LOKALMIX

Lebensretterin aus Thüringen

Red, ks; 05.12.2022, 13:30 Uhr
Fotos: DKMS (1), privat --- Marianne Scheller und Ricardo Casado beim Shooting für die DKMS-Kampagne „Einfach richtig. Richtig einfach.“
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Lebensretterin aus Thüringen

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Red, ks; 05.12.2022, 13:30 Uhr
Waldbröl – Ricardo Casado erkrankte an einer Akuten Myeloischen Leukämie – Eine Stammzellspende rettete dem jungen Waldbröler das Leben.

Vor fünf Jahren wurde das Leben von Ricardo Casado plötzlich auf den Kopf gestellt. Zusammen mit seiner Partnerin verbrachte der Waldbröler im Juni 2017 einen Tag in einem großen nordrhein-westfälischen Freizeitpark. Im Park angekommen besuchten sie diverse Attraktionen. Bei sommerlichen Temperaturen freuten sich die beiden zur Abkühlung auf eine Runde auf der Wildwasserbahn. „Als wir in der Warteschlange anstanden, geschah es dann plötzlich: Von einem Moment auf den anderen wurde mir schwarz vor Augen und ich bin bewusstlos umgekippt“, erinnert sich Casado. „Weil ich dachte, dass es an dem warmen Wetter gelegen hätte, sind wir noch weiter im Park geblieben. Leider war das ein Irrtum.“

 

Am Abend fühlte sich der damals 27-Jährige nach wie vor erschöpft. „Spätestens dann war klar: Mein Blackout kam weder von den Temperaturen noch von den Achterbahnfahrten.“ Schließlich fuhr seine Partnerin mit ihm ins Krankenhaus, wo ihm zur Untersuchung mehrmals Blut abgenommen wurde. „Es stellte sich heraus, dass der Wert meiner Leukozyten viel zu hoch war. Das war kein gutes Zeichen“, so Casado. Die folgende Nacht musste er stationär im Krankenhaus verbringen, ehe sich in den nächsten Tagen der Verdacht einer Akuten Myeloischen Leukämie (AML) verhärtete. Gewissheit bekam der Waldbröler in der Uniklinik Köln. „Plötzlich war ich Blutkrebspatient und nur eine Stammzellspende konnte mir noch helfen.“

 

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Während die Diagnose für Casados Familie ein Schock war, ist er mit der schlechten Nachricht pragmatisch umgegangen: „Ändern konnte ich daran ohnehin nichts, also bin ich einfach positiv an die Chemotherapie herangegangen.“ Die folgenden Therapien und Infusionen setzen ihm jedoch zu; er fühlte sich oft so müde, als hätte er einen Marathon hinter sich gebracht – bis ihn eine Neuigkeit erreichte. „Man kämpft sich durch die Chemos und Infusionen und auf einmal kommt die Nachricht, dass eine passende Spenderin gefunden wurde“, erinnert sich Casado. „Das Gefühl in diesem Moment ist nur schwer in Worte zu fassen. Plötzlich ist da Hoffnung!“

 

Mit Marianne Scheller aus Thüringen bekam diese Hoffnung im September 2017 ein Gesicht. Die Polizistin und dreifache Mutter aus Straufhain hatte sich schon 2010 bei einer Aktion für einen anderen Blutkrebspatienten als potenzielle Stammzellspenderin registrieren lassen. Sieben Jahre später erhielt sie von der DKMS die Nachricht, dass sie nun tatsächlich als Spenderin in Frage kommt – für den an Blutkrebs erkrankten Casado. Trotz aller Aufregung sei für die 36-Jährige sofort klar gewesen, dass sie spenden würde: „Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn meine Kinder diese Hilfe bräuchten. Daher wollte ich auf jeden Fall versuchen zu helfen. Es war einfach richtig, das zu tun.“

 

[Marianne Scheller und Ricardo Casado bei ihrem ersten Treffen.]

 

An die Stammzellentnahme in der Dresdener Entnahmeklinik erinnert sich Scheller gerne zurück: „Ich habe währenddessen ganz gemütlich einen Film geschaut und wurde super vom medizinischen Personal betreut.“ Ihren Einsatz sieht sie daher gar nicht als besonders heldenhaft an. „Im Gegensatz zu Ricardo und seiner Familie habe ich in meinen Augen nichts Großartiges geleistet. Ich hatte doch nichts weiter getan, als bei einem Film und Snacks über mein Blut Stammzellen zu spenden. Rückblickend bin ich heute einfach nur dankbar dafür, Ricardo geholfen zu haben.“

 

Scheller fühlt sich Casado und seiner Familie mittlerweile sehr nahe. Eigentlich wollten sich die beiden schon 2020 nach dem Ablauf der Anonymitätsfrist treffen, doch die Corona-Pandemie durchkreuzte diese Pläne. Ein anonymer Briefkontakt bestand zwischen den beiden schon seit der Transplantation. Im August 2021 war es dann so weit: Scheller lernte Casado und seine damals hochschwangere Partnerin sowie weitere Familienmitglieder persönlich kennen. Für alle Beteiligten sei dieses erste Kennenlernen eine aufregende und intensive emotionale Erfahrung gewesen, wie sich Scheller erinnert. Dabei sei ihr besonders ein Satz von Casado über seine Tochter, die damals auf dem Weg war, bis heute in Erinnerung geblieben: „Er sagte, dass sie zur Hälfte Mama und zur anderen Hälfte wir beide sein würde.“

 

[Marianne Scheller (r.) zu Besuch bei Ricardo Casado, seiner Schwester und seiner Mutter.]

 

Für den heutigen Familienvater Casado, dessen Tochter nach Schellers Besuch im September 2021 zur Welt gekommen ist, war die Begegnung ebenfalls eine besondere Erfahrung. „Die Zeit der Erkrankung, der Transplantation und auch der Schwangerschaft waren für meine Familie und mich natürlich eine große Herausforderung“, so der heute 32-Jährige. Doch der Besuch seiner Stammzellspenderin habe ihm viel Kraft gegeben. „Es fühlte sich für uns beide an, als würden wir uns schon ewig kennen. Ihr habe ich zu verdanken, dass es mir heute wieder gut geht und ich das Leben mit meiner Frau und meiner kleinen Tochter in vollen Zügen genießen kann.“

 

Auch in Zukunft wollen Scheller und Casado sich regelmäßig treffen – wie vor kurzem zur Vorbereitung der deutschlandweiten DKMS-Kampagne „Einfach richtig. Richtig einfach.“, die seit Anfang Dezember läuft. Der Appell der beiden: „Jeden Menschen kann die Diagnose Blutkrebs treffen. Deshalb lasst euch registrieren und werdet so vielleicht zur Lebensretterin oder zum Lebensretter für einen an Blutkrebs erkrankten Menschen!“

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