LOKALMIX

Einfache Erklärungen und Lösungen gibt es nicht

lw; 23.01.2024, 17:01 Uhr
Fotos: Freundeskreis Wiehl/Jokneam.
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Einfache Erklärungen und Lösungen gibt es nicht

lw; 23.01.2024, 17:01 Uhr
Wiehl – Freundeskreis Wiehl/Jokneam hatte zu Vortrag im Burghaus Bielstein eingeladen – Zum Thema „Israel und der Gazakrieg“ referierte Prof. Dr. Johannes Becke.

Von Lars Weber

 

Am 7. Oktober 2023 ist die Situation in Israel und Gaza mit dem Angriff der Hamas auf Israel auf grausame Weise eskaliert. In der Folge griff Israel Ziele im Gazastreifen an. Ein Ende des Konflikts ist nicht absehbar. Auch in Deutschland wird die Situation teils hochemotional diskutiert. Eine Versachlichung dieser aufgeheizten Debatte erschien auch dem Freundeskreis Wiehl/Jokneam notwendig, wie die Vorsitzende Judith Dürr-Steinhart am Samstag im Burghaus Bielstein sagte. Wiehl und der Verein hatten erst im vergangenen Jahr den 30. Geburtstag mit der israelischen Partnerstadt begangen. Die anschließende Eskalation machte die Beteiligten sehr betroffen. Um einen Beitrag zu leisten zur Entwicklung einer differenzierten Sichtweise und Betrachtung der komplexen Situation hatte der Verein mit Prof. Dr. Johannes Becke einen echten Nahost-Experten eingeladen. Er referierte vor rund 35 Zuhörern über „Israel und den Gazakrieg“.

 

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Der durch den Angriff der Hamas ausgelöste Krieg habe „gewaltige Druckwellen auf deutsche Straßen, in die deutsche Gesellschaft und Politik“ gesendet, sagte Dürr-Steinhart zur Einführung. „Jeder Versuch, sich diesem Konflikt mit einfachen Lösungen und Erklärungen zu nähern, scheitere an seiner Komplexität, Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit.“ Um zu verstehen, warum Frieden zwischen Israel und den Palästinensern so schwer beziehungsweise „schier unmöglich“ herzustellen sei, sei mehr Information, Aufklärung und Kenntnis der Zusammenhänge notwendig.

 

[Prof. Dr. Johannes Becke und Judith Dürr-Steinhart, Vorsitzende des Freundeskreises Wiehl/Jokneam. ]

 

Damit war der Weg bereitet für Prof. Dr. Johannes Becke. Er ist Professor für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg. Becke studierte Politikwissenschaft in Heidelberg, Kairo und Illinois und arbeitete an der renommierten Universität Oxford. In seinen Forschungen und Publikationen zu den Bereichen der Vergleichenden Politikwissenschaft Israels und des Nahen Ostens liegt der Fokus auf Nationalismus, Staatsentstehung und arabisch-israelischen Beziehungen.

 

In seinem Vortrag nahm Prof. Dr. Becke sehr sachlich und ruhig die Rolle der Hamas genauer unter die Lupe und unterstrich, wie sich deren Strategie durch den 7. Oktober verändert habe. Von den permanenten Terroranschlägen zuvor hin zu einem äußerst grausamen Großangriff im Stile des IS. Er machte aber auch deutlich, dass die Hamas als Gruppe sehr schwierig zu greifen sei.

 

Prof. Becke äußerte, gefragt nach einer friedlichen Zukunftsperspektive des Konflikts, dass er diese nicht sehe mit der gegenwärtigen israelischen Regierung unter Netanjahu. Gerade dieser habe keine Zustimmung mehr bei der großen Mehrheit der israelischen Bevölkerung. Auch solange die Hamas dort wäre, sieht Prof. Becke nicht die geeigneten Voraussetzungen gegeben. Deren Vertreter würden im besten aller Fälle ins Exil gehen. Eine entscheidende Rolle im weiteren Verlauf dieses Konflikts würde weiter der Iran spielen.

 

Nach einer anschließenden Diskussion wurde es am Ende des Abends noch einmal sehr emotional, als ein Video aus Jokneam gezeigt, das dem Freundeskreis von der dortigen Verwaltung geschickt wurde. 15 Minuten lang wird dort geschildert, was im Oktober geschehen ist, welch unvorstellbare Gewalt passiert ist und wie die Bedrohungssituation bis heute anhält. Aufgrund des Inhalts habe der Verein intern darüber diskutiert, ob das Video überhaupt öffentlich gezeigt werden sollte. Es bildete den emotionalen Schlusspunkt am Ende eines sachlich gestalteten Abends.

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