LOKALMIX

Hund gegen Postbote: Training für den Machtkampf am Gartenzaun

pn; 16.05.2022, 20:30 Uhr
Fotos: Peter Notbohm ---- Mit Schäferhündin Dima wird eine Hundeattacke am Gartenzaun simuliert.
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Hund gegen Postbote: Training für den Machtkampf am Gartenzaun

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pn; 16.05.2022, 20:30 Uhr
Oberberg – Besonderes Training für die Zustellkräfte der Deutschen Post – Zusteller lernen den richtigen Umgang mit Hunden.

Von Peter Notbohm

 

Begegnungen mit Hunden können anders ausgehen als gewünscht. Postboten wissen um die potenzielle Gefahr der Vierbeiner. Zwar verläuft der Kontakt in den allermeisten Fällen völlig problemlos, die Tiere können aber auch angreifen und in Wade, Knie, Oberschenkel, Arme oder den Hintern beißen. Allein im vergangenen Jahr kam es bundesweit zu 1.120 Attacken auf Zusteller der Deutschen Post und DHL, bei denen die anschließenden Verletzungen so schwer waren, dass der Mitarbeiter einen oder mehrere Tage ausfiel. Zwei dieser Angriffe ereigneten sich im Bereich des Zustellstützpunktes Gummersbach. „In diesem Jahr gab es zum Glück noch keine“, sagt Chris Borgwardt, Leiter des Zustellstützpunktes.

 

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Damit seine Mitarbeiter wissen, wie man in dieser brenzligen Situation richtig reagiert, hat er einen Lehrgang für zehn Zustellkräfte der Deutschen Post aus der Brief- und Verbundzustellung auf dem Gelände des Zustellstützpunktes an der Poststraße in Gummersbach organisiert. „Dieses Training macht man nicht, um zu reagieren, sondern um zu sensibilisieren. Das sind immer unterschiedliche Situationen, die entstehen können, in denen man nicht vorher drinsteckt“, erklärt Borgwardt. Er hätte den freiwilligen Lehrgang gerne noch mehr Zustellern angeboten, musste die Kapazität aber begrenzen, damit es für Trainer und Hunde nicht zu unübersichtlich wird.

 

[Für Rüde Clip ist das Beißkissen nur ein Spielzeug. Die Kursteilnehmer spüren aber, welche Kraft in seinem Kiefer steckt und lernen auch wie man sich in einer solchen Situation verhalten sollte.]

 

Denn gemeinsam mit den beiden erfahrenen Hundetrainern Michael Pfaff und Uwe Graute wird der Ernstfall simuliert. Wie verhalte ich mich richtig? Wie kann ich Konflikten schon im Vorfeld aus dem Weg gehen? Mit Hilfe ihrer beiden Schäferhunde Clip und Demi geben die beiden Hundeführer der Polizei wertvolle Tipps in der Theorie, aber noch wichtiger: Auch praktisches Training. Denn wie groß die Wucht eines Hundeangriffs sein kann, zeigt Rüde Clip den Teilnehmern an einem Beißkissen (siehe Video). Auch wie schnell eine Paketübergabe am Zaun schieflaufen kann, wird simuliert. Von dem Paket lässt Hundedame Demi nur zerfetzte Einzelteile übrig.

 

[Video: Peter Notbohm.]

 

„Der Hundehalter haftet in jeder Situation. Davon befreit ihn auch ein Schild mit der Warnung 'bissiger Hund' nicht“, erläutert Pfaff (Foto). Er rät den Zustellern stets den Kontakt zum Hundehalter zu suchen und das Grundstück ansonsten nicht zu betreten. Auch vom Streicheln oder Füttern durch den Zusteller zum besseren Kennenlernen hält er wenig. Vielmehr gibt er einen anderen Tipp: „Der Hundehalter sollte seinem Hund selbst ein Leckerli geben, wenn ein Paket oder Briefe zugestellt werden. Selbst der dümmste Hund wird den Zusteller nach dem zehnten Mal ignorieren.“ Auch Pfefferspray sei keine gute Idee: Die verzögerte Reaktion könne das Tier nur noch rasender machen, die Wolke bei Gegenwind zudem ins eigene Gesicht fliegen.

 

Viel kommt auf die Körpersprache an. Auf keinen Fall dürfe man einem aggressiven Hund den Rücken zukehren. Denn: 75 Prozent aller Bisse entstehen nur aus diesem Grund. Stattdessen sollten Postboten eine Plastikflasche gefüllt mit vier, fünf kleinen Steinchen zur Hand haben. Das Geräusch dieser „Rassel“ lasse nahezu jeden Hund weglaufen. Pfaff und Graute bieten den Lehrgang inzwischen seit 15 Jahren an. 30 bis 40 Seminare geben sie jährlich in NRW. Über ganz Deutschland verteilt gibt es zehn solcher Teams.

 

[Dima hat das Paket in Sekundenschnelle zerlegt.]

 

Der Tenor nach dem Lehrgang in Gummersbach ist eindeutig: Viel Lob und Applaus. Mancher hat nun mehr Respekt vor Hunden, weiß aber auch, wie er reagieren sollte. „Dieses Training bringt wirklich viel. Man unterschätzt solche Situationen schnell“, meint Ralph Brenner. Der 50-Jährige arbeitet seit zwölf Jahren bei der Post und stellt Pakete und Briefe in Lindlar-Eichholz zu. In dieser Zeit wurde er schon drei Mal das Opfer von Hundebissen. „Wie viel Druck die Tiere ausüben können, kann man sich kaum vorstellen“, sagt er. Auf seiner Tour gibt es zwei Hundehalter, mit denen er das Gespräch gesucht hat: „Beide waren einsichtig und haben ihre Briefkästen nach außen verlagert. Am Ende geht es nur über die Kommunikation mit den Haltern, denn es sind halt Tiere.“

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