LOKALMIX

Ein Idyll in Gefahr?

ks; 17.08.2022, 13:40 Uhr
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Fotos: Peter Notbohm --- Zwischen den Gummersbacher Ortschaften Rospe, Hardt-Hanfgarten und Liefenroth soll eine Potentialfläche für ein Gewerbe- oder Industriegebiet ausgewiesen werden.  
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Ein Idyll in Gefahr?

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ks; 17.08.2022, 13:40 Uhr
Gummersbach – Eigentümer und Anlieger wehren sich gegen ein potentielles Gewerbegebiet in der Rospe – Ab heute sind zwei Drive-in-Petitionsstationen geöffnet.

„Wir müssen nicht in den Urlaub fahren. Wir leben im Paradies“, sagt Volker Dannenberg. Der Landwirt wohnt mit seiner Familie auf einem Hof bei der Gummersbacher Ortschaft Hardt-Hanfgarten umgeben von Wiesen, Wäldern und idyllischen Wanderwegen. Doch geht es nach den Planungen anderer, soll aus dem langjährigen Zuhause seiner Familie ein Gewerbe- oder Industriegebiet werden. 22 Hektar stehen im Raum, die im Regionalplan der Kölner Bezirksregierung als Potentialfläche ausgewiesen werden sollen. Die Verärgerung und die Empörung ob der Vorgehensweise sind groß – nicht nur beim Landwirt.

 

So wie Dannenberg geht es auch anderen Anliegern. 21 der 22 Hektar gehören vier Eigentümern, beim übrigen Hektar handele es sich um Streubesitz. 2018 hätten sie erstmals über die Medien erfahren, „dass da was im Busch ist.“ Seitens der Stadt seien sie damals nicht informiert worden, stattdessen seien sie an Gummersbachs Technischen Beigeordneten Jürgen Hefner herangetreten. „Wie kann man etwas planen, wenn man die Eigentümer nicht fragt?“, moniert Dannenberg. Obendrein hätten sie in einem Schreiben an Hefner bekräftigt: „Wir wollen nicht verkaufen!“

 

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Rund vier Jahre sind seitdem vergangen. Seit Februar befindet sich das Verfahren in der Öffentlichkeitsbeteiligungsphase, Informationen dazu wurden auf der Website der Bezirksregierung Köln veröffentlicht. Davon erfahren haben die Eigentümer jedoch erst vor vier Wochen, als die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Lindlar auf sie zugekommen sei. Die Frist endet bereits am 31. August. Dannenberg ist verärgert und unterstellt eine „gewisse Systematik“, wodurch die Einspruchsfrist so kurz wie möglich gehalten werden solle: „Das ist traurig. Ich habe Verständnis dafür, dass man Gewerbe- und Industriegebiete braucht. Aber man kann das nicht hinter dem Rücken der Bürger machen.“

 

 

Betroffen ist auch der Mertenhof. Holger und Melanie Merten sind Jungunternehmer und leben mit ihren Kindern Anne und Lars auf dem Hof. Jetzt bangen die Mertens um ihre Existenz. Das geplante Industrie- und Gewerbegebiet Gummersbach-Rospe würde nicht nur die Natur und damit den Lebensraum von Pflanzen, Vögeln und anderen Wildtieren zerstören, sondern auch die Lebensgrundlage von landwirtschaftlichen Tieren und damit die Produktion und Direktvermarktung von regionalen Produkten zunichtemachen.

 

Die Eigentümer wehren sich gegen die Planungen der Bezirksregierung, haben bereits einen Anwalt eingeschaltet. Dieser wird – ebenso wie der in Lindlar ansässige Bauernverband – Einspruch erheben. Außerdem hat die Interessengemeinschaft eine Online-Petition gestartet, fast 2.500 Menschen haben bereits unterschrieben.

 

Heute, morgen und am Freitag bieten die Anlieger auch zwei Drive-in-Petitionsstationen an, an denen sich Bürger auf Unterschriftenlisten eintragen können. Die Drive-ins befinden sich am Mertenhof, Auf den Bruchswiesen 12, und auf dem Parkplatz des ehemaligen Hotels Tabbert, Hardtstraße 28. Am Sonntag, 21. August, findet ab 16 Uhr eine geführte Wanderung und ab 17 Uhr Auf den Bruchswiesen 14 ein Info-Abend statt.

 

Der Technische Beigeordnete bezeichnet die Aufregung als „überzogen“. In dem Prozedere gehe es lediglich darum, den Rahmen für eine mögliche Entwicklung zu bilden. „Faktisch gibt es seitens der Stadt keine Planungen für neue Gewerbegebiete – mit Ausnahme einer ganz kleinen Arrondierung in Windhagen West II“, so Hefner. Ursprünglich habe das Kölner Stadt- und Regionalplanungsbüro Dr. Jansen für den Oberbergischen Kreis Potentialflächen identifiziert. Demnach würden sich in Gummersbach zwei Flächen für die Entwicklung von Gewerbe- und Industriegebieten eignen: das Areal in der Rospe sowie ein Bereich nördlich der L306 bei Herreshagen.

 

Im Dezember 2015 sei der damalige Bau-, Planungs- und Umweltausschuss erstmalig über die Potentialflächen informiert worden. In diesem Mai habe sich der Ausschuss für Stadtentwicklung, Infrastruktur und Digitalisierung mit dem Entwurf des Regionalplans einverstanden erklärt. Aber: „Wenn ein Eigentümer nicht verkaufen möchte, dann ist das Thema durch, dann gibt es auch kein Gewerbegebiet“, sagt Hefner. Trotzdem sei es der Stadt wichtig, die für den Regionalplan vorgesehenen Flächen nicht aufzugeben. Sollte sich beispielsweise ein anderer Landwirt für einen Verkauf entscheiden, so könnten die Flächen getauscht werden.

 

 

„Meine Kinder werden nicht verkaufen“, macht Dannenberg deutlich. Der 68-Jährige ist in der Rospe aufgewachsen. Ab 1966 habe seine Familie den Hof gepachtet. Nach seinem Studium habe sich der damals 27-jährige Vermessungsingenieur bewusst für die Landwirtschaft und die Bewirtschaftung des Hofes zusammen mit seinem Bruder entschieden. Seit 1992 lebt er auf dem Hof, 2003 habe er ihn erworben. „Das ist ein Spieleparadies und die Heimat für unsere Kinder“, sagt der Landwirt, der inzwischen auch Enkel hat. „Die Heimat für unsere Kinder lassen wir uns nicht nehmen!“

 

KOMMENTARE

1

Ich wünsche den betroffenen Eigentümern viel Kraft, und vor allem, sehr gute Rechtsbeistände. Online Petition haben wir schon unterschrieben, sind auch Kunden beim Mertenshof. Die Äußerung des technichen Beigeordneten kann man getrost vergessen, technische Beigeordnete verwirklichen sich in ihrer ,meist 5-jährigen Amtszeit, gerne in ihrem Wirkungskreis, die Betroffenen leben aber sehr viel länger in ihrer Heimat.

Jürgen, 17.08.2022, 15:08 Uhr
2

Ehrlich gesagt verstehe ich nicht was Gummersbach mit so viel Gewerbegebieten möchte. Laut dem Gummersbacher Geoinformationssystem (GIS) welches man auf der Internetseite der Stadt Gummersbach unter "bauen und wohnen" einsehen kann ist dort im Flächennutzungsplan ein weiteres Gewerbegebiet auf der Strombacher Veste eingeplant. Da reden wir auch über ca. 40 ha.
Hat die Stadt Gummersbach sonst nichts zu tun als die Natur zu verschandeln? Wie wäre es vielleicht mit Fracking in Strombach?
Bin wirklich entsetzt.
M. Roth

Markus Roth, 17.08.2022, 18:25 Uhr
3

Endlich Kritik am Regionalplan-Entwurf - es wurde auch Zeit! Die Landwirte & Eigentümer dort haben verstanden, dass Landschaft, Natur und Fläche endliche Güter sind, die man bewahren muss. Natürlich ist so ein Flächenfraß klar abzulehnen.
Und der technische Beigeordnete von Gummersbach gibt im Bericht indirekt sogar zu, dass man diese Fläche eigentlich gar nicht braucht. So ist das mit ganz vielen oberbergischen Flächen im Regionalplan-Entwurf: Hauptsache eine Fläche regionalplanerisch sichern, dann kann man sie irgendwann mal bebauen, denn in den Augen der Bauamtsleiter kostet Natur, Landschaft & Fläche nichts bzw. noch immer nicht genug für einen Meinungswandel - Artensterben, Waldsterben und "Konkurrenz um die Fläche" zum Trotz. Wir brauchen ein ganz anderes Denken in den Rathäusern!

Michael Gerhard, 17.08.2022, 23:17 Uhr
4

Eben noch Buschhausen, jetzt Rospe! Wie ignorante, weil nach Jahrzehnten immer noch den Klimawandel außen vor lassende, Politik "geht", ist (auch) im Oberbergischen Kreis sichtbar! Einfamilienhäuser hier, Industriegebiete dort, Zerstörung von überlebensnotwendigen Räumen für Pflanzen und Tiere und damit für Menschen. Die Petition habe ich schon unterschrieben und ich bin sicher, es wird weitere Anstrengungen, Proteste und Klagen geben müssen, um ein "ganz anderes Denken in den Rathäusern" (Michael Gerhard) zu fördern.

Cornelia Lang, 18.08.2022, 14:23 Uhr
5

Dass sich meine Vorredner so aufregen beweist nur, dass sie den Artikel nicht gelesen und das Procedere eines Entwicklungsplanes nicht verstanden haben. Es geht hierbei lediglich darum, Perspektiven für Gewerbegebiete zu sondieren, d. h. Habitate, Wasserschutzgebiete und ähnliches auszusortieren. Weder die Eigentümer, noch deren Kinder noch deren Enkel werden ein Gewerbegebiet Rospe erleben, wenn sie das nicht wollen.

Ronald, 19.08.2022, 10:01 Uhr
6

Erstmal ist ein Industriegebiet ja nicht schlecht. Es entstehen Arbeitsplätze die wir im Oberbergischen brauchen Punkt. Wie Umwelttechnisch in diesem gearbeitet wird sollte ja geregelt sein zwinkersmiley. Die Wahl des Platzes ist aber lächerlich bzw mehr als frech......... es gibt genug brachliegende Plätze die es zu nutzen gilt. Bestes Beispiel Niedeseßmar Möbel Schuster. Es sollte im Interesse unserer "Kreisregierung" liegen solche Sachen zu fördern bzw. auch zu vermitteln. Ich wünsche allen betroffenen das die Geschichte gut ausgeht.

T. Foulkes , 19.08.2022, 10:43 Uhr
7

Zu diesem Thema gibt es auch in Herreshagen große Aufregung. Die Eigentümer und Dorfbewohner erfahren auf Umwegen was in unmittelbarer Nähe zum Dorf geplant wird und sind entsprechend verärgert. Die Bezirksregierung informiert nur im absolut notwendigen Rahmen ( Internet ) über die Regionalplanung. Wer das nicht weiß, sachkundiger Bürger ist oder sich auf kommunaler Ebene auskennt ,hat schlechte Karten. Auch Herreshagen hat eine Petition ins Leben gerufen:
https://www,openpetition.de/petition/online/nein-zum-gewerbe-und-industriegebiet-in-gummersbach-herreshagen
Hoffentlich befassen sich angesichts der Hochwasserereignisse 2021 Im Leppetal / Engelskirchen viele Bürger mit diesem Thema.
Bei solch einer Vorgehensweise wundert man sich nicht mehr über Politikverdrossenheit.

Holger Fastenrath, 19.08.2022, 11:15 Uhr
8

Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist ein Scheinargument. Schon heute suchen etliche Betriebe händeringend nach Personal, dabei gehen die "Babyboomer" erst jetzt in Rente, die Demographie zeigt danach noch weit mehr Lücken im Arbeitsmarkt. Es gibt weltweit keine einzige Firma die um der Schaffung von Arbeitsplätzen willen gegründet wurde. Im Gegenteil: So wenig wie möglich Personalkosten sind angestrebt. Und was ist mit der Bauweise? Überall ist ersichtlich, dass in derartigen Gebieten in die Fläche gebaut wird. Warum nutzt man nicht die Etagenbauweise? Weil es zu teuer ist?! Da bittet man dann lieber die Gesamtbevölkerung, die Natur und das Klima zur Kasse. Diese Konzepte stammen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Sie taugen längst nicht mehr. Das sollten auch Politiker wissen.

F Lothar Winkelhoch, 20.08.2022, 09:42 Uhr
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