LOKALMIX

Eine Nase, die Leben retten kann

pn; 14.11.2019, 13:05 Uhr
Fotos: Peter Notbohm --- Der kleine Beagle Arrass wird momentan zum Assistenzhund für Diabetiker ausgebildet.
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Eine Nase, die Leben retten kann

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pn; 14.11.2019, 13:05 Uhr
Oberberg – Zum heutigen Weltdiabetestag hat Oberberg Aktuell Elke Laegner besucht – Sie bildet Hunde zu Diabetikerwarnhunden aus – Geruchssinn der Tiere ist schneller als jeder Sensor.

Von Peter Notbohm

 

Mit wedelndem Schwanz betritt der kleine Arrass das Zimmer, blickt sich neugierig um und schnuppert durch den Raum, ehe ihm ein bekannter Geruch in die Nase steigt. Der viereinhalb Monate alte Beagle läuft zielstrebig auf das linke Hosenbein von Elke Laegner zu, in dem ein kleines Tuch versteckt ist, und kratzt aufgeregt an diesem herum, ehe er zu einer Klingel im Raum läuft, diese läutet und anschließend mit einem kleinen Beutel zurückkehrt.

 

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Was hier zunächst nach einem verspielten und neugierigen Welpen klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Denn Arrass wird zum Diabetikerwarnhund ausgebildet. Sein Frauchen Elke Wallocha leidet an der Autoimmunerkrankung Diabetes und teilt damit ein Schicksal von etwa 425 Millionen weltweit – in Deutschland sind aktuell mehr als sechs Millionen Menschen betroffen, was eine Steigerung um 38 Prozent seit 1998 bedeutet. Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Zahl der Erkrankten weltweit bis zum Jahr 2045 auf über 700 Millionen anwachsen wird. Jeden Tag gibt es bundesweit fast 1.000 Neuerkrankungen, nach Schätzungen der Deutschen Diabetes Hilfe weiß jeder fünfte Betroffene noch nichts von seiner Erkrankung. Die Internationale Diabetes-Föderation schätzt, dass 2017 etwa vier Millionen Menschen an den Folgen der Krankheit verstorben sind.

 

[Nachdem der junge Arrass sein Training vorbildlich absolviert hat, erhält er zur Belohnung einen Snack.]

 

Arrass erhält in der Zwischenzeit seine Belohnung und stürzt sich eifrig auf die Box mit Käse. Der Welpe hat zwar erst vier Übungsstunden hinter sich, macht aber bereits große Fortschritte. Schon wesentlich weiter ist Milla. Die dreijährige Mischlingshündin aus einem Schafpudel und einem Pudel ist schon weiter und erledigt die Aufgabe längst routiniert. Die Tiere werden auf den Geruch von Diabetikern konditioniert. „Dieser ist bei fast allen Menschen gleich“, erklärt Trainerin Elke Laegner.

 

Bekommt ein Diabetiker einen Zuckerschock, kündigt sich dieser im Körper durch biochemische Prozesse an. Viele Erkrankte tragen einen Sensor zur Messung ihres Glukosegehalts, der bei raschem Abfall der Werte Alarm geben soll. Die Nase eines Hundes ist in diesem Fall allerdings deutlich feiner und bemerkt diesen wesentlich früher, wie auch Barbara Bödefeld, das Frauchen von Milla, zu berichten weiß. Die Frau aus Castrop-Rauxel leidet selbst an Diabetes Typ 1 und arbeitet in einer psychotherapeutischen Praxis, in der sie auch mit vielen Diabetes-Patienten in Kontakt kommt – Milla ist so gut wie immer mit im Raum. Bei einem Termin mit einer Patientin habe diese zu Beginn noch einen normalen Zuckerwert gehabt, nach einer Weile sei die Hündin aber auf die Frau zugelaufen und habe das antrainierte Verhalten gezeigt. Erst einige Zeit später meldete sich auch der Sensor.

 

[Elke Laegner bildet seit 2014 Hunde zum Diabeteswarnhund aus. Auch beruflich hat sie mit den Tieren zu tun - hier allerdings überwiegend mit Drogenspürhunden.]

 

„Was Hunde leisten können, schafft kein Gerät und kann lebensrettend sein“, sagt die in Wiehl lebende Laegner. Sie ist seit 22 Jahren Diensthundeführerin bei der Polizei und kam vor über fünf Jahren eher zufällig mit der Thematik in Berührung. Das Kind einer Freundin litt an Diabetes und die Familie konnte damals das zeitintensive Training ihres Hundes nicht abschließen. Die 43-Jährige übernahm die Aufgabe, entwickelte Spaß daran und schloss sich dem Netzwerk des Hundezentrums Siegerland an, wo sie 2014 von Uschi Loth ausgebildet wurde. In Deutschland und Österreich gehören dem Netzwerk 17 Trainer für Diabetes-Assistenzhunde an. Wenn Laegner hört, dass für eine Ausbildung zum Diabetikerwarnhund teilweise bis zu 30.000 € veranschlagt werden und die Tiere dafür zudem von ihrem Besitzer getrennt werden, kann sie nur den Kopf schütteln. In ihrem Netzwerk werden nur die Trainingsstunden bezahlt, sodass je nach Talent des Tieres und Hundeführers die Ausbildung etwa 1.000 € kostet.

 

 

Die Hunde werden mit einem verschwitzten Trainingsshirt eines Diabetikers darauf trainiert, den Geruch der Unterzuckerung bei Typ 1 Diabetikern als etwas Besonderes zu erkennen – sie zeigen aber auch Überzuckerung an – anschließend eine Notfalltasche zu apportieren und vor allem nachts bei bedrohlichen Zuständen durch Scharren oder Betätigen einer Klingel Alarm zu schlagen. „Wichtig ist, dass man seinen Hund lesen kann“, sagt Laegner, denn jedes Tier habe seine Eigenheiten. Diabetiker müssen aber auch unbedingt auf ihren körpereigenen Geruchshaushalt achten. Nach einem Zuckeranfall sollte möglichst schnell die Kleidung oder Bettwäsche gewechselt werden, damit der Schweißgeruch, der bei einer Unterzuckerung auftritt, für den Hund nicht zur Normalität wird.

 

Die beiden Diabetikerinnen Bödefeld und Wallocha sind glücklich über die Spürnasen ihrer Hunde und hoffen, dass diese bald auch eine ähnliche Anerkennung und Rechte wie Blindenhunde erhalten. Denn momentan ist es noch fallabhängig, ob Milla und Arrass beispielsweise in ein Flugzeug dürfen. Auch gebe es noch keine deutschlandweit einheitliche Reglung bei der Befreiung von der Steuer. Dies werde in jeder Kommune anders gehandhabt.

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