwert werde dies jedoch durch sogenannte Passungsprobleme. Berufswünsche und offene Stellen sind nicht unbedingt deckungsgleich. Schwierig werden könne es auch, wenn der Ausbildungsort und der Wohnort zu zweit auseinanderliegen.

 

Wie Berg berichtete, melden die Ausbildungsbetriebe im IHK-Bezirk Köln wieder mehr neue Azubis. So seien bis Ende September 7.563 neue Ausbildungsverträge in den verschiedenen IHK-Berufen abgeschlossen worden. In Oberberg seien 966 neue Ausbildungsverträge eingetragen – sieben mehr als zum Vorjahresstichtag. Somit setze sich der im vergangenen Jahr gestartete Aufwärtstrend fort, wenn auch moderater. Dass die Unternehmen aufgrund der konjunkturellen Eintrübung in Folge der drastisch gestiegenen Energiepreise ihre Ausbildungsaktivitäten zurückfahren, erwarten die Experten jedoch nicht.

 

Auch die Kreishandwerkerschaft Bergisches Land freut sich über ein Plus: so sei der Corona-Rückgang bei den Lehrverträgen laut Marcus Otto weiter geschrumpft. Dem Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft zufolge würden jedoch an den „Rändern“ Berufsbilder verloren gehen, so zum Beispiel bei den Fleischerei- und Bäckereifachverkäufern. Weniger Ausbildungsverträge gäbe es auch bei den Fleischern, Metallbauern, Friseuren und Tischlern. Die Ausbildungsberufe Bäcker, Dachdecker und Elektroniker würden hingegen stärker nachgefragt werden, ebenso wie die Maurer, die Otto als absolute Gewinner in der diesjährigen Statistik bezeichnet: „Hier hat sich die Zahl der Lehrverträge verdoppelt.“

 

Besonders nachgefragt werden im Oberbergischen Ausbildungen zum Kaufmann für Büromanagement, Verkäufer, Industriekaufmann und Kaufmann im Einzelhandel. Viele Bewerberinnen entscheiden sich für eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten, bei männlichen Bewerben sind vor allem Ausbildungen zum Kfz-Mechatroniker beliebt. Im Rheinisch-Bergischen Kreis werde verstärkt die Ausbildung zum Anlagenmechaniker im Bereich Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik nachgefragt, ganz anders im Oberbergischen: hier sei die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge zurückgegangen.

 

Die Experten sind sich einig, dass flächendeckend ein Umdenken stattfinden muss. Der Glaube, dass die deutsche Gesellschaft mehr Akademiker brauche, müsse wieder korrigiert werden. Auch wenn man sich (zunächst) gegen ein Studium und für eine Ausbildung entscheiden würde, würden den Berufseinsteigern alle Türen offenstehen. In einem Ausbildungsberuf bei der IHK besser aufgehoben zu sein als in einem großen Vorlesungssaal sei nicht verwerflich, machte Sallmann deutlich.

 

Außerdem wandten sich die Experten mit einem Appell an die Unternehmen. Diese sollten auf Messen präsent sein, Praktikumsplätze anbieten und ihre eigenen Azubis als sogenannte Ausbildungsbotschafter in die Schulen schicken. Wichtig sei laut Jordy auch, eine attraktive Unternehmenswebsite zu erstellen, die Informationen für interessierte Schüler beinhaltet – möglichst in deutscher Sprache. Die IHK Köln unterstützt Unternehmen außerdem über das Angebot „Ausbildung 4.0“.

 

Berg wies außerdem auf die Möglichkeit hin, eine Doppelqualifikation anzustreben: „Schüler mit Fachoberschulreife können ihr Fachabi zusammen mit einer Ausbildung machen. Wer die Berechtigung zum Studium an einer FH haben möchte, kann sich das gleichzeitig mit einer Berufsausbildung erarbeiten, spart viel Zeit und verdient dabei auch noch Geld“, so der IHK-Ausbildungsexperte. Die Ausbildungszeit werde dadurch nicht verlängert. Der Mehraufwand betrage lediglich vier Stunden pro Woche. Berg wurde zum Abschluss deutlich: „Die Wirtschaft braucht die jungen Leute.“

 

Die Ausbildungsstellenvermittlung der IHK Köln unterstützt Betriebe und Jugendliche auch weiterhin bei Ausbildungsplatzsuche und Bewerbung per WhatsApp (0173/54 87 517), Mail (passgenau@koeln.ihk.de) oder Telefon (0221/16 40 66 50). Eltern können sich in IHK-Webinaren über das „Abenteuer Ausbildung“ informieren, das nächste Mal am 23. November.

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