LOKALMIX

Die Botschaft: „Wir sind mehr!“

lw; 19.01.2024, 21:05 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Nachdem die Polizei aus Sicherheitsgründen auch den Bürgersteig vor der AfD-Zentrale freigegeben hatte, standen die Demonstranten plötzlich direkt vor dem Schaufenster des Parteibüros.
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Die Botschaft: „Wir sind mehr!“

lw; 19.01.2024, 21:05 Uhr
Gummersbach – Mehr als 400 Menschen versammelten sich, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen – Demonstranten kamen der AfD-Zentrale näher als geplant - Die Partei reagiert (AKTUALISIERT).

Von Lars Weber

 

In verschiedenen Städten in Deutschland gingen nach dem Correctiv-Bericht über das Treffen rechter Aktivisten, Politiker und Extremisten in Potsdam bereits Tausende Menschen auf die Straßen, um ihre Stimme gegen Rechtsextremismus und das Erstarken der AfD zu erheben. Weitere Veranstaltungen sind bereits geplant. Heute Abend haben sich auch in Gummersbach nach Schätzungen der Polizei etwa 450 Menschen dieser Bewegung angeschlossen. Erwartet vom Veranstalter wurden dabei gerade mal etwa 50. In der Vollmerhauser Straße trafen sie sich unter dem Thema „Nie wieder ist jetzt! Aufstehen gegen Rechts!“, um ihren Sorgen und Ängsten, aber auch ihrer Wut ob der in Potsdam diskutierten Pläne zu einer Vertreibung von Millionen Menschen aus der Bundesrepublik Luft zu machen.

 

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Der Ort der Demo war natürlich nicht zufällig gewählt. Direkt gegenüber befindet sich das oberbergische Wahlkreisbüro der AfD. Dort fand zur selben Zeit ein Vortragsabend zum Thema "Energiekrise und das Klimakartell" mit dem wirtschafts- und energiepolitischen Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Christian Loose statt. In Ruhe konnten die Besucher diesem wohl kaum lauschen. Nicht nur angesichts der Lautstärke, den der Protest teils entwickelte. Immer wieder riefen die Menschen unter anderem „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Nachdem immer mehr Protestler kamen, musste die Polizei aus Sicherheitsgründen auch den Bürgersteig direkt am AfD-Büro für die Demonstranten freigeben.

 

So konnten diese ihre Plakate und Schriftzüge direkt über den Sichtschutz am Schaufenster der AfD halten: „Faschismus bekämpfen, AfD verbieten“, AfD? Nee!“ oder „AfD tut weh“ war dort unter anderem zu lesen. Auch der Anti-Nazi-Song „Schrei nach Liebe“ von Die Ärzte wurde gemeinsam angestimmt, mit Pfeifen und Kuhglocken Lärm gemacht. Ihre Botschaft: „Wir sind mehr“. Gegen die Scheibe klopfen war aber verboten.

 

 

Zu der Demo gegen Rechts hatte das „Spontane Bündnis gegen Rassismus“ aufgerufen. Unter diesem Namen wurde schon am Dienstag in Köln die Demonstration organisiert. Mit den Kölnern habe man aber nichts zu tun, sagte die Veranstalterin aus Oberberg, die ihren Namen nicht bei OA lesen möchte. „Die Bündnisse ergeben sich vor Ort.“ Sie selbst sei schon lange engagiert. „Wir müssen genau hinschauen, was in Oberberg für rechte Strukturen gewachsen sind“, sagte sie, auch hinsichtlich der Beteiligung zweier Oberberginnen an dem Treffen in Potsdam (OA berichtete). Die vielen Menschen, die nun in ganz Deutschland auf die Straße gingen, machten ihr aber Hoffnung. In ihrer Rede forderte sie ein Verbot der AfD.

 

Bei den Protestlern dabei war auch Winfried aus Gummersbach. Seine Familie wohnt bereits in vierter Generation in Deutschland. Von den Plänen von „Remigration“ fühle nicht nur er sich bedroht, sondern auch seine Freunde und seine Familie. „Ich fühle mich zurückversetzt ins Dritte Reich.“ Alle Menschen sollten nun genau hinschauen. „Hier geht es um Menschenrechte! Wir wollen uns nicht schikanieren lassen.“

 

Unterstützt wurde das „Spontane Bündnis gegen Rassismus“ bei der Durchführung der Demo vom Verein „Oberberg ist bunt, nicht braun“, aber auch Grüne und SPD waren dabei. Gerhard Jenders (Foto) von „Oberberg ist bunt, nicht braun“ erinnerte in seiner Rede an das letzte Mal, als sie vor dem AfD-Büro zusammengekommen waren. Damals war der rechtsextreme Politiker Matthias Helferich in Gummersbach zu Gast gewesen, der das Konzept der „Remigration“ bereits offen erläuterte. „Ich dachte damals, die Position ist sogar der AfD zu extrem. Ich habe mich geirrt“, so Jenders. Er mahnte, dass die Vetreibungsfantasien jeden treffen könnten. „Wir müssen gemeinsam unsere Demokratie und das Grundgesetz verteidigen.“

 

Ans Mikro traten außerdem unter anderem der Bundestagskandidat der SPD Oberberg Pascal Reinhardt und Dr. Julian Münster, Sprecher der Grünen Oberberg. „Wir müssen uns vor die Menschen stellen, die bei uns Schutz suchen und Zeichen setzen für ein weltoffenes Oberberg.“

 

[Bis zum Fahrradladen und darüber hinaus war der Bürgersteig voller Menschen.]

 

Ursprünglich war den Demonstranten nur erlaubt gewesen, sich gegenüber des AfD-Büros zu positionieren. Aber da immer Menschen auf den Fußweg drängten und teils auf der Straße stehen mussten, gaben die Beamten nach einer halben Stunde auch die andere Seite frei. Wer zu dieser Zeit auf der Vollmerhauser Straße mit dem Auto unterwegs war, musste Zeit mitbringen. Teils durfte nur eine Fahrtrichtung die Menschenmenge passieren. Gestört hat dies längst nicht alle. Diverse Autos hupten solidarisch. Gegen 20 Uhr löste sich die Demonstration auf.

 

Klar ist schon jetzt: Es wird nicht die letzte Veranstaltung gegen Rassismus in Gummersbach sein. Schon kommenden Samstag, 27. Januar, ab 11 Uhr soll es laut Jenders auf Initiative von Jugendorganisationen der Parteien zu einer Kundgebung auf dem Gummersbacher Lindenplatz kommen. Es könnte eine besondere Veranstaltung werden. Der 27. Januar ist bekanntermaßen auch der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

 

Reaktion der AfD
 

Die AfD Oberberg hat eine andere Sicht auf den Ablauf des Abends, wie Kreisvorsitzender Bernd Rummler in einer Mitteilung schreibt. Durch die Demo sei es zu verbalen Beleidigungen, Bedrohungen und zu Behinderungen der Vortragsgäste der AfD bei der Anreise gekommen, so Rummler. "Die Polizei und die Veranstalter waren offensichtlich von der Anzahl der Teilnehmer überrascht und schlecht vorbereitet. Die Redner haben auf der Demo die Menge zusätzlich noch aufgehetzt und dadurch ist die Lage beinahe eskaliert." Beeindrucken lassen möchte sich die Partei aber nicht. Es sollen weiter öffentliche Veranstaltungen in den AfD-Büros stattfinden, so Rummler.

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