LOKALMIX

Das Ende der Pandemie – und dann?

bv; 17.05.2021, 09:15 Uhr
Archivfoto: Michael Kleinjung.
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Das Ende der Pandemie – und dann?

bv; 17.05.2021, 09:15 Uhr
Oberberg – Wie werden wir leben und arbeiten, was wird uns wichtig sein, und haben wir aus den vergangenen Monaten etwas gelernt?

Wir kennen zwar keinen genauen Termin, aber irgendwie spüren wir es: In diesem Sommer erleben wir so etwas wie Normalität. Ein Durchatmen nach der dritten großen Welle der Pandemie, ein Licht am Ende des Tunnels. Es entsteht Vorfreude, und zwar bei allen – bei denen, die die Impfspritze als Ausbruch aus der Wagenburg empfinden, und auch bei denen, die willentlich oder aus anderen Gründen ein Vakzin ablehnen (müssen). Jedoch, wird das Leben nach Corona ein anderes sein als vorher? Oder können wir nahtlos an den Februar 2020 anknüpfen, jener Zeit, die von der Anzahl der Tage gar nicht so weit entfernt erscheint, die vielen jedoch als Relikt einer irgendwie unbeschwerten Vergangenheit vorkommt? Wie also werden wir künftig leben und arbeiten?

 

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Wir werden uns sicherlich daran gewöhnen müssen, dass unsere Lebenswelt anders ausschaut. Schwarz-weiß-Denken ist in der Regel viel zu eindimensional, hier aber trifft es. Vieles reduziert sich nämlich auf die Frage: Wie bist du durch die Pandemie gekommen? Nicht alle, die als Freiberufler und Unternehmer teilweise schon über ein Jahr gezwungen waren, ihr Geschäft geschlossen zu halten, werden wir wiedersehen. Die Kneipe nebenan, das Geschäft, in dem wir schon viele Jahre Kleinigkeiten eingekauft haben, könnten verschwunden sein. Corona verstärkt demnach auch Ungleichheiten.

 

Digitalisierung wird der Taktgeber der Zukunft sein, ob wir das wollen oder nicht. Für den einen Fluch, für viele andere Segen. In dem Jahr des gefühlten Dauer-Lockdowns haben sich bei vielen Menschen Einkaufsgewohnheiten verändert. Wer nicht schon zuvor durch die weite Welt des Internets streifte, um bequem vom Sofa aus zu bestellen, nutzte diese Möglichkeit spätestens dann, als die Geschäfte dichtmachten. Und ob alle künftig wieder in die analoge Welt des klassischen Shoppings zurückkehren, ist fraglich. Dauerhaft überleben dürften nur die Läden, die ein besonderes Einkaufserlebnis bieten können. Atmosphäre, Nähe, Zwischenmenschlichkeit kann die digitale Welt nämlich nur unzureichend abbilden.

 

Andererseits – was wäre gewesen, hätten nicht viele Unternehmen ihre Beschäftigten ins Homeoffice schicken können? Was noch vor zwei Jahren bei vielen geradezu verpönt war, weil es den Charakter eines „Beine-hoch“ in sich trug, zeigte, dass kreatives und zielorientiertes Arbeiten auch zuhause möglich ist. Künftig könnte eine Mischung aus Präsenz- und Distanzarbeiten zur Regel werden, und mancher Unternehmer wird in die Kosten-Nutzen-Rechnung mit einfließen lassen, dass große Büroräume nicht zwingend sein müssen. Das gilt auch für manche Dienstreise. Warum ans andere Ende der Welt jetten, Kosten verursachen, die Klimabilanz verschlechtern, wenn ein digitales Gespräch genauso gut möglich ist?

 

Die Pandemie hat uns aber auch vorgeführt, was in unserem Leben wirklich wichtig und existenziell ist. Der Stellenwert von Familie und Beziehung wurde deutlich erhöht. Es war mehr Zeit für Partner und Kinder da, die Hektik wurde ein Stück weit verbannt. Raus aus dem Hamsterrad, mehr Muße, mehr Zeit, mehr Gespräche - warum sollte das nicht auch nach der Pandemie gelingen? Mancher hat gar aufgeatmet, als klar wurde, dass im Leben vor der Pandemie viele an einem gezerrt und gezogen haben, die erwarteten, dass man funktionierte. Und plötzlich entfiel das Ständig-verpflichtet sein.

 

Viele haben auch die Natur intensiver erlebt, haben den Klima- und Borkenkäfer-bedingten Kahlschlag gesehen, aber auch den bedächtigen Rhythmus und die beruhigende Kraft des Waldes gespürt. Wir sind vielleicht auch demütiger geworden, haben auf die eine oder andere Art erlebt, wie wichtig sogenannte systemrelevante Berufe für uns alle sind. Doch das Klatschen auf den Balkonen für die Beschäftigten in den Supermärkten, Pflegeheimen und Krankenhäusern reicht nicht. Wenn wir wollen, dass Arbeitsdruck ab- und Bezahlung zunimmt, müssen wir, die wir viele Monate Zeit hatten, dies zu reflektieren,  auch von Politik und Tarifpartnern einfordern.

 

Wie also wird die Zukunft, welche Perspektive ergibt sich für jeden von uns? Wer nicht gerade als Hellseher geboren wurde, zuckt mit den Schultern. Wir ertasten vorsichtig den Weg nach vorne – mit Maske und Abstand, so viel ist sicher.

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