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AOK-Report: Kinder leiden unter Belastungen ihrer Eltern

pn; 05.07.2023, 14:10 Uhr
Symbolfoto: Barbhuiya auf Pexels
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AOK-Report: Kinder leiden unter Belastungen ihrer Eltern

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pn; 05.07.2023, 14:10 Uhr
Oberberg - Der aktuelle Gesundheitsreport der AOK zeigt, dass sich familiäre Belastungen auf die Gesundheit von Kindern auswirken – Oberberger sind Vorsorgemuffel.

Von Peter Notbohm

 

Anspannungen, Stress, psychische Belastungen, chronische körperliche Erkrankungen wie Diabetes oder Adipositas, aber auch finanzielle Probleme: All das sind Dinge, unter denen nicht wenige Erwachsene leiden. Dass diese Probleme auch Einfluss auf die Entwicklung und Gesundheit von Kindern der Betroffenen haben, zeigt der Gesundheitsreport der AOK Rheinland/Hamburg für den Oberbergischen Kreis, den die Gesundheitskasse am Dienstag in ihren Geschäftsräumen in Gummersbach vorgestellt hat.

 

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Kinder, die in solchen Familien aufwachsen, neigen verstärkt dazu an Asthma, Fettleibigkeit, ADHS, Essstörungen oder Süchten zu erkranken. Auch die Gefahr von Sprachentwicklungsstörungen, motorischen Entwicklungsstörungen oder Sozialverhaltensstörungen ist teilweise deutlich erhöht. Gleichzeitig werden U-Untersuchungen im Kleinkindalter vernachlässigt und Kinder haben teilweise eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit des Bedarfs von Psychotherapie oder Psychopharmaka.

 

[Grafik: Peter Notbohm / Quelle: AOK Rheinland/Hamburg.]

 

Rund 90.000 Menschen im Oberbergischen Kreis und somit etwa ein Drittel aller Menschen in der Region sind bei der AOK versichert. Anders als andere Krankenkassen erlaubt das dem Versicherungsriesen einen sehr genauen Blick auf die regionale Basis. Auffällig: Während im gesamten Versorgungsgebiet der AOK Rheinland/Hamburg jedes zweite Kind eines Versicherten in einer Familie mit einer Belastungssituation lebt, ist das Oberbergische hier auf dem letzten Platz (38,5 Prozent). Eine Belastung sei statistisch dann gegeben, wenn eine chronische Erkrankung eines Elternteils über mindestens zwei Jahre therapiert werden muss, erklärt Gesundheitsanalytiker Dr. Volquart Stoy.

 

Interessant: Während das Oberbergische beim Anteil der Kinder, die in Familien mit mindestens einem körperlich kranken Elternteil (15,9 zu 18,1 Prozent) bzw. einem psychisch kranken Elternteil (17,7 zu 20,1 Prozent) leben, eher am Ende der Auswertung liegt, ist der Anteil suchtkranker Eltern sogar am dritthöchsten im gesamten Versorgungsgebiet (1,8 zu 1,4 Prozent). Ein Fötus einer Suchtkranken hat beispielsweise im Vergleich zu allen anderen Kindern und Jugendlichen ein über 800 Prozent höheres Risiko einer Schädigung. Und auch in der Perinatalphase ist die Gefahr von Problemen immer noch um 74 Prozent erhöht. Dass diese Kinder später im Teenageralter selbst einmal an einer Sucht erkranken, unterliegt einer 156-prozentig erhöhten Wahrscheinlichkeit.

 

[Foto: Peter Notbohm ---- Gesundheitsanalytiker Dr. Volquart Stoy (li.) und AOK-Regionaldirektor  Frank Mäuer stellten den AOK-Report vor.]

 

Was sogar Regionaldirektor Frank Mäuer wundert: Alle Zahlen zeigen kaum einen Unterschied zwischen sozial schwachen und besser gestellten Familien. So leben im Oberbergischen beispielsweise die meisten Kinder mit einem suchtkranken Elternteil in Wiehl/Nümbrecht. Eine weitere Auffälligkeit des Reports für die Region: ADHS wird bei oberbergischen Kindern und Jugendlichen (3,6 Prozent) vergleichsweise eher selten diagnostiziert, dafür sind die hiesigen Ärzte beim Verschreiben von medikamentöser Therapie und Dauermedikation mit führend. „Die Gründe hierfür sollte man sich anschauen, auch ob das richtig so ist. Wir wollen es nicht skandalisieren, aber problematisieren“, sagt Stoy. Mit den Zahlen des Reports werde man das Gespräch mit den Kommunen suchen, erklärt Mäuer: „Es gibt einige Bürgermeister, die sehr daran interessiert sind und das mit in ihre Gremien zu den Gesundheitsdezernenten nehmen.“

 

Hitzebedinge Krankenhausfälle

 

Der AOK-Report wagt auch einen Ausblick auf den Klimawandel und welchen Einfluss Hitze, Feinstaub- sowie Lärmbelastung auf die menschliche Gesundheit hat. Das Oberbergische ist hiervon zwar weniger betroffen als andere Städte und Kreise, aber auch hier erkennt man einen klaren Trend. Gab es von 2009 bis 2018 noch 156 hitzebedingte Krankenhausfälle je eine Million Menschen über 65 Jahren, waren es 2018 bereits 323. Die Prognose des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) geht davon aus, dass dieser Wert bei einer strikten Klimapolitik (globaler Temperaturanstieg um maximal 2 Grad) bis ins Jahr 2100 wieder auf 176 fallen wird. Werden hingegen keine Maßnahmen gegen den CO2-Ausstoß getroffen, wird ein Temperaturanstieg um etwa 5 Grad erwartet, sodass die Anzahl der hitzebedingten Krankenhauseinweisungen sich im Oberbergischen auf 939 verdreifachen, im AOK-Versorgungsgebiet sogar versechsfachen würde.

 

Ein weiterer Schwerpunkt, den der Gesundheitsreport zeigt: Oberbergische Menschen werden mit zunehmendem Alter immer mehr zu Vorsorgemuffeln. Während der Anteil der Kleinkinder, die zur Früherkennungsuntersuchung U7a gehen mit 96,5 Prozent noch vorbildlich ist (in Wiehl/Nümbrecht und Radevormwald/Hückeswagen sind es sogar 99 Prozent), nimmt dieser mit Eintritt ins Schulalter bei den weiteren Untersuchungen U10 (43,3 Prozent) und J1 (34,9 Prozent) rapide ab. Als Reaktion hierauf haben die AOK und die KNVO ihren Vertrag für ergänzende Früherkennungsuntersuchungen erweitert. Bei Erwachsenen ab 35 Jahren belegt das Oberbergische bei den Check-Ups bei Frauen (36,4 Prozent) und Männer (33,8 Prozent) sogar den jeweils traurigen letzten Platz. Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter Düsseldorf nimmt jeder zweite Versicherte diese Checks wahr.

 

Sorgen bereitet der Gesundheitskasse zudem der Trend der Krebsvorsorgeverweigerer, der durch Corona noch einmal verstärkt worden ist. Geht zumindest jede dritte Frau ab 20 Jahren zur regelmäßigen Untersuchung, sind es bei den Männern ab 45 Jahren gerade einmal 15,9 Prozent (drittletzter Platz im AOK-Gebiet). „Wir können die Krankheit nicht verhindern, bei frühzeitiger Vorsorge kann man aber eine Menge machen und die Chancen auf Heilung sind wesentlich höher“, sagt Regionalchef Mäuer. Die AOK startet aus diesem Grund eine neue Kampagne „Check das ab, geht auf Karte“ zum Thema Krebsfrüherkennung. Neben Gesundheitsforen und Seminaren soll am 19. Oktober auch ein großer Stand auf dem Lindenplatz aufgebaut werden, um öffentlichkeitswirksam mit Passanten ins Gespräch zu kommen.

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