LOKALMIX

Impfpflicht: „Schon wenige Kräfte, die fehlen, werden schnell weh tun“

lw; 22.12.2021, 15:54 Uhr
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Impfpflicht: „Schon wenige Kräfte, die fehlen, werden schnell weh tun“

lw; 22.12.2021, 15:54 Uhr
Oberberg – Ab Mitte März sollen sämtliche Mitarbeiter im Gesundheitswesen immunisiert sein – OA sprach mit Verantwortlichen aus verschiedenen Teilen der Branche.

Von Lars Weber

 

Seit etwa 16 Jahren arbeite sie schon in der Altenpflege. Nun könnte ihre Zeit dort bald enden. „Wenn die Impfpflicht wie beschlossen umgesetzt wird Mitte März, dann steige ich aus.“ Die Frau, die diesen Satz gesagt hat, ist eine der Vertreterinnen der Gruppe "Gesundheitswesen Oberberg", die den Protest gegen die Impfpflicht auf Gummersbacher Straßen organisiert. Nächste Woche soll es eine weitere Veranstaltung geben, mit dabei viele, die ähnlich denken wie die Organisatorin. Wie bewerten die Arbeitgeber die Impfpflicht im Gesundheitswesen und welche Auswirkungen könnte sie haben? Das wollte OA vom Klinikum Oberberg, der Caritas Oberberg und von der Alternativen Hauskrankenpflege Uwe Söhnchen wissen.  

 

Wie wird die Impfpflicht im Gesundheitswesen bewertet?

 

„Personal in Gesundheits- und Pflegeberufen kommt eine besondere Verantwortung zu, da häufig intensiver und enger Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Infektionsrisiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf besteht“, so Angela Altz, Sprecherin von Klinikum Oberberg. Daher sei es wichtig, dass ein verlässlicher Schutz vor dem Coronavirus durch eine hohe Impfquote beim Personal in diesen Berufen erzielt werde.

 

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Peter Rothausen, Direktor des Caritasverbands Oberberg, tut sich persönlich durchaus schwer, eine Position zu finden. „Die Unversehrtheit des Körpers ist sehr wichtig!“ Auf der anderen Seite stehe aber die hohe Verantwortung, die die Branche gegenüber jenen Menschen habe, die sie bräuchten. „Wir müssen zu den Menschen gehen.“ Und dabei sollte jeder alles dafür tun, um diese Menschen so wenig zu gefährden wie nur möglich. „Ansonsten muss man die persönliche Berufung für den Job überdenken.“

 

Deutlich wird Leonie Heister, Geschäftsführerin bei der Alternativen Hauskrankenpflege. „Wir befürworten eine generelle Impfpflicht und halten es aus gesamtpandemischer Sicht für sinnvoll, diese keinesfalls auf einzelne Berufsgruppen zu beschränken.“ Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung sollte laut Heister eine allgemeine, soziale Verpflichtung sein. „Als Berufszweig, der durch die Pandemie schon über Gebühr belastet wird und unter Personalengpässen leidet, sehen wir die Abwälzung der alleinigen Verantwortung äußerst kritisch und auch als wenig erfolgsversprechend.“

 

Wie sehen die Impfquoten momentan aus?

 

Sowohl das Klinikum Oberberg, die Caritas als auch der Pflegedienst berichten von Impfquoten von über 90 Prozent. „Im Seniorenzentrum in Marienheide sind sogar alle Pflegekräfte geimpft“, sagt Rothausen. Auch bei der Alternativen Hauskrankenpflege seien nur noch wenige der 80 Mitarbeiter nicht geimpft.  „Wir sind mit unseren ungeimpften Mitarbeitern im Austausch und erwarten auch mit dem Ausblick auf zusätzliche Impfstoffe eine 100-prozentige Quote zu erreichen“, sagt Heister. Kündigungen habe es in diesem Zusammenhang auch noch keine gegeben. Davon sei Altz ebenfalls nichts bekannt. Auch das Klinikum möchte alle Mitarbeiter geimpft wissen. „Unser Ziel ist es, niemanden zu verlieren.“ Dazu werden die Beschäftigten auch direkt angesprochen.

 

Womit müssen ungeimpfte Beschäftigte ab März rechnen?

 

„Bei Beschäftigten ohne Impfnachweis wird das zuständige Gesundheitsamt zunächst ein Betretungsverbot für die betreffende Einrichtung verhängen und Arbeitgeber eine Freistellung ohne Lohnfortzahlung veranlassen müssen“, erklärt Altz das Prozedere. In letzter Konsequenz seien dann, sofern der Impfnachweis auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht erbracht wird, auch Kündigungen unausweichlich. Das Gesetz sieht lediglich Ausnahmen in den Fällen vor, in denen eine Impfung aus medizinisch attestierten Gründen nicht möglich ist.

 

Welche Auswirkungen gibt es für den Betrieb und die Branche?

 

Noch ist man eher vorsichtig beim Blick in die Glaskugel, zumindest wenn es um den eigenen Betrieb oder die Einrichtung geht. Heister glaubt, dass es aufgrund der schon jetzt guten Quote wenig negative Auswirkungen für die Alternative Hauskrankenpflege geben wird. Noch nicht festlegen möchte sich das Klinikum Oberberg, zu sehr sei dies mit den Bemühungen um eine vollständige Impfquote verbunden.

 

Caritasdirektor Rothausen meint, dass aber auch schon wenige Kräfte, die fehlen, schnell weh tun werden. Und wenn die Quoten anderorts teils schlechter ausfallen sollten, könne es massiv dazu führen, dass Betten in Altenheimen nicht besetzt werden können. „Das kann Träger in die Krise stürzen“, warnt Rothausen.

 

Bliebe es bei einer vereinzelten Impfpflicht im Gesundheitswesen, befürchtet Heister zudem, dass eine dauerhaft schädliche Abwanderung von Pflegekräften aus dem Gesundheitssystem in andere Berufszweige zu erwarten sein könnte. „Dies würde für jede verbleibende Pflegekraft die Arbeitslast weiter erhöhen.“ Dabei sei es laut Rothausen ohnehin schon schwierig genug, Fachkräfte zu suchen und zu finden. Normale Anzeigen brächten kaum ein Ergebnis. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir im Oberbergischen die Agewis haben und auch die Krankenhäuser noch gut ausbilden.“

 

Auch im Hinblick auf eine Ausweitung der Impfpflicht oder eine allgemeine Impfpflicht: Wie muss der gesellschaftliche Diskurs aussehen?

 

Viele Gedankenspiele im Moment könnten von der allgemeinen Impfpflicht noch überholt werden, sagt Rothausen. Leichter würden die Diskussionen dadurch freilich nicht. Im Mittelpunkt steht dabei die Politik. „Neben den Leugnern gibt es ja auch Menschen, die einfach Angst haben vor einer Impfung, die keinen kruden Dingen nachhängen“, sagt Rothausen. „Und mit diesen Menschen sollte sich die Politik mehr auseinandersetzen.“ Ähnlich sieht es auch Heister: „Wir machen uns für eine Versachlichung des Dialoges stark, auch mit Menschen die evidenzbasierten Fakten kritisch gegenüberstehen.“ Klar positionieren möchte sich ihr Betrieb aber gegen „die medienbeherrschende Minderheit der Pandemieleugner“. „Wir erwarten von der Politik nun stringentere Lösungsansätze.“

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