LOKALMIX
Fischsterben an der Agger: Bezirksregierung legt Kraftwerk still
Engelskirchen - Seit dem Vorfall an der Agger vom 13. Juli ist einiges passiert - Oberberg-Aktuell fasst die bisherigen Ereignisse und Stellungnahmen zusammen (AKTUALISIERT).
Von Leif Schmittgen
Am 13. Juli entdeckten Angler zufällig etliche verendete Fische in der Agger nahe des Wasserkraftwerks Ohl-Grünscheid (OA berichtete). Seither hat sich vieles in der Sache bewegt. Inzwischen hat die Kölner Bezirksregierung den Betrieb wegen Gefahr im Vollzug eingestellt, zuvor veranlasste die Umweltstaatsanwaltschaft Dortmund am 24. Juli eine Razzia. Oberberg-Aktuell hat zu den Beteiligten Kontakt aufgenommen und schildert deren Sichtweisen.
Angelsportfreunde Engelskirchen
Markus Klein, Vorsitzender der Angelsportfreunde Engelskirchen, war am 13. Juli zufällig vor Ort und hat laut eigener Aussage nach Entdeckung etlicher verendeter Fische unterschiedlicher Arten unverzüglich das Kreisumweltamt informiert. Ein Mitarbeiter hatte sich an diesem Sonntag dann ein Bild vor Ort gemacht, außerdem hatte Klein die Polizei informiert, um Strafanzeige zu stellen.
Zur Verwunderung Kleins hätten sich die drei Polizisten vor Ort aber geweigert, eine Strafanzeige aufzunehmen, da zunächst wegen fehlender Rechtsgrundlage geprüft werden müsse, ob überhaupt eine Straftat vorliege. Später hatte Klein beim Gesundheitsamt sich nach den Arbeitsergebnissen des Kreismitarbeiters erkundigt und war schockiert. „Er hat einen Bereich von etwa 30 Quadratmetern untersucht und dort etwa 60 verendete Fische gezählt“, sagt der Angler. Aus seiner Sicht aber handele es sich bei dem betroffenen Bereich um eine zehnfach größere Fläche. Zudem habe der Mitarbeiter nur die Tiere an der Oberfläche und nicht die Arten unter den Steinen gezählt. Klein spricht von mindestens 1.000, die aufgrund des schnell sinkenden Pegelstandes der Agger „keine Chance mehr hatten“ und binnen weniger Minuten erstickt seien.
Klein vermutet hinter der vom Gesundheitsamt veröffentlichten Zahl, dass man „unter 100“ keine weiteren Schritte unternehmen müsse, weil kein größerer Schaden von Amtswegen entstanden sei. Filmaufnahmen des WDR, der zufällig mit Klein vor Ort war, würden ein komplett anderes Bild zeigen, bei dem viele tote Fische mehr zu erkennen seien. Klein wurde inzwischen von der Polizei in Gummersbach zu einer Vernehmung geladen, wo die Ereignisse aus seiner Sicht protokolliert wurden.
BUND
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat laut deren langjährigem Sprecher Paul Kröfges bereits vor zwei Jahren Strafanzeige gegen den Betreiber des Wasserwerks, der AUER Holding mit Hauptsitz in München (die lokale Vertretung firmiert unter Aggerkraftwerke) wegen diverser Umweltschäden gestellt. Eine Bestätigung einer Verfahrenseinleitung der für Umweltdelikte in Nordrhein-Westfalen zuständigen Staatsanwaltschaft in Dortmund habe er erhalten, seitdem aber sei nichts passiert, was der Verband monierte.
Am Montag nach dem Ereignis hatte der BUND die bestehende Strafanzeige von 2023 u. a. wegen Tierquälerei und weiteren Verstößen gegen den Tierschutz erweitert. Daraufhin wurde von der Umweltstaatsanwaltschaft offensichtlich eine Razzia auf dem Gelände des Wasserkraftwerks durchgeführt. Laut WDR-Informationen wurden dabei Mobiltelefone und Computer sichergestellt und neben den Räumlichkeiten auch Fahrzeuge der Mitarbeiter durchsucht.
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Der Wasserexperte Kröfges ärgert sich vor allem über zwei Umstände. Zum einen geht er davon aus, dass in dem Werk der Pegel soweit gesunken war, dass die Turbine keinen Strom mehr erzeugen konnte und der Pegel im Becken deswegen angestaut wurde. „Der Betreiber beruft sich in seinem Handeln dabei auf ein altes Wassernutzungsrecht, ein Gesetz aus dem Jahr 1924. Nach Ansicht des Naturschützers sei dieses längst durch Umweltgesetze und ein Gerichtsurteil auf Bundesebene außer Kraft gesetzt worden. Der Betreiber könne bislang schalten und walten, wie er möchte, weil die Behörden bis dato nichts unternommen hätten.
In diesem Zusammenhang spricht der BUND-Mann von „Mauschelei“, die vom Umweltministerium in Düsseldorf bis auf die unterste Ebene reiche, um den Betreiber gezielt zu schützen. Denn anders könne er sich die langjährige Untätigkeit seit der Anzeigenstellung nicht erklären. Der stark schwankende Wasserstand werde zwar auch durch die Zuleitung von Nebenflüssen beeinflusst, allerdings nicht in dem Maße, wie sie am 13. Juli zur Austrocknung des Flusses geführt habe.
Bezirksregierung Köln
Wie ein Sprecher der Kölner Bezirksregierung auf OA-Nachfrage berichtet, habe die Staatsanwaltschaft zu dem Fall Ermittlungen aufgenommen. Informationen zum Ermittlungsstand wurden mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht gegeben. Der Sprecher schildert aber die bisherigen Erkenntnisse der Bezirksregierung.
In dem Antwortschreiben heißt es, dass „der weitere Betrieb der Wasserkraftturbine in Ohl-Grünscheid durch die Bezirksregierung wegen Gefahr im Verzug untersagt ist, bis anderweitig sichergestellt ist, dass ein Fischsterben in diesem Ausmaß sicher ausgeschlossen ist“. Jedes Sterben sei nicht akzeptabel. „Der Vorfall ist durch eine Verkettung mehrerer Ereignisse verursacht worden“, so das vorläufige Resultat.
„Aufgrund der geringen Zuflüsse wurde die Wasserkraftturbine durch den Betreiber vorerst außer Betrieb genommen. Aufgrund des abgesenkten Stauspiegels kam es zu einer zeitlichen Verzögerung von circa eineinhalb Stunden, bis der Stausee wieder einen Pegel erreichte, ab dem das Wasser über das Wehr abgeschlagen wurde. Das Trockenfallen der Kiesbank am Ende des Auslaufkanals führte auf einer geschätzten Fläche von circa 20 bis 30 Quadratmetern zu einem Fischsterben von circa 100 Tieren auf der betroffenen Fläche“, heißt es in der Begründung.
Diese Information sei der Bezirksregierung durch einen Mitarbeiter der Unteren Wasserbehörde des Oberbergischen Kreises mitgeteilt worden, der am Sonntag, 13. Juli, vor Ort war. „Anfang der folgenden Woche waren Mitarbeiter der Bezirksregierung vor Ort, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Die vom Kreis übermittelten Informationen waren für die Bezirksregierung plausibel“.
Zum bestehenden alten Wasserrecht von 1924 bestehe aus Sicht der Bezirksregierung bisher prinzipiell keine Pflicht für den Betreiber, eine Mindestwasserabgabe zu entrichten. Die Bezirksregierung erarbeite die notwendigen Anordnungen, um sicherzustellen, dass die Wasserzufuhr zukünftig sichergestellt ist, das habe wegen komplexer rechtlicher Bedingungen viel Zeit in Anspruch genommen, sei aber inzwischen weitgehend abgeschlossen.
Staatsanwaltschaft Dortmund
Die Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in NRW (ZeUK NRW) hatte am Donnerstag der vergangenen Woche wegen des Verdachts der Gewässerverunreinigung Geschäftsräume in Ohl-Grünscheid und in Bayern, dem Geschäftssitz des Betreibers, durchsucht, teilt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.
Im Einsatz waren Polizeikräfte aus NRW und Bayern sowie Staatsanwälte der ZeUK NRW. Gegenstand der Ermittlungen ist auch die Anzahl verendeter Fische. Mit Verweis auf das laufende Verfahren macht die Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben. Die Auswertung sichergestellter Asservate dauert an. Der Straftatbestand reicht im Falle einer Verurteilung von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Polizei
Eine Polizeisprecherin in Gummersbach verweist auf OA-Nachfrage an die zuständige Staatsanwaltschaft in Dortmund und will sich deshalb zu den Vorkommnissen am 13. Juli nicht äußern.
Kreisumweltamt
Eine Sprecherin des Oberbergischen Kreises verweist nach OA-Anfrage auf die für in dieser Sache inzwischen zuständige Bezirksregierung in Köln, ohne Auskunft zum Geschehen vor Ort und zu den daraus resultierenden Ergebnissen des Kreisumweltamtes zu geben.
Betreiber AUER Holding
Eine Anfrage von Oberberg-Aktuell, das Geschehene aus Sicht des Betreibers AUER Holding zu schildern, blieb bislang unbeantwortet.
