LOKALMIX

Engelskirchen will mehr Urwald wagen

pn; 29.10.2021, 13:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Bürgermeister Dr. Gero Karthaus (v.l.n.r.), Friedhelm Miebach, Geschäftsführer Entwicklungsgesellschaft Engelskirchen, Wilhelm Krah, Vertreter der evangelischen Kirchengemeinde Ründeroth sowie Anna Yona und Jochen Schmitt-Thelen, Vertreter Wilding Shoes, bei der gestrigen Präsentation des Konzepts für Engelskirchens Urwald.
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Engelskirchen will mehr Urwald wagen

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pn; 29.10.2021, 13:00 Uhr
Engelskirchen – Mit dem Projekt „Ein Urwald für morgen“ soll eine ökologische Aufwertung der Waldgebiete im Walbachtal geschaffen werden – Wald soll sich ohne Eingriffe entwickeln dürfen.

Von Peter Notbohm

 

Der Klimaschutz wird bei der Gemeinde Engelskirchen bereits seit Jahren großgeschrieben. Mit dem Projekt „Ein Urwald für morgen“ soll nun das nächste Kapitel aufgeschlagen werden. Als ein „alles andere als alltägliches Konzept“ preist Bürgermeister Dr. Gero Karthaus das Projekt an, mit dem eine ökologische Aufwertung von Waldbereichen im Walbachtal geschaffen werden soll. Wie vielfältig die Natur in der Region bei Ründeroth ist, wurde schon vor Jahrzehnten festgestellt und damals ein rund 48 Hektar großes Naturschutzgebiet ausgewiesen. Im Unterschied zum weitaus überwiegenden Teil des Bergischen Landes sorgt hier der offen zutage tretende Kalkstein für die Entwicklung einer Waldvegetation, die sich durch eine ungewöhnlich artenreiche und seltene Pflanzenwelt auszeichnet.

 

Auch unterirdisch nimmt das Walbachtal mit dem frisch entdeckten Windloch sowie 30 kleinen weiteren Höhlen eine Ausnahmestellung in Nordrhein-Westfalen ein. Um diese Region mit ihren besonderen Begebenheiten noch weiter aufzuwerten will man auch die angrenzenden Waldflächen natürlicher gestalten und sich selbst entwickeln lassen. „Wir möchten mehr Natur zulassen“, sagt Karthaus. Was er damit meint: Die forstwirtschaftliche Nutzung soll weitgehend eingestellt werden, der alte Wald soll sich ungestört entwickeln dürfen. „Wir sagen dem Wald ‚mach du mal‘ und wollen Wildnis zulassen“, erklärt das Gemeindeoberhaupt weiter. Nur Verkehrssicherung soll in diesen Bereichen noch stattfinden. Dabei müsse man auch in anderen Zeiträumen denken. „In der Regel planen wir bis zur Enkelgeneration, aber wer denkt schon 250 Jahre weiter“, fragt Karthaus, der das Projekt auch als spannende Antwort auf den Klimawandel sieht.

 

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Insgesamt 150 Hektar soll das geplante Zielgebiet umfassen – die Gemeinde Engelskirchen ist im Naturschutzgebiet, aber auch in den angrenzenden Bereichen Eigentümer von Waldflächen. Um dem Wildnisbereich auch darüber hinaus eine ökologisch wirksame Größe zu ermöglichen, müssen auch über das Naturschutzgebiet hinaus geeignete Waldflächen in das Konzept eingebunden werden. Hierzu kann mit Waldbesitzern - gegen eine Entschädigung – die dauerhafte Vereinbarung zum Verzicht auf forstwirtschaftliche Nutzung getroffen werden oder in Frage kommende Waldflächen werden durch die Entwicklungsgesellschaft der Gemeinde Engelskirchen aufgekauft. „Zu einem fairen Preis“, wie Karthaus betont.

 

Die natürliche Entwicklung soll für Privatbesitzer ausgleichsfähig sein, erklärt der Bürgermeister weiter. Über ein festgelegtes Punktemodell eines Ökokontos können Eingriffe durch Baugebiete oder Straßen an anderen Stellen verrechnet bzw. kompensiert werden. Wichtig dabei: Flächen, in denen die Grauwacke dominiert, werden nicht ausgleichsfähig. Auch bereits bestehende Altwaldbereiche, in denen die Natur nichts mehr zurückerobern muss, werden nur wenige Punkte bringen, diese Flächen können aber beispielweise durch die Firma Wilding Shoes übernommen werden. „Wir wollen dazu beitragen, das Thema Wald von einer anderen Perspektive anzugehen“, sagt Anna Yona. Es handelt sich aus ihrer Sicht nicht nur, um ein spannendes Projekt, sondern sei auch wichtig: „Gerade als Resilienz zum Klimawandel und dem Verschwinden der Artenvielfalt.“ Auf den Flächen könne man auch ein Bildungskonzept für Familien entstehen lassen, um Familien den Wald auf andere Art und Weise erlebbar zu machen.

 

[Grafik: Gemeinde Engelskirchen --- Zwischen Feckelsberg, Ründeroth und Remerscheid soll sich das 150 Hektar große Zielgebiet für den Urwald von morgen liegen.]

 

Im Naturschutzgebiet sei man bereits im Ankauf ergänzt Karthaus. Die ersten Kaufverträge seien schon geschlossen, ein Interesse der Waldbesitzer sei vorhanden. Zu denen zählt auch die evangelische Kirchengemeinde Ründeroth, die derzeit für 25 Hektar Kirchenwald zuständig ist. Er sei zunächst nicht Feuer und Flamme für das Projekt gewesen als der Bürgermeister auf ihn zugekommen sei, sagt Wilhelm Krah. Nach mehreren Gesprächen – auch mit dem Presbyterium – wurde das Konzept aber immer spannender, wie er zugibt: „Unsere Strategie war immer ertragreiches Holz, aber diese Zeit ist vorbei. Das hat uns die Natur gezeigt. Das soll nun ein Wald werden, wie man ihn nicht kennt.“ Die Gebiete, in denen der Kalkstein dominiert, seien der Gemeinde Engelskirchen bereits fest zugesichert, „über den Rest werden wir noch reden.“

 

Karthaus ist sich sicher, dass „der Urwald für morgen“ ein Erfolg wird: „Natürlich hängt vieles davon ab, welche Flächen wir kriegen. Aber eines ist schon sicher: Dieses Projekt ist in seinem Umfang einmalig in NRW.“

KOMMENTARE

1

Der Schritt von Waldbesitzern zu Waldhütern und Beobachtung und Weiterentwicklung der Ökosystemleistungen über Jahrhunderte: Engelskirchen als "Urwaldgemeinde" schlägt damit einen Bogen zu den indigenen Völkern, die mit 380 Mio. Mitgliedern weltweit in allen Erdteilen als "Hüter des Waldes" gelten, von und in Regenwäldern leben und dazu beitragen, dass in ihrem Einflussbereich die Wälder am wenigsten geschädigt sind. Allerdings ist der Kamof gegen Abholzung, Raubbau und anderweitige Zerstörung der "grünen Lungen" enorm. Alles Gute gür den Engelskirchener Urwald und seine Hüter:innen !

Ralph Dr. Krolewski, 30.10.2021, 11:57 Uhr
2

Parallel dazu plant Engelskirchen, einen intakten Wald für ein Baugebiet abholzen zu lassen. Da hat man schon den Eindruck, Fachleute "aus dem Urwald" sind am Werk...obwohl die sich das eigene Nest eher nicht zerstören würden...

Robin Wood, 03.11.2021, 12:35 Uhr
3

Lieber Robin Wood,
die Kritik mag berechtigt sein; die Form wie sie angebracht wurde "Fachleute 'aus dem Urwald'" finde ich rassistisch-diskriminierend. Ich würde mir wünschen, dass solche Kommentare von den Seitenverantwortlichen gelöscht werden.

Judith Kettner, 16.10.2022, 11:58 Uhr
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