LOKALMIX

Auf der Tanzfläche rührt sich (fast) nichts

lw; 26.09.2020, 07:00 Uhr
Fotos: Thomas Wicke (1-3), EventWerk OBK (4-5) --- Die Theke im Kesselhaus ist seit März verwaist.
LOKALMIX

Auf der Tanzfläche rührt sich (fast) nichts

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lw; 26.09.2020, 07:00 Uhr
Oberberg – Diskotheken sind seit Mitte März dicht – Betreiber hoffen auf Lockerungen und versuchen mit Alternativen ihre Existenz zu sichern.

Von Lars Weber

 

„Mega-Charts und Schwing-den-Hintern-Hits“ standen am 14. März auf dem Programm im EventWerk OBK in Engelskirchen. Feierwillige jenseits der 40 sollten an diesem Samstag im Frühjahr ins Wipperfürther Kesselhaus zu „Disco Nights“ gelockt werden. Doch die Hintern blieben an diesem Abend auf der Couch. Der Lockdown begann und mit ihm die Leidenszeit der Clubs und Diskotheken in der gesamten Bundesrepublik und selbstredend auch der Veranstalter und Betreiber im Oberbergischen, zu denen auch Thomas Wicke vom Kesselhaus und Christos Batgidis, einer der Geschäftsführer des Engelskirchener EventWerks OBK, gehören. Wann das Betriebsverbot für Diskos und Clubs aufgehoben wird, ist völlig unklar. OA hat sich mit Wicke und Batgidis unterhalten.

 

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Seit fast 30 Jahren existiert die Diskothek Kesselhaus inzwischen in Wipperfürth. Sie ist eine Institution. Der Inhaber Thomas Wicke hat viele andere Clubs und Diskotheken gesehen, die in dieser Zeit geöffnet haben und andere, die schließen mussten. „Zum Beispiel, nachdem nicht mehr drinnen geraucht werden durfte, da sind die Umsätze bis zu 40 Prozent eingebrochen“, erinnert er sich. Auch jetzt sind die Umsätze eingebrochen – von heute auf morgen um 100 Prozent, null Gäste statt bis zu 550. Alle seine Aushilfen habe er freigestellt. Gerade die Anfangszeit sei schlimm gewesen. Wicke habe zunächst den Laden auf Vordermann gebracht: Streichen, Putzen, die Lichtanlage verbessert.

 

[Im Wipperfürther Kesselhaus wird seit Anfang der 90er-Jahre getanzt.]

 

Auch staatliche Hilfen hat er natürlich beantragt. Aber weder durch die Soforthilfe noch über die Übergangshilfen bekommt er seine monatlichen Ausgaben gedeckt. „Ich lebe von Erspartem“, sagt er. Er fühlt sich allein gelassen. Diskotheken und Clubs seien ohne Lobby beim Staat. Er plädiert dafür, bei jedem Laden genau hinzuschauen. Das Kesselhaus beispielweise sei nun einmal kein kleiner Club mit niedriger Decke, sondern die Decken seien zehn Meter hoch und die Belüftungsanlage tauscht die Luft in der Stunde bis zu zehn Mal. „Da herrscht in Kneipen schlechtere Luft.“

 

Das ist seine Hoffnung: Dass die Behörden irgendwann nicht mehr alle Diskotheken und Clubs über einen Kamm scheren. Bis dahin hofft Wicke, dass mehr Menschen das Angebot annehmen, das Kesselhaus für private Feiern zu nutzen. Zudem überlegt er, den Laden als reine Schankwirtschaft zu öffnen. Da dafür aber auch einige Investitionen, zum Beispiel für Trennwände, nötig sind, müsse sich das erstmal rechnen. Noch eine Weile könne er so noch überleben. Aber klar ist auch, dass es nicht ewig so weitergehen kann.

 

Schon einen Ticken weiter als in Wipperfürth ist man in Engelskirchen. Das EventWerk OBK, das kurz vor dem Lockdown seinen zweiten Geburtstag feierte, ist breit aufgestellt. Es bietet nicht nur Clubnächte, sondern auch das Firmen- und Veranstaltungsgeschäft lief gut. So traf die Entscheidung der Regierung die Engelskirchener nicht unvorbereitet. „Wir haben zwei bis drei Wochen vorher das Team zusammengetrommelt um zu klären, wie wir dem begegnen wollen“, sagt Christos Batgidis. Um wirtschaftlich überleben zu können und im Gespräch zu bleiben, wird praktisch mit Verkünden des Lockdowns ein Lebensmittellieferservice und ein Burger-Bringdienst präsentiert.

 

[Seit den Lockerungen können die Gäste auch im Burgerwerk einkehren.]

 

Während der Lebensmittellieferservice schnell eingestampft wird, ist das „Burgerwerk“ ein Erfolgsmodell. Erst als reiner Bringdienst, später nach den Lockerungen auch vor Ort, sichern die Eigenkreationen und der Barbetrieb dem EventWerk das wirtschaftliche Überleben. Diesen Sektor möchte das Team weiter ausbauen. „Es soll noch wirtschaftlicher werden. Wir wollen aus der Krise stärker rausgehen.“

 

Christos Batgidis glaubt, dass sein Laden nach der Pandemie eine Monopolstellung im Kreis haben könnte. Eine Prognose besage, dass auf dem Land rund 80 Prozent der Gastroangebote wegfallen werden. „Es wird nicht mehr viele Möglichkeiten geben, auszugehen, erst recht auf dem Land.“ Aber auch in der Stadt werde es nicht viel besser aussehen, die übrig gebliebenen Clubs werden nicht mehr alle reinlassen, es wird Gästelisten geben. „Spontane Ausflüge nach Köln, um in mehrere Clubs zu gehen, wird es nicht mehr geben“, sagt Batgidis.

 

[Das Team in der Küche hat alle Hände voll zu tun. Und das Burgerwerk soll weiter wachsen, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.]

 

Umso mehr heiße es für sie: „Halten, was da ist.“ Und neue Ideen ausprobieren. So darf im EventWerk an diesem Wochenende auch wieder getanzt werden – zumindest ein bisschen. Bei den Tischpartys zum Oktoberfest werden die Gruppen strikt getrennt. Die Gäste an einem Tisch dürfen die Tanzfläche einige Minuten reservieren – ganz für sich allein. Sogar die Maskenpflicht ist für den „Tanzkreis“ ausgesetzt. Auf die Einhaltung der Regeln werde streng geachtet. „Wir wollen kein Risiko eingehen“, sagt Batgidis, deshalb würde man auch die maximal erlaubte Anzahl an Gästen nicht ausreizen.

 

Christos Batgidis ist froh über den Erfolg des „Burgerwerks“ und dass alle 50 Mitarbeiter, ein Team aus Aushilfen und Festangestellten, gehalten werden konnten. Und er weiß auch, dass sie damit besser dran sind als manch anderer Laden. „Die Insolvenzwelle wird am 30. September losgehen. Dann wird man das ganze Ausmaß der Pandemie auf die Szene sehen.“

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