LOKALMIX

Landrat: „Wir befinden uns erst am Anfang“

lw; 27.03.2020, 15:55 Uhr
Foto: OBK --- Kaija Elvermann, Leiterin des Gesundheitsamts (v.li.), Landrat Jochen Hagt, Dr. Ralf Mühlenhaus, Leiter des Amts für Rettungsdienst, Brand und Bevölkerungsschutz, und Kreisdirektor Klaus Grootens.
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Landrat: „Wir befinden uns erst am Anfang“

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lw; 27.03.2020, 15:55 Uhr
Oberberg – Die Kreisverwaltung rechnet noch mit deutlicher Zunahme der Fallzahlen – Infektionen bei Krankenhauspersonal – Zahl der Beatmungsplätze soll verdoppelt werden.

Von Lars Weber

 

Landrat Jochen Hagt hat bei einer Videokonferenz einen Überblick zu den Corona-Entwicklungen im Kreis gegeben. Mit dabei waren auch Kreisdirektor Klaus Grootens, die Gesundheitsamtsleiterin Kaija Elvermann und Dr. Ralf Mühlenhaus, Leiter des Amts für Rettungsdienst, Brand und Bevölkerungsschutz. Die wichtigsten Themen:

 

Aktuelle Entwicklung

 

Gestern Abend gab es im Oberbergischen Kreis 163 bestätigte Fälle. Alle Kommunen sind inzwischen betroffen. Bislang gab es einen Todesfall. „Die Entwicklung ist sehr rasant“, sagte Hagt. Alle Menschen, die gerade intensivmedizinisch betreut werden (Stand gestern: Vier Personen), seien über 50 Jahre alt. Unter den Erkrankten im Kreis seien aber auch Kinder und Jugendliche, bei denen die Krankheit mild verläuft. „Sie scheinen Corona tatsächlich besser wegzustecken“, so Elvermann. Bislang habe es 1.500 Tests gegeben, zehn bis zwölf Prozent davon seien positiv zurückgekommen, „ein guter Prozentsatz“, sagte die Leiterin des Gesundheitsamts. Es habe sich ausgezahlt, viel und früh zu testen, den Kontakten der Personen nachzugehen und Quarantäne anzuordnen, ergänzte Grootens. Seit ein zweites Labor beauftragt wurde, konnte der Rückstau an Tests aufgeholt werden und die Ergebnisse kommen innerhalb von 24 Stunden.

 

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Weitere Entwicklung

 

Häufig könne das Gesundheitsamt, das auch von anderen Ämtern unterstützt wird, die Infektionsketten noch nachvollziehen. Aber: „Die Fälle, wo diese Kette unklar ist, nehmen immer mehr zu. Und damit steigt auch das Infektionsrisiko“, sagte Elvermann weiter. Landrat Jochen Hagt rechnet mit einer „deutlichen Zunahme“ der Fallzahlen. „Wir befinden uns erst am Anfang, das gilt für die gesamte Bundesrepublik.“ Weiterhin sei es das Ziel, den Anstieg der Kurve abzuschwächen. Hagt wollte sich aber nicht an Spekulationen beteiligen, ob die Einschränkungen und Verbote nach dem 19. April zumindest teilweise wieder aufgehoben werden können. „Wir müssen abwarten, was das Land entscheidet.“ Um sich weiter auf die Situation einzustellen, führt der Kreis auch Gespräche mit den Hilfsdiensten im Kreis, die wie zum Beispiel das THW auch logistisch helfen könnten. Zudem wird den Alten- und Pflegeheimen empfohlen, dass dort vermehrt Mundschutz getragen wird, auch die Bewohner.

 

Medizinische Situation

 

Für die gesamte medizinische Versorgung im Kreis stehen insgesamt rund 2.200 Betten zur Verfügung, also nicht nur für Corona-Fälle. Eingeschlossen sind dabei auch die Reha-Kliniken im Kreis, die mit den Akutkrankenhäusern bereits im Austausch stehen. Die Bettenzahl solle noch aufgestockt werden, unter anderem soll wie berichtet das Franz-Dohrmann-Haus in Marienheide umgerüstet werden. Dort, wie auch in den Reha-Kliniken, sollen aber keine Corona-Patienten intensivmedizinisch betreut werden, diese Aufgabe bliebe bei den Akutkrankenhäusern. Die Intensivbeatmungsplätze im Kreis sollen laut Dr. Mühlenhaus auf 80 verdoppelt werden. Ab kommender Woche soll es im Kreiskrankenhaus Gummersbach eine Infektionsambulanz mit eigenem Eingang geben, zu der sich Patienten nach vorheriger Absprache mit dem Hausarzt begeben können.

 

Absprachen zwischen den Kliniken gibt es auch beim Personal, sodass immer dort, wo wichtige Arbeit anfällt, auch jene Mitarbeiter sind, die die Aufgaben bewältigen können, so Mühlenhaus. „Alle Kräfte werden gebündelt. Es gab auch schon Fälle in einigen Kliniken, in denen sich das Personal infiziert hatte und in Quarantäne musste, sagte Elvermann. Das Personal habe sich bei Menschen angesteckt, die mit atypischen Symptomen ins Krankenhaus gekommen seien. Wie bei anderen Patienten auch seien die Mitarbeiter in Quarantäne gekommen und die Infektionsketten seien ermittelt worden. Nach abgelaufener Symptomatik können die Mitarbeiter wieder arbeiten. Weitere Informationen darüber, welche Kliniken betroffen waren, wie viele Mitarbeiter infiziert sind beziehungsweise waren oder wie die Situation dort im Einzelnen behandelt wurde, gab es nicht.

 

Ein Problem in diesem Zusammenhang: Da noch das Wohnortsprinzip gilt, es also darauf ankommt, wo ein Mitarbeiter wohnt, sei das Gesundheitsamt des OBK nicht für das gesamte Personal der Krankenhäuser zuständig. „Wir haben einen Antrag an das Land gestellt, dass dies geändert wird.“ Die Krankenhäuser hätten zudem reagiert und schützten das Personal noch besser. Dazu gehört auch, dass nach neuen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts nun auch medizinisches Personal mit akuten Atemwegsinfekten getestet werden und nicht nur jene, die aus Risikogebieten kamen oder direkten Kontakt mit einem Infizierten hatten.

 

[Foto: Björn Loos --- In einer Videokonferenz gab die Kreisverwaltung Informationen über die Entwicklung des Coronavirus in Oberberg.]

 

Im medizinischen Bereich ein weiteres Problem sei auch die Beschaffung des Schutzmaterials für Patienten und Mitarbeiter. „Dies gelte weltweit“, sagte Landrat Hagt. „Wir versuchen auf allen Wegen, die uns zur Verfügung stehen, an Material zu kommen.“ Der Kreis sei in diesem Zusammenhang auch in Gesprächen mit oberbergischen Unternehmen.

 

Wie verhalten sich die Bürger?

 

Das Verhindern von vielen Kontakten untereinander ist der Sinn der Verbote und Einschränkungen, die zunächst vom Kreis und dann vom Land den Bürgern auferlegt wurden. Der Aufwand, auch die Überwachung dieser Regeln durch Polizei und Ordnungsämtern, sei enorm. „Die Bürger halten sich aber weitestgehend an die Anweisungen“, sagte Hagt. Ein paar Ansammlungen hätten aufgelöst werden müssen, es gab ein paar „Klopapierfälle“, dabei handele es sich aber um Einzelfälle. Die Anzeigen aus der Bevölkerung, bei denen auf Regelverstöße anderer hingewiesen werden, steigen aber an.

 

Wirtschaftliche Situation

 

Wie es verhindert werden kann, dass die Wirtschaft hinten runterfällt, dafür gebe es keine Patentlösung, so Landrat Jochen Hagt. Er habe Verständnis für die Unternehmen, dass der Zustand nicht beliebig lange aufrechterhalten werden könne. „Die Sicherstellung der Liquidität ist gerade das A und O“, dafür gebe es das Maßnahmenpaket. Trotz der schwierigen Situation zeigten sich die Unternehmen einsichtig, auch wenn sie natürlich lieber heute als morgen wieder normal arbeiten möchten.

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