LOKALMIX

Eine Senioren-WG wird zur Zweitfamilie

lw; 04.01.2021, 14:37 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Die Chemie stimmt in der Senioren-WG (v.li.): Renate Weck, Irene Stutzenbecker, Elke Stahl und Günter Fragel.
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Eine Senioren-WG wird zur Zweitfamilie

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lw; 04.01.2021, 14:37 Uhr
Nümbrecht – Seit Mai ist die privat geführte Wohngemeinschaft für Senioren in Oberbierenbach bewohnt – Inzwischen teilen sich die Räume zwei Frauen und ein Mann.

Von Lars Weber

 

Gemeinsam zu essen, das stärkt die Familie, den Zusammenhalt. Es geht nicht nur ums Essen, es geht um den Austausch, ums Gespräch. Welch Wunder gemeinsame Mahlzeiten bewirken können, ist an Irene Stutzenbecker, Renate Weck und Günter Fragel zu sehen. Bis vor kurzem kennen sich die 86-Jährige, die 79-Jährige und der 86-Jährige gar nicht. Dann ziehen sie in diesem Jahr – nach und nach – in die Wohngemeinschaft (WG) für Senioren in Nümbrecht-Oberbierenbach ein. Die Chemie stimmt sofort. Viele Dinge teilen sie gemeinsam – und gerade das gemeinsame Essen ist ihnen wichtig.  „Das ist so ein herzliches Miteinander“, sagt Fragel. „Alle hier sind wie eine zweite Familie für mich.“

 

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Zu der WG gehören nicht nur die drei Senioren, sondern neben dem Mops Captain auch Elke und Guido Stahl. Die 57-Jährigen Oberbierenbacher hatten die Idee, diese Wohnform auch auf dem Dorf umzusetzen. Elke Stahl ist gelernte Krankenschwester, inzwischen als Tagesmutter unterwegs, hat aber auch schon selbst in der Pflege gearbeitet. Sie weiß, wie allein sich viele ältere Menschen fühlen. Durch einen Bericht im Fernsehen kommt ihr der Gedanke, eine Senioren-WG zu gründen. Die Hoffnung dahinter: „Die Bewohner sollen wie in einer Familie zusammenleben“, sagt Stahl. Also: Jeder bekommt ein Zimmer, alles andere wird gemeinsam genutzt. Ihr Mann Guido ist schnell überzeugt. So suchen sie sich ein Haus in ihrem Dorf und sanieren, was das Zeug hält. Schließlich muss alles barrierefrei sein. Unter anderem wird ein Aufzug eingebaut. „Das waren jetzt zwei Jahre Dauerstress – und noch ist auch nicht alles fertig.“

 

[Elke Stahl und ihr Mann Guido haben zwei Jahre an dem Umbau und der Sanierung des Hauses in Oberbierenbach gearbeitet.]

 

Trotzdem kann im Mai der erste Bewohner einziehen. Für Günter Fragel geht es dabei nicht in irgendein Haus. „Das hier war mein Elternhaus, das hab ich selbst mit meinem Papa gebaut.“ Dabei wollte der 86-Jährige erst einmal gar nicht aus seiner Wohnung weg nach dem Tod seiner Frau. Dann besucht er mit seinem Sohn doch das umgebaute Elternhaus. „Ich wusste noch, wo alles einmal stand. Die Erinnerungen kamen hoch. Ich hatte gleich wieder eine Verbindung zum Haus.“ Fragel muss sich bei dem Gedanken daran eine Träne wegdrücken. Nach 65 Jahren sei aus dem Haus wieder ein Stück Zuhause geworden.

 

Fragel nimmt mit seiner offenen Art auch die Neuankömmlinge gleich an die Hand, als kurz hintereinander im Sommer Irene Stutzenbecker und Renate Weck ihre Möbel in die rund 15 Quadratmeter großen Zimmer stellen lassen. Stutzenbecker war eigentlich in Essen daheim, aber ihre Familie wohnt in der Gemeinde Reichshof. Die Besuche vor der Entscheidung für die WG überzeugten sie. Ebenso wie Renate Wick, die vorher in einer Einliegerwohnung in Nümbrecht-Oberelben wohnte. „Ich bin sehr froh mit der Entscheidung“, sagt sie. „Die Atmosphäre hier ist geprägt von Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit“, sagt Stutzenbecker. Die beiden Frauen gehen oft miteinander spazieren, es werden Gesellschaftsspiele gespielt und der schöne Garten genutzt.

 

[Die etwa 15 Quadratmeter großen Zimmer können sich die Bewohner so einrichten, wie sie es brauchen, sie sind vor dem Umzug unmöbliert (Erstes Bild). Viel Zeit verbringen die Bewohner im geräumigen Aufenthaltsraum. Dort gibt es nicht nur eine Auswahl an Spielen, sondern es kann auch Sport gemacht werden. Von dort ist man auch schnell im Garten, in der man seine Runden drehen oder auf einer Bank verweilen kann.]

 

Insgesamt wird es in der Wohngemeinschaft für Senioren acht Plätze geben. Vier im Haupthaus und weitere vier (Zwei Einzelzimmer und ein Appartement, das auch von einem Paar genutzt werden könnte) im Nebengebäude, das die Stahls bis Ostern fertig haben möchten. Der Pflegedienst komme mehrmals die Woche, zudem haben sie eine Angestellte, die sich zum Beispiel ums Essen kümmert. Die Stahls sind aber auch selbst häufig bei „ihren“ Bewohnern und wohnen nur einen Steinwurf entfernt von der WG. Je nach Situation steht dort auch Bett, um die Nacht dort verbringen zu können.

 

Die Pandemie hat das Kennenlernen und das Einleben natürlich nicht leicht gemacht. „Es gab viele Unsicherheiten, gerade, wenn die Familie zu Besuch kommt.“ Deshalb gibt es auch diverse Vorsichtsmaßnahmen, allen voran tragen Besucher die obligatorische Maske, schon vor dem Haus steht Desinfektionsmittel. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst. Und wir achten aufeinander“, sagt Elke Stahl.

 

[Im Nebengebäude sieht es noch nach Baustelle aus. Vier weitere Zimmer entstehen hier.]

 

Irgendwann – so ist das erklärte Ziel des Ehepaars – möchten sie selbst Teil ihrer Senioren-WG werden. Bis dahin sollen aber noch ein paar Jahre vergehen. Es sind also noch ein paar Plätze frei in Oberbierenbach. Irene Stutzenbecker, Renate Weck und Günter Fragel betonen, dass sie sich über Zuwachs in ihrer Wohngemeinschaft freuen würden. „In unserer Mitte ist noch Platz!“

 

Weitere Informationen finden Interessierte hier.

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